Oberhausen. Als einzige Frau diskutierte Linda Kastrup bei einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern in Oberhausen. Die Aktivistin zeigte beachtlichen Mut.
Vielleicht war es Kalkül, eine Klimaaktivistin für eine Podiumsdiskussion über den Beitrag der Wirtschaft zum Umweltschutz zu engagieren. Eine konträre Meinung schadet schließlich nie in einer Runde mit erwartbaren Meinungsbeiträgen. Linda Kastrup konnte es am Montagabend im Technologiezentrum Oberhausen (TZU) egal sein. Sie nutzte die Bühne, um in Anwesenheit des NRW-Umweltministers Oliver Krischer (Grüne) die Wirtschaftsvertreter direkt anzugehen.
Dass Linda Kastrup die einzige Frau auf dem Podium war (neben Moderatorin Sara Bildau), war dem Umstand geschuldet, dass Professorin Julia Fröhne von der Business Metropole Ruhr kurzfristig krank ausfiel. Das führte allerdings zur unangenehmen Situation, dass fünf Männer „in der zweiten Hälfte ihrer statistischen Lebenserwartung“ (Krischer) einer jungen Klimaaktivistin gegenübersaßen. Bezeichnenderweise hatte die Duisburgerin auch den äußersten Stuhl eingenommen.
Fridays for Future: Deutliche Kritik an Wirtschaft und Politik
Die Fridays-for-Future-Sprecherin ließ sich davon allerdings nicht irritieren. Sie packte ihr Anliegen im ersten Redebeitrag auf den Tisch. „Es ist enttäuschend, dass es uns überhaupt braucht“, sagte sie mit Blick auf die inzwischen große Reichweite der Klima-Bewegung. Die Klimakrise sei schon „vor 30 bis 40 Jahren“ erkennbar gewesen. Dass die Probleme nicht gelöst worden seien, sei eine „total vertane Chance“.
Mehr und weniger überzeugend wiesen die Diskussionsteilnehmer auf die positiven Entwicklungen hin, auf die Chancen der Wirtschaft, aktiv den Wandel zu gestalten, und dass jeder seinen Teil dazu beitragen müsse. Linda Kastrup grätschte dazwischen und kritisierte das Konzept des „fossilen Fußabdrucks“. Dies sei eine Idee der Wirtschaft, um die Verantwortung auf die Konsumenten zu übertragen. „Die Krise und die Risiken auf den Rücken der Individuen abzuwälzen, ist falsch.“ Die Wirtschaft müsse sich ändern, schließlich verursache sie den größten Teil der klimabelastenden Stoffe.
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Klimaaktivistin knöpft sich Iqony-Manager vor
Richtig interessant wurde es aber, als Ralf Schiele, Mitglied der Geschäftsführung von Iqony, zum Thema Greenwashing befragt wurde. Iqony soll den grünen Bereich des Steag-Konzerns darstellen. Für Klimaaktivisten ist das aber nur eine Form des Greenwashings, also eine Möglichkeit, das Unternehmen als grün zu verkaufen. Schiele sagte allgemein, Greenwashing stelle in der globalen Wirtschaft eine Versuchung dar.
Kastrup nutzte die Vorlage, um den Manager direkt anzugehen. „Es ist schon fast ironisch, dass ausgerechnet Sie diese Frage gestellt bekommen, weil Ihr Unternehmen einen Teil dazu beiträgt.“ Stille im Raum und kein Applaus der Wirtschaftsvertreter im Publikum.
Der Veranstalter
Zur Podiumsdiskussion hatte die BMR-Tochter Greentech.Ruhr geladen. Dem Netzwerk haben sich mittlerweile 225 Partner angeschlossen, die die Wirtschaft im Ruhrgebiet grüner machen wollen.
Finanziert wird Greentech.Ruhr durch Fördergelder und Kooperationspartner. So leisten unter anderem die Städte Essen, Bottrop und Oberhausen einen Beitrag, damit Lösungen für klimafreundliche Produktionen gefunden werden.
Mitdiskutiert haben auch Professor Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum (Lehrstuhl Ressourcenökonomie) und Lars Baumgürtel (Geschäftsführer Zinq, Duisburger Firma für Feuerverzinkung). Die Keynote steuerte die Publizistin Dr. Alexandra Hildebrandt mit einem Vortrag über „Endlichkeit schafft Dringlichkeit“ bei.
Kastrup bekam aber auch Unterstützung. Fröhne-Ersatz Markus Schlüter pflichtete ihr bei, dass es Zeit zum Handeln sei. „Die Krise ist jetzt.“ Und auch Krischer argumentierte ähnlich wie die Klimaschutz-Kämpferin. Die Politik müsse den Rahmen schaffen, damit die Wirtschaft klimafreundlich agiert, und nicht auf das Handeln der Konsumenten warten. In der Vergangenheit sei jede Klimadiskussion mit dem Argument: „Die kaufen doch die dicken Autos“, beendet worden.
NRW-Umweltminister Krischer: Brauchen stärkere Regeln
Der Grünen-Politiker war auch sonst bemüht, eine vermittelnde Position einzunehmen. Er verwies immer wieder auf die Verantwortung der Politik und nannte das Beispiel Glühbirne. Durch das Produktionsverbot würden heute hauptsächlich LED-Lampen eingesetzt. Krischer sorgte damit für einen unfreiwilligen Lacher, weil von der Decke des historischen Gebäudes alte Glühbirnen das Licht warfen.
Das Beispiel Glühbirne zeige aber, dass Veränderung durch politische Regeln möglich ist. So könnten stärkere Gesetze dazu beitragen, dass mehr Abfall recycelt wird. In vielen großen Städten würde Bioabfall als Restmüll entsorgt, sagte Krischer: „Das sind Dinge, die wir ändern müssen.“