Oberhausen. Momulu Massaquoi begründete eine Botschafter-Dynastie von Bonn bis New York. Fasia schloss erst in Oberhausen ihren Frieden mit den „Ausbeutern“.
Von der „eleganten“ Erscheinung des 40 Jahre älteren Generalkonsuls konnte Elli Jansen noch Jahrzehnte später schwärmen. Und ihre Tochter Fasia Jansen hatte etliche Tonbänder mit den Erinnerungen aus einem „hamburgisch-liberianischen“ Familienleben gefüllt – das allerdings nie so zustande kam, wie es sich ihre Mutter, das erst 18-jährige Kindermädchen, im noblen Konsulatshaushalt wohl ausgemalt hatte.
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Schnittige Karossen mit DC-Kennzeichen (fürs Diplomatische Corps), die aus dem nur hundert Kilometer entfernten Bonn in Oberhausen vorfuhren, dazu Einladungen auf schwerem Büttenpapier für „Fräulein Jansen-Massaquoi“ zum Empfang in der Bad Godesberger Redoute, dem einst kurfürstlichen Ballhaus: Das sind märchenhaft anmutende Details aus dem Leben von Fasia Jansen, die als „Protestsängerin“ für ihre Auftritte vor Streikenden und Ostermarschierern so berühmt geworden ist. Nichts schien ihr zeitlebens (von 1929 bis 1997) fremder zu sein als Glamour und gezirkelte Etikette.
Dabei war das im Kiez von Hamburg-Rothenburgsort aufgewachsene Kind von Elli Jansen eigentlich auch eine „afrikanische Prinzessin“ – wie ihre 17 Jahre ältere Schwester Fatima Massaquoi, deren Lebenserinnerungen als „Autobiography of an African Princess“ erschienen waren.
Nachfahren von Sklaven wurden zu Sklavenhaltern
Liberias Geschichte und familiäre Dynastien können sehr verwickelt sein: Afrikas älteste Republik entstand im europäischen Revolutionsjahr 1848 als koloniale Gründung befreiter und aus den USA „heimgekehrter“ Sklaven. Doch das von portugiesischen Seefahrern „Pfefferküste“ getaufte Land war keineswegs menschenleer: Der Dauerkonflikt zwischen den 20 einheimischen Ethnien und den sich alsbald zur Herrscherelite aufschwingenden Ameriko-Liberianern schwelte anderthalb Jahrhunderte – und explodierte während der letzten Lebensjahre von Fasia Jansen in grauenhaften Bürgerkriegen, gefolgt von der Ebola-Seuche.
Momulu Massaquoi, Fasias Vater, hatten in der Aufbruchsstimmung der 1920er wohl etliche Liberianer zugetraut, gegen die Kleptokratie einer Elite anzutreten, die als Nachfahren von Sklaven auf ihren eigenen Plantagen selbst zu Sklavenhaltern geworden waren. Der 1869 geborene Königssohn stammt aus dem Volk der Vai, studierte als einer der ersten Liberianer in den USA am „Central Tennessee College“ – und heiratete dank seiner Ehefrau Rachel Johnson in die ameriko-liberianische Oberschicht.
Den Konkurrenten in Hamburg auf Abstand gehalten
Als erster Gesandter eines unabhängigen afrikanischen Staates (neben der seit frühchristlicher Zeit bestehenden äthiopischen Monarchie) eröffnete Momulu Massaquoi 1922 das Generalkonsulat an einer von Hamburgs schicken Adressen: Von der Johnsallee ist es auch heute nur ein kurzer Spaziergang zur mächtigen US-Repräsentanz am Alsterufer. Die ehrenvolle Entsendung war allerdings auch ein Coup von Liberias Präsident Charles King, den potenziellen Konkurrenten auf Abstand zu halten. Während dieser Jahre untersuchte eine Kommission des Völkerbundes (Vorgänger der Vereinten Nationen) die Vorwürfe, in Liberia grassiere „inoffizielle“ Sklaverei – und fand sie bestätigt.
Fasias Mutter Elli Jansen sah den Wohlstand der Massaquois, die im Dezember 1929 nach Liberia zurückkehrten. Sie konnte aber nicht wissen, dass der Vater ihres Kindes schon bald mit seiner Familie ins Exil getrieben wurde. Momulu Massaquoi starb 1938.
Fasias „zweite Familie“ stiftete Versöhnung
Es war dann die „afrikanische Prinzessin“ Fatima Massaquoi, die zehn Jahre später aus Liberias Hauptstadt Monrovia auf eine Anfrage des Rotkreuz-Suchdienstes antwortete: „Schreib mir bitte einen langen Brief und sag mir, wie es Dir geht und was Du gelernt hast.“ Für ihre 17 Jahre jüngere Schwester Fasia war das gut gemeinte Schreiben ein empörender Appell – als wollten die reichen Massaquois ihre Bildung abfragen. Dabei hatte sie doch, ohne schulische Chancen im Hamburg der NS-Zeit, als 14-jährige Küchenhilfe Hungerrationen zu den Sklavinnen und Sklaven des SS-Staates bringen müssen.
Erst Fasia Jansens „zweite Familie“ in Oberhausen stiftete in den 1950er Jahren eine beständigere Versöhnung mit den Massaquois – mit dem Hintergedanken, die legendär (einfluss)reiche Familie könnte für die herzkranke Sängerin auch erstklassige Ärzte finden. So fand sich ihr 24 Jahre älterer Bruder Nathaniel als Liberias Bergbauminister in der Stahl- und Kohlestadt Oberhausen in seinem Metier. Und Einladungen des Botschaftssekretärs Martinus Johnson, ihres Cousins (und späteren UN-Gesandten), gingen an „Miss Fasia Jansen-Massaquoi“.
Verwirrend? Nicht für die Postboten im Zustellbezirk von Familie Althoff: Sie brachten zuverlässig auch Briefe, die nur an „Fasia, Oberhausen“ adressiert waren.
Afrikas erste Präsidentin stiftete Versöhnung in Liberia
Eine spätere Friedensnobelpreisträgerin stiftete Versöhnung im kriegszerrütteten Liberia: Die heute 84-jährige Ökonomin Ellen Johnson Sirleaf, Harvard-Absolventin und Managerin der Weltbank, gewann 2005 die ersten freien und fairen Wahlen in Liberia. Wie Nelson Mandela in Südafrika installierte sie „Wahrheits- und Versöhnungs-Komitees“, um die Verbrechen der Bürgerkriegsjahre aufzuklären.
Afrikas erste Präsidentin erhielt den Friedensnobelpreis kurz nach ihrer Wiederwahl 2011 – vor allem weil sie die Frauen Liberias aktiv in den Friedensprozess einband. Die US-Nachrichtenmagazine „Time“ und „Newsweek“ feierten Sirleaf als eine der weltweit besten zehn Regierungschefinnen.