Oberhausen. Neues Angebot im Klinikum St. Josef: Die Migrationsambulanz bietet psychiatrische Hilfe in der Muttersprache an. Warum das wichtig ist.
Menschen, die aus einem anderen Land nach Deutschland kommen, bringen manchmal Traumata mit sich – etwa wenn sie vor Krieg geflohen sind. Andere kämpfen vielleicht mit psychischen Problemen, trauen sich aber aufgrund der Sprachbarriere nicht, sich Hilfe zu suchen. Oder sie suchen sich Hilfe, aber das Verständnis für den kulturellen Hintergrund ist aufseiten des deutschen Arztes oder der Ärztin nicht vorhanden. Für diese Menschen gibt es seit Januar 2023 in Oberhausen eine psychiatrische Migrationsambulanz. Und die Nachfrage ist groß.
„Die Telefone klingeln schon Sturm“, berichtet Kyriakoula Manaridou. Die 40-Jährige ist seit Oktober 2022 Chefärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Ameos Klinikum St. Josef in Oberhausen, an das die Migrationsambulanz angegliedert ist. Das Angebot – das übrigens kostenlos ist – richte sich an Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund, mit und ohne Sprachbarriere. Zwar koste es mehr Überwindung, sich in einer anderen als der Muttersprache zu erklären. Unabhängig davon spiele aber auch eine Rolle, wie die Menschen aufgewachsen sind, was ihr Verhalten geprägt hat, welche Umgangsformen in ihrem Kulturkreis der Norm entsprechen und womöglich von denen in Deutschland abweichen, erklärt die Psychiaterin.
Kulturelle Besonderheiten werden je nach Herkunft unterschiedlich bewertet
„Einer sehr temperamentvollen Person wird ihr Temperament manchmal als Streitsucht oder erhöhtes Aggressionspotenzial ausgelegt“, sagt Manaridou, die selbst einen griechischen Migrationshintergrund hat und weiß, wovon sie spricht. „Ein ordentliches Temperament mit lauter Sprache ist auch Teil unserer südländischen Kultur. Manchmal sind wir schon sehr laut und manchmal auch over the top.“ Wer das aus seinem Kulturkreis nicht kenne, ordne es womöglich nicht immer sofort richtig ein.
Der Schwerpunkt der neuen psychiatrischen Migrationsambulanz in Oberhausen liegt auf der griechischen Sprache. Auch die Leiterin der Anlaufstelle, Angeliki Matthaiopoulou, stammt aus Griechenland. Der Bedarf an einem solchen Angebot sei groß, hat Manaridou aus der griechischen Gemeinschaft erfahren. Darum war ihr die Migrationsambulanz ein persönliches Anliegen. „Da hängt mein Herz dran“, betont die Chefärztin.
„Ich wollte etwas Neues aufbauen, was kaum ein anderes Krankenhaus in der Umgebung hat“, sagt die gebürtige Hildenerin. Zwar gebe es auch andernorts psychiatrische Migrationsambulanzen: in Langenfeld zum Beispiel eine für Menschen mit türkischem und russischem Migrationshintergrund, in Viersen eine türkische und persische. Die neue Oberhausener Anlaufstelle ist aber deutlich breiter aufgestellt: Die Ärztinnen und Ärzte dort sprechen neben Griechisch auch Italienisch, Bulgarisch, Serbisch, Kroatisch, Rumänisch, Arabisch, Französisch, Englisch „und natürlich Deutsch“, zählt Manaridou auf. „Wir sind ein großes multikulturelles Team.“
Arzt oder Ärztin mit türkischem Migrationshintergrund wird noch gesucht
Türkisch bieten sie im Moment nur begrenzt an. „Wir sind noch auf der Suche nach einem Arzt, der Türkisch spricht“, erklärt die 40-Jährige. Die türkische ist wie die griechische Community im Ruhrgebiet groß. Viele Menschen sind aus diesen Ländern in den 60er Jahren als sogenannte Gastarbeitende auch nach Oberhausen gekommen und hier heimisch geworden.
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In der Oberhausener psychiatrischen Migrationsambulanz erhalten Betroffene Hilfe bei sämtlichen psychologischen Krankheitsbildern, etwa Psychosen, Depressionen, Suchterkrankungen und Anpassungsstörungen. Und zwar in ihrer Muttersprache. Was Patientinnen und Patienten hier nicht erwartet – auch darauf weist Manaridou hin – ist eine kontinuierliche Psychotherapie, wie zum Beispiel eine Verhaltenstherapie mit wöchentlichen Terminen. Die Migrationsambulanz bietet aber Erstgespräche an, diese dauern 25 Minuten, in denen der oder die Patientin ihre Situation schildert. Es wird eine Diagnose gestellt und ein Therapieplan entwickelt. Es gibt außerdem Kurzinterventionen und die üblichen Probesitzungen für eine Psychotherapie. Und wer nicht ambulant behandelt werden kann, kann im Ameos Klinikum St. Josef stationär aufgenommen werden.
Patientinnen und Patienten müssen Voraussetzungen erfüllen
Es gibt aber auch Voraussetzungen für die Behandlung in der Ambulanz: Die Patientinnen und Patienten müssen älter als 18 Jahre sein und ihre Krankenkassenkarte mitbringen, sie brauchen eine Überweisung vom Hausarzt oder Psychiater und „sie müssen eine psychische Krankheit haben“. Was selbstverständlich klingt, ist es wohl nicht, berichtet Manaridou aus ihrer Erfahrung als Psychiaterin. „Es gibt Patienten, die denken: Da sind Ärzte, die mich verstehen. Und dann kommen sie zum Beispiel mit Rückenschmerzen zu uns.“
Manaridou, die sich auch jüngste forensische Psychiaterin Deutschlands nennen darf, bleibt ehrgeizig. Ihr nächstes Ziel: „die größte und bestaufgestellte Migrationsambulanz in NRW werden“, sagt die 40-Jährige. „Man darf ja noch träumen.“
Erreichbar ist die Migrationsambulanz über die PIA, die Psychiatrische Institutsambulanz am Ameos Klinikum St. Josef an der Mülheimer Straße 83 in Oberhausen von Montag bis Freitag, 9 bis 12 Uhr, Dienstag und Donnerstag außerdem von 13.30 bis 15.30 Uhr. Kontakt per Telefon: 0208 4683970, per Mail: pia.stj@ob.ameos.de. Mehr Infos: https://www.ameos.de/klinikum-st-josef-oberhausen/behandlungsfelder/einrichtungen/migrationsambulanz