Oberhausen. Oberhausener Schülerinnen und Schüler haben ein Buch geschrieben. Das Projekt soll die Begeisterung wecken – mit einem ungewöhnlichen Weg.
Am Anfang schreibt man für den Papierkorb. Das ist kein neunmalkluger Satz eines gealterten Schriftstellers. So heißt ein Buch, das jetzt im Karl-Maria-Laufen-Verlag erschienen ist, und in Buchhandlungen und im Internet etwa bei Amazon erhältlich ist. Das besondere dabei: Es haben Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 des Oberhausener Elsa-Brändström-Gymnasiums geschrieben.
Wenn der Satz motivierend gemeint war, hat er funktioniert. Im Kurs Kreatives Schreiben entstand ein 200-Seiten-starkes Buch mit neun Novellen, obwohl Lehrer Sebastian Fendrich es den Schülern alles andere als leicht gemacht hat: Vorgegeben waren Figuren aus der griechischen Mythologie, die die Schüler in die moderne Zeit überführen sollten. Eine Idee für den Papierkorb?
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Novellen übers Scheitern und die Spielsucht
Fanden Fendrichs Schüler nicht. Es sei schwierig gewesen, „diese göttlichen Dinge in einen heutigen Konflikt zu projizieren“, sagt Schülerin Christine Weberskirch. „Wir haben uns auf das Wesentliche konzentriert.“ In ihrem Fall die Gabe Kassandras, die Zukunft vorauszusagen. In der Novelle der Schülerin ist Kassandra die Lehrerin Katharina, die wie die griechische Figur scheitert, aber an einem Schüler.
Milan Medic hat sich ebenfalls ein konfliktreiches Thema der Neuzeit ausgesucht. In seiner Novelle kämpft seine Hauptfigur mit der Spielsucht, befindet sich in einem selbstzerstörerischen Freundeskreis. Die griechische Vorgabe Midas hatte ähnliche Probleme mit der Gier. So weit entfernt, und doch aktuell.
Für den Papierkorb hat niemand geschrieben, auch wenn die ersten Versuche durchaus darin landeten. „Am Anfang hatte ich keine Ideen und alles wieder gelöscht“, erzählt Weberskirch. Die Entwürfe landeten im digitalen Papierkorb. Scheitern wie ihre Figur kam aber nicht in Frage.
Es wird immer schwieriger, junge Leute für Literatur zu begeistern
Sebastian Fendrich hatte sich viel vorgenommen. Das Buch der traditionsreichen Reihe des Oberhausener Verlags ist wegen der Textgattung dicker geworden. Nach drei Jahren Pause durch Corona ist Fendrich hochzufrieden. „Das hat von den Schülerinnen und Schülern Ausdauer und Geduld gefordert.“
Eben daran hakt es nicht selten. In der schnelllebigen Zeit (noch so eine Floskel!) sind Geschichten und Informationen nur einen Klick entfernt. Fendrich beobachtet, dass es in den vergangenen zwanzig Jahren schwieriger geworden sei, junge Menschen für Literatur zu begeistern. Auf die Frage, ob jemand durch den Kurs nun mehr lese, gab es ein ehrliches Nein in der Runde. Auch Schulleiterin Alice Bienk stellt fest, dass die Ablenkungen gestiegen sind. „Diese Generation liest viele audiovisuelle Texte.“ Gemeint sind damit Informationen, die per Video übermittelt werden. „Wenn man eine Frage hat, kann man schnell bei Youtube eine Antwort finden.“
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Schülerinnen schreiben Notizen in ihre Handys
Sie beobachte allerdings auch, dass Qualitäten von Print-Medien wiederentdeckt würden. Bücher böten die Möglichkeit, sich hinzusetzen und mal abzuschalten. Genau das könne in der heutigen Zeit wieder an Wert gewinnen.
Das Schreiben scheint im Kampf um die Aufmerksamkeit ebenfalls etwas bieten zu können. „Man kann darüber Gefühle ausdrücken“, sagt Guilia Maria Guiliana, die eine Novelle über Verrat geschrieben hat. In ihrer Stufe habe sie Mitschülerinnen, die Notizen in ihr Handy machten. Das Notizbuch hat womöglich ausgedient, nicht aber das Bedürfnis, sich mit anderen zu verbinden.
Am Anfang schreibt man für den Papierkorb, Band 21, Karl-Maria-Laufen-Verlag. Vorerst 100 Stück im Buchhandel und online erhältlich.