Oberhausen. Spannender Blick auf die Nachkriegszeit: Im Jahr 1947 rettet Oberbürgermeisterin Luise Albertz viele Oberhausener vor Hunger und Verzweiflung.

Die legendäre Politikerin Luise Albertz (1901 - 1979) hat Oberhausen in den Jahren nach dem Weltkrieg tief geprägt und in ihrer Amtszeit als Oberbürgermeisterin von 1946 bis 1948 die Stadt in die neue Ära der Bundesrepublik geführt. Genau in jene Zeit fällt ein Kapitel ihres Lebens, das noch ziemlich unbekannt ist. Luise Albertz rettete Kartoffeln vor den Futtertrögen und sicherte sie für die hungernde Bevölkerung von Oberhausen.

Die couragierte Oberbürgermeisterin scheute sich damals nicht davor, sich auf offensichtlich nicht ganz legale Wege zu begeben, um die Kartoffeln für Oberhausen entschlossen zu retten. Sie wurde sogar im Oktober 1947, also genau vor 75 Jahren, vom Fahndungsdienst des Landesernährungsamtes Bonn in ihrer Wohnung aufgesucht und auf eine Anzeige hin vernommen.

Der Hintergrund: In jenen Jahren direkt nach dem Weltkrieg wurden knappe Kartoffeln als Grundnahrungsmittel nicht rundum frei gehandelt, sondern auf Anweisung der Behörden „bewirtschaftet“ und entsprechend verteilt. Seit März 1947 erhielten nur noch so genannte „Pflichtküchen“ der Krankenhäuser und Bergarbeiter Kartoffeln. Offenbar lagerten aber zugleich im Herbst 1947 riesige Mengen dieser Lebensmittel nutzlos in Oldenburg und Umgebung, wo sie schließlich den Schweinen zum Fressen gegeben werden sollten.

Kartoffeln für die Futtertröge in Oldenburg?

Kartoffeln für die Schweine, während im kriegszerstörten Oberhausen viele Menschen hungern? Das konnte aus Sicht von Luise Albertz nicht sein. Sie startete ein kompliziertes Kompensationsgeschäft, dessen zahlreiche Details heute kaum noch nachzuvollziehen sind; sie fuhr selbst nach Oldenburg und sprach mit dem dortigen Präsidenten des Kartoffelwirtschaftsverbandes, der sich nicht allzu lange den entschlossen vorgetragenen Wünschen der Oberbürgermeisterin nach weiteren Kartoffel-Lieferungen für Oberhausen entziehen konnte; sie sorgte dafür, dass die Kartoffeln unter Aufsicht von Arbeiterwohlfahrt, Innerer Mission und Caritas an bedürftige Menschen in Oberhausen verteilt wurden: Luise Albertz half damit rund 15.000 Menschen in Oberhausen.

Die Oberbürgermeisterin kommentierte ihr entschlossenes Handeln seinerzeit so: „Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass in der heutigen Zeit bewirtschaftete Lebensmittel der schwer arbeitenden Bevölkerung vorenthalten und stattdessen in die Futtertröge geworfen werden.“ Wenn sie feststelle, dass die Behörden eine befriedigende Bewirtschaftung von Nahrungsmitteln nicht gewährleisten könnten, sehe sie es als ihre Pflicht an, für entsprechende Lösungen zu sorgen.

Fahnder in der Wohnung: Luise Albertz sagt bereitwillig aus

Der genaue Inhalt der Vernehmung vom Oktober 1947 ist nicht bekannt. Obwohl Luise Albertz als Landtagsabgeordnete Immunität genoss, machte sie jedenfalls bereitwillig ihre Aussage. Strafrechtliche Konsequenzen hat es offenbar nicht gegeben, dafür bestimmt aber den großen Dank der Menschen in Oberhausen. 1956 ist Luise Albertz zum zweiten Mal Oberbürgermeisterin von Oberhausen geworden – und blieb es bis zum Jahr 1979. Da musste sie aber keine Kartoffeln mehr retten.