Düsseldorf. Eine Überprüfung ergibt einen Milliarden-Bedarf. Fast 300 Bauwerke sind marode. Der Verkehrsminister befürchtet eine „Bugwelle“.

Das Ausmaß sanierungsbedürftiger Brücken in Nordrhein-Westfalen ist weit größer als vermutet. Eine umfassende Prüfung hat laut NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) ergeben, dass allein in Verantwortung des Landesbetriebs „Straßen.NRW“ derzeit 205 Ersatzneubauten, 22 Brückenverstärkungen und 69 Instandsetzungen an Landes- und Bundesstraßen erforderlich seien. Allein dafür müssten gut 1,8 Milliarden Euro aufgebracht werden. Hinzu kommen 873 Brücken an Autobahnen in Bundesverantwortung, die zumindest in Teilen als besonders sanierungsbedürftig gelten.

Brücken mit einem Bauwerkszustand, der von Ingenieuren als „nicht ausreichend“ eingestuft wird, können bei weiteren Zweifeln an der Standfestigkeit über Nacht für den gesamten Verkehr gesperrt werden. So war es Ende 2021 bei der bis heute unbefahrbaren A45-Talbrücke „Rahmede“ passiert.

Bauwerke stammen größtenteils aus den 60er und 70er Jahren

„Wir haben uns jahrzehntelang zu wenig um die vorhandene Infrastruktur gekümmert. Das holt uns jetzt mit kaputten Brücken ein“, sagte Krischer am Freitag. In NRW gibt es insgesamt knapp 6500 Brücken, die größtenteils in den 60er und 70er Jahren gebaut wurden. Sie waren nie für die heutigen Verkehrsbelastungen ausgelegt, was ihre Lebensdauer deutlich verkürzt. Krischer sprach von einer „Bugwelle“, der man begegnen müsse, indem Geld und Personalressourcen in Sanierung und Erhalt investiert werden. In der Ampel-Bundesregierung beharken sich Grüne und FDP seit Wochen bei der Frage, inwieweit der Autobahn-Neubau noch zum Zukunftsportfolio gehören soll.

Die Opposition im Landtag warf der Landesregierung vor, sich in Problembeschreibung zu verlieren, anstatt einen „Masterplan“ zur schnelleren Genehmigung von Neu- und Ersatzbauten vorzulegen: „Es ist bekannt, wie enorm der Sanierungsstau ist. Wir erwarten, dass Minister Krischer endlich konkret wird“, sagte Gordan Dudas, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

Nicht mehr Haushaltsmittel für Planungsressourcen

FDP-Verkehrsexperte Christof Rasche kritisierte, dass Schwarz-Grün die Haushaltsmittel für mehr Planungsressourcen bisher nicht erhöht habe. Krischer habe bislang auch nichts dazu beigetragen, dass Genehmigungsverfahren bei Infrastrukturprojekten beschleunigt werden. „Statt ideologisch ‚Schiene gegen Straße‘ und ‚Erhalt gegen Neubau‘ auszuspielen, wünschen wir uns mehr professionellen Umgang mit den Herausforderungen“, sagte Rasche.

SPD und FDP werfen der Landesregierung schon länger vor, die Verkehrspolitik zu vernachlässigen. Da Krischer auch für das Umweltressort verantwortlich ist, unterstellt ihm Dudas, den Verkehrsbereich „nicht mal in Teilzeit“ zu behandeln. Rasche mokierte sich darüber, dass der einst zentrale Geschäftsbereich zum „Mini-Job“ des grünen Umweltministers verkümmert sei. Allerdings kann Krischer darauf verweisen, dass im abgelaufenen Jahr bereits 64 Brückenmaßnahmen an Landes- und Bundesstraßen mit einem Gesamtvolumen von gut 70 Millionen Euro fertiggestellt werden konnten.