Oberhausen. Ein Oberhausener Verein hat die umfangreichste Kunststoff-Sammlung Deutschlands. Nun wird ein Teil der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Wir werden daran ersticken. Ganz sicher. Es ist ja überall: Wir putzen uns damit die Zähne, wir trinken und essen damit. Wir tragen es und fahren damit Auto. Wir schmeißen es in unsere Einkaufswagen - und danach weg. Babys nuckeln daran. Tiere sterben daran. Die Rede ist von: Plastik.

Eine Sonderausstellung in Oberhausen widmet sich dem unvermeidlichen Stoff. Im Grunde ist auch die Ausstellung unvermeidlich gewesen. Denn der Verein Deutsches Kunststoffmuseum sammelt seit 30 Jahren Plastik. Nicht zum Wegschmeißen, sondern zum Bewahren. 20.000 Telefone, Toaster, Computer und andere Gegenstände sind so zusammengekommen. Im Oberhausener LVR-Industriemuseum Peter-Behrens-Bau haben sie eine Lagerstätte gefunden. Ab dem 25. Oktober wird nun ein Teil der beeindruckenden Sammlung erstmals dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der Grund für den Erfolg? Plastik kann fast alles

Ein zeitgemäßes Arrangement wäre vermutlich, dass der Ausstellungsraum überquillt vor Plastik. Aber dem ist nicht so. Auf sieben Podesten werden Schwerpunkte gesetzt, in vier Glasvitrinen vier Kerneigenschaften des Kunststoffs zur Schau gestellt: leicht, formbar, transparent, farbig.

Prof. Michael Dröscher (links) vom Kunstmuseums-Verein und Museumdirektor Walter Hauser mit den Plastikschätzen.
Prof. Michael Dröscher (links) vom Kunstmuseums-Verein und Museumdirektor Walter Hauser mit den Plastikschätzen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Damit ist schon der unaufhaltsame Siegeszug des Kunststoffs erklärt. Plastik kann fast alles. Ob als Spiel-Auto Bobby-Car, auf dem jeder mal gesessen hat. Oder als echtes Auto Trabant, in dem heute nur noch wenige sitzen wollen. Kunststoff ist in aller Munde und in allen Ecken: in Wohnzimmern als stylische Sitzgelegenheit, in der Küche als Alltagshelfer oder auf Terrassen und Gärten. Der ewige weiße Plastik-Stuhl „Monobloc“ darf in der Ausstellung natürlich nicht fehlen. Schätzungsweise eine Milliarde Mal wurde er produziert. Billig und stabil. Das kann Plastik eben.

Das könnte Sie auch interessieren

Was Plastik nicht kann: Von der Natur abgebaut werden

„Die Sammlung ist die umfangreichste und größte in Deutschland“, sagt Museumsdirektor Walter Hauser. „Wir sammeln alles“, gibt ihm Schatzmeister Prof. Michael Dröscher Recht. Aber warum erst jetzt eine Ausstellung? „Es war schlicht nicht zu finanzieren“, sagt Dröscher. Dazu sei man als gemeinnütziger Verein nicht in der Lage gewesen. 2015 wurde die Sammlung zudem stark durch ein Feuer beschädigt. Sie befand sich in Räumen neben einer Düsseldorfer Flüchtlingsunterkunft, in der ein Brand ausgebrochen war. Feuer – neben Zeit der einzige Todfeind des Plastiks.

Verpackungen zum Wegwerfen und Wiederverwenden - aber aus Kunststoff.
Verpackungen zum Wegwerfen und Wiederverwenden - aber aus Kunststoff. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Denn was Plastik nicht gut kann, ist nicht erst seit alarmierenden Fotos der Ozeane bekannt: Plastik wird von der Natur nicht abgebaut. Nur ein kleiner Teil der Ausstellung widmet sich der Umweltverschmutzung. Hier werden die „Schätze“ einer Müllsammelaktion am Rhein ausgebreitet. Alte Schuhe, jeweils nur als halbes Paar, Plastikflaschen, ein Fußball. Plastik verschwindet nicht. Es zerfällt und zerfällt und zerfällt. Bis es so klein ist, dass wir es unbemerkt trinken.

Zeitreise mit Fön und Toaster

Die Gegenstände in der Ausstellung sind hingegen lange davon entfernt, in ihre Einzelteile zu zerfallen. Das Forschungsprojekt „KuWerKo. Kunststoffe - ein moderner Werkstoff in kulturgeschichtlichem Kontext“ hat die gezeigten Gegenstände aufwendig restauriert und untersucht. Es will wissen, aus welchem Material die Alltagsgegenstände genau sind. Und warum sie zerfallen. „Kunststoffe altern“, sagt Hauser. „Es gibt Objekte, die werden in hundert Jahren nicht mehr präsentabel sein.“

Telefone dürfen bei einer Plastik-Ausstellung nicht fehlen.
Telefone dürfen bei einer Plastik-Ausstellung nicht fehlen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Für die meisten Besucherinnen und Besucher dürfte die genaue Zusammensetzung der Geräte egal sein. Dafür wecken sie Erinnerungen: Ein Moulinex-Fön in knalligem Orange aus den 70ern, Telefone mit Wählscheibe, Röhrenfernseher, Computer und schwere Toaster. „Zeigen Sie mal einem Zehnjährigen diese Telefone oder einen iMac“, sagt Dröscher und lädt zur Zeitreise ein.

Die Zukunft darf auch nicht fehlen. Ein Stuhl der Ausstellung entstand aus einem 3D-Drucker, ein anderer trägt trotz 900 Gramm Eigengewicht 200 Kilo. Toaster, Zahnbürsten und Kulis gibt es auch aus biobasierten Stoffen. Bleibt nur die Frage: Wohin mit all dem anderen Plastik?

Klasse und Masse. Kunststoffdesign im Alltag. LVR-Industriemuseum Peter-Behrens-Bau, Essener Straße 80, Oberhausen. 25. Oktober bis 23.12.2023. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 10-17 Uhr, samstags und sonntags 11-18 Uhr. Eintritt ab 6,50 Euro, ermäßigt 5,50 Euro. Infos: www.industriemuseum.lvr.de/klasseundmasse