Oberhausen. Streetwork Oberhausen kümmert sich um junge Menschen, die Rat, Raum und Zeit suchen. Die Probleme werden mehr. Inflation steigert Bedarf.

Auf dem Tisch stehen frische Brötchen, es läuft Musik und die Kaffeemaschine. Ein dutzend junger Menschen steht oder sitzt im Aufenthaltsraum von Streetwork Oberhausen. Der Montagsblues bleibt draußen auf der Straße, wo Lkw mit gefrorenen Dächern über die Mülheimer Straße rumpeln.

Auf der Suche nach etwas Wärme, Zeit und Raum werden die Jugendlichen bei Streetwork Oberhausen fündig. Wo sonst hingehen an einem Montagmorgen, wenn man nicht alleine zu Hause hocken oder draußen in der Kälte sitzen möchte. „Hier sind alle über 18“, sagt Streetworkerin Tina Jakoby. Wer eine Maßnahme des Jobcenters besuchen soll, wird auch dahin gebeten.

Sind für die Jugendlichen da: Tina Jakoby, Fabian Schmidt und Yasemin Bartolotta.
Sind für die Jugendlichen da: Tina Jakoby, Fabian Schmidt und Yasemin Bartolotta. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Streetwork Oberhausen gibt es seit 15 Jahren. Aber erst seit zwei Jahren hat die stadtfinanzierte Einheit mehrere Räume an der Mülheimer Straße. Zuvor war lediglich ein Büro an der Hasenstraße bei der Kurbel angesiedelt – für theoretisch 29.000 junge Menschen zwischen 14 und 27 Jahren.

Streetwork Oberhausen: Lebensmittel werden rar

Jüngst haben Fabian Schmidt und Tina Jakoby Verstärkung bekommen. Yasemin Barlotta erweitert das Team, und zwar nicht ohne Grund. Der Bedarf steigt. Die Inflation kurbelt die Preise an und macht es den jungen Menschen schwer, sich vernünftig zu ernähren. „Die Nachfrage ist sehr groß geworden“, sagt Tina Jakoby. Frühstück und Mittagessen sind kostenlos. Allerdings müssen auch die Streetworker zusehen, wo sie das Essen herbekommen. Die Tafel, die sonst Lebensmittel spendete, kann wegen der hohen Nachfrage keine Lebensmittel mehr weiterreichen.

Auch die Probleme wachsen. Zwar konnten die Streetworker in der Corona-Pandemie weiter arbeiten, Essen wurde über die Fenster ausgegeben, mit ihrem Stadtmobil konnten sie ihre Klientel im Olga-Park, Uhland-Park und an anderen Orten aufsuchen; die Pandemie hat die jungen Menschen aber hart getroffen. „Die Vereinsamung hat zugenommen“, sagt Tina Jakoby. Auch die psychischen Probleme seien mehr geworden, ergänzt Fabian Schmidt. Angst- und Zwangsstörungen träten durch die Hygienebestimmungen nun häufiger auf.

Mit dem Bus sind die Streetworker in der Stadt unterwegs, um die Jugendlichen direkt aufzusuchen.
Mit dem Bus sind die Streetworker in der Stadt unterwegs, um die Jugendlichen direkt aufzusuchen. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Pandemie wirkt sich negativ auf junge Menschen aus

Rauch-Pause im Innenhof. Die Sonne scheint, drei junge Männer genießen die frische Luft. Gleich wollen sie noch Fußballspielen. „Wir sind alle ein bisschen komisch geworden in der Pandemie“, sagt einer. Immerhin hätte man die Streetworker weiter erreichen können. „Ich hab alles unter den Teppich gekehrt“, sagt ein anderer. Aber demnächst mache er einen Schulabschluss.

Es gibt keine klassische Erfolgsgeschichte der Streetworker. Doch manche sind so: „Ich stand am Abgrund. Aber die hier haben mir geholfen“, sagt einer. Schulden, keine Wohnung, keine Arbeit. Das war 2019. Mittlerweile habe er eine Wohnung und sei Azubi. „Hier wird man nicht so behandelt, als wäre man eine Nummer.“ „Das ist hier wie eine Familie. Mit jedem Problem kann man hier hinkommen“, sagt ein anderer.

Die Computer werden für die Wohnungs- oder Jobsuche genutzt.
Die Computer werden für die Wohnungs- oder Jobsuche genutzt. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Streetwork Oberhausen: Notschlafstelle fehlt

Probleme gibt es viele. Die Streetworker helfen, wenn jungen Menschen die Schulden über den Kopf wachsen, wenn sie zu Hause rausgeschmissen wurden, oder wenn sonst alles quer steht im Leben. Sie verstehen sich als Netzwerk, schaffen Kontakt zu psychologischen Beratungsstellen oder der Schuldnerberatung. In Familienstreitigkeiten stehen sie den jungen Menschen bei. „Wir nehmen eine anwaltliche Funktion ein“, sagt Fabian Schmidt. Und schaffen denen Gehör, die sonst wenig gehört werden. Tina Joby weiß deshalb, was in Oberhausen fehlt: „Eine vernünftige Notschlafstelle“. Die bestehende an der Wefelstraße würde Jugendliche abschrecken. Als Vorbild könne der Raum 58 in Essen dienen.

Die Türen an der Mülheimer Straße sind tagsüber, außer am Wochenende, auf. Im Aufenthaltsraum stehen ein Billardtisch, ein Schlagzeug, eine Couch. In einem anderen Raum gibt es eine kostenlose Kleiderkammer, in einem weiteren PC’s, um Wohnungen zu suchen oder Bewerbungen zu schreiben. Auch Duschen können die jungen Menschen umsonst nutzen, oder mal ihre Kleidung waschen. Draußen bleiben muss nur, wer schon Hausverbot hat oder seinen Rausch ausschlafen muss. „Gewalt geht gar nicht“, sagt Tina Jakoby. „Das hier ist ein absoluter Schutzraum.“ An den Wänden hängen deshalb Regeln fürs friedliche Miteinander.

Ein Kicker steht auch bereit.
Ein Kicker steht auch bereit. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Die Streetworker fahren mit ihrem Bus, dem E-Scooter und dem Rad aber auch raus auf die Straße und in die Parks. Die „Klientel“, wie die Streetworker ihre Kunden nennen, leben in den bekannten Zentren der Stadt. Eine Karte im Büro mit Hilfsangeboten zeigt ziemlich genau, wo der Bedarf besteht. Im Norden, wo sich die Menschen ballen. Und die Probleme.