Oberhausen. Die Krisen treiben Kosten und Aufgaben für Oberhausen nach oben – deshalb steigen die Aufwendungen auf Rekordwerte. Das ist kaum zu schultern.
Erstmals in der 160-jährigen Geschichte der Stadt Oberhausen wird das Rathaus über eine Milliarde Euro innerhalb eines einzigen Jahres ausgeben – Rekord. Das sieht der Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 von Stadtkämmerer Apostolos Tsalastras vor, der am Montag in den Stadtrat zur Diskussion und Genehmigung am Jahresende vorgelegt worden ist. Der Finanzchef rechnet mit Einnahmen von 956 Millionen Euro im nächsten Jahr und Zinsausgaben in Höhe von 26 Millionen Euro für über zwei Milliarden Euro Altschulden.
Überschrift des Oberhausener Haushaltes: Krise, Krise, Krise, Krise
Ein solcher Haushaltsplan ist deshalb so wichtig, weil damit rechtlich und politisch festgelegt wird, welche Steuern die Bürger zu zahlen haben, welche Dienstleistungen die Stadtbediensteten für die Einwohner erledigen müssen und beispielsweise welche Straßen, Schulen und Spielplätze saniert werden.
Überschrieben hat Tsalastras seine Ausgaben- und Einnahmepläne gleich vier Mal mit dem Wort „Krise“: die Corona-Bekämpfungskosten, die Auswirkungen des Ukraine-Krieges (Flüchtlinge und Energie-Verteuerung), die hohe Inflation mit zu erwartenden höheren Löhnen, die steigenden Zinslasten.
Durch einen vom Land erlaubten Finanztrick kann der Kämmerer trotz der Krisen massive Einschnitte für die Menschen in Oberhausen noch gerade so eben verhindern: Die Kosten für alle Corona-Folgen wie auch für die Folgen des Ukraine-Krieges können als Schuldenlast aus dem normalen Haushalt ausgegliedert und auf die nächsten 50 Jahre verteilt werden. „Ohne diese Isolierung der neuen Schulden hätten wir die Steuern ausgerechnet in einer Krise, in der die Bürger finanziell so stark belastet werden, weiter erhöhen müssen“, gibt Tsalastras im Gespräch mit der Redaktion an. „Das will keiner, aber die Schulden sind durch den Schattenhaushalt nicht weg.“
Zehn Jahre Oberhausener Sparanstrengungen vergeblich?
Zehn Jahre Sparanstrengungen mit dem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ hat Oberhausen hinter sich, und so fällt es der kommunalen Führung und den Ratspolitikern nach eigenem Bekunden schwer, noch Einsparmöglichkeiten zu entdecken. Gleichzeitig steigen aber unabweisliche Aufgabenlasten an, etwa die Unterbringung der über 3000 Ukraine-Flüchtlinge, die nur zu zwei Dritteln vom Bund finanziert werden: Drei bis fünf Millionen Euro müssen dafür im Etat freigeschaufelt werden.
Zudem schwächelt die Energieversorgung Oberhausen (Halbierung des Gewinns) und verteuert sich der Bahn- und Busverkehr der Stoag. Und auch die bisher mit 2,5 Prozent eingeplanten Lohnerhöhungen für die 2800 Oberhausener Stadtbeschäftigten (Gesamtlohnkosten 120 Millionen Euro) spiegeln wohl kaum das wahrscheinliche Ergebnis der nächsten Tarifrunde wider – es fehlen mindestens drei Millionen Euro. „Jede Million Euro zusätzlich ist aber für uns ein unüberwindbarer Berg, weil wir nicht wissen, wo man die wieder reinholen kann.“
Was den Sozialdemokraten ebenfalls besorgt, ist die Entwicklung der Einnahmen. Oberhausen erwirtschaftet relativ wenig eigene Einnahmen. Die Gewerbesteuer sprudelt zwar 2021 und 2022 stärker als man durch die Pandemie-Folgen erwartet hatte, insgesamt bleibt sie aber bei 100 bis 112 Millionen Euro hängen. Die Grundsteuer, die Hauseigentümer und indirekt alle Mieter zahlen müssen, beläuft sich gleichbleibend bei 46 Millionen Euro; der Gemeindeanteil für die Einkommensteuer hängt bei unter 100 Millionen Euro fest.
Schlüsselzuweisungen des Landes für Oberhausen wichtigste Einnahme
Im Gegenzug sind die Schlüsselzuweisungen des Landes an die Kommunen aus den allgemeinen bundesweiten Steuereinnahmen wie der Mehrwertsteuer für Oberhausen immer wichtiger geworden: Sie kletterten von 2011 mit 128 Millionen Euro auf 246 Millionen Euro in diesem und 262 Millionen Euro im nächsten Jahr, haben sich also in elf Jahren verdoppelt. „Die Werte zeigen leider, dass Oberhausen weiterhin zu wenig eigene Wirtschaftskraft entwickelt und wir von der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland ein Stück weit abgehängt sind. Daran müssen wir dringend etwas ändern.“
Wenn also die Einnahmen insgesamt nicht stark anziehen, unvermeidliche neue Kosten auftauchen, man Ausgaben nach langer Sparphase kaum noch kappen kann und die Einnahmen nicht durch Steuererhöhungen verbessert werden sollen, bleibt nur noch eines übrig: Die Schuldenlast von Oberhausen mit einem Rekordbetrag von 2,070 Milliarden Euro für 2023 noch weiter erhöhen.
Oberhausener Neuverschuldung steigt Jahr für Jahr um fast 100 Millionen Euro
So werden die geplanten Investitionen von 134 Millionen Euro im nächsten Jahr fast zur Hälfte mit neuen Krediten finanziert. Nach dem Plan des Stadtkämmerers musste und muss die Neuverschuldung seit Beginn der Krisenwellen im Jahre 2020 auf 80 bis knapp 100 Millionen Euro jährlich steigen – Werte wie vor dem Stärkungspakt, die Oberhausen zur höchstverschuldeten Stadt Deutschlands machten. „Wenn wir so weitermachen, dann liegen wir in zehn Jahren bei drei Milliarden Euro Schulden.“
Echte Hilfe kann nach Ansicht von Tsalastras nur durch eine Altschuldenlösung für Oberhausen von Bund und Land kommen. „Der Wille ist bei allen da, armen Kommunen zu helfen. Doch ich befürchtet angesichts der vielen Krisen, dass die Altschuldenproblematik in den Hintergrund rückt – und die Verantwortlichen dafür den Kopf nicht frei haben.“