Oberhausen. Wie wurde aus einem Bergarbeiterviertel ein buntes Wohnquartier? Das Stadtarchiv Oberhausen hat's erklärt - bei einem Rundgang durch Lirich.

Wie sich Lirich-Nord von einem reinen Bergarbeiterviertel zum gemischten Wohnquartier mit vielen Eigenheimen gewandelt hat, das wurde bei einer Führung deutlich, die das Stadtarchiv am Samstag durchgeführt hat. Anlass war der dortige Tag der offenen Tür. Das Archiv ist seit 2015 in Lirich untergebracht.

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Am frühen Nachmittag zog Klaus Martin Schmidt-Waldbauer mit rund 15 Interessierten los. Er ist von Hause aus Stadtplaner, arbeitet aber im Stadtarchiv. Bevor er startete, erhielt jeder Gast einen Mini-Kopfhörer. Das machte es möglich, seinem Vortrag auch bei vorbeifahrenden Autos und mit Abstand gut folgen zu können. Dank einer Gebärdendolmetscherin konnte auch eine Gruppe von Gehörgeschädigten mitgehen.

Ein ursprünglich unwirtliches Gelände

Lirich, so begann die Führung, war ursprünglich ein unwirtliches Gelände. Die Emscher durchquerte die dortige Heidelandschaft. Zwar wurde es 972 erstmals erwähnt. Aber es blieb über Jahrhunderte wegen der Überschwemmungsgefahr dünn besiedelt. Zu den wenigen Bauernhöfen gehörte der Uhlenbrockshof, nach dem heute ein zentral gelegener Platz benannt ist.

Auch die Zeche Concordia wirkte sich auf Lirich-Nord zunächst nicht aus. Seit 1854 förderte sie als zweitältestes Bergwerk in Oberhausen nahe dem Hauptbahnhof die erste Kohle.

Rhein-Herne-Kanal brachte die Wende

Gewaltige Wasserbauarbeiten waren aber nötig, damit sich die Zeche nach Norden ausdehnen konnte. Die Gelegenheit bot der Bau des Rhein-Herne-Kanals zwischen 1906 und 1914. Mit ihm führt bis heute eine wichtige Verkehrsachse an Lirich vorbei. Gleichzeitig verschwand die Emscher in eine bei Buschhausen nach Norden abbiegende Rinne.

Von dieser Zeit an konnte die Zeche nicht nur am Kanal einen Hafen und ein Kraftwerk errichten, die heutige Müllverbrennungsanlage. Es war auch das Gelände vorhanden, um für die wachsende Zahl von Bergleuten Wohnraum zu schaffen.

Große Gärten zur Selbstversorgung

Ganz im Stil von Eisenheim entstanden ab 1899 die Häuser an der Alfredstraße, mit Kreuzgrundriss: an jeder Seite des Hauses ein Wohnungseingang. Ganz anders die kurz vor dem Ersten Weltkrieg errichteten, verputzten Häuser an der Schleusenstraße mit einer Wohnung pro Etage. Für die Angestellten der Zeche, die Zechenbeamten, wurden an der Rosenstraße ähnliche Häuser gebaut, nur mit Fassaden, die an Fachwerk erinnern.

Für sie alle sind große Gärten zur Selbstversorgung typisch. Heute werden sie teilweise, etwa an der Eschenstraße, als Garagenhöfe genutzt. Das fehlt beim genossenschaftlichen Mietwohnungsbau der 1920er Jahre an der Ulmenstraße.

Dem Aufstieg folgt die Stagnation

Dem steilen Aufstieg folgte nach 1968 Stagnation, als die Zeche stillgelegt wurde. In die Wohnhäuser wurde nicht mehr investiert. Aber als sie in den 1980er Jahren abgerissen werden sollten, gab es massive Proteste. Am einzigen Baudenkmal weit und breit, dem Haus Veilchenweg 6 bis 8, erinnerte Schmidt-Waldbauer an die Kämpfe, die damals ausgefochten wurden. Und die die Bürgerinitiative größtenteils für sich entschieden habe.

Wo die Zechenhäuser nicht erhalten blieben, stehen seit den 90er Jahren neue Eigenheime. Ihr Bau setzte aber schon seit den 60er Jahren in Lirich-Nord verstärkt ein. Das führte dazu, dass Lirich-Nord heute viel weniger „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“ und mit vielfältigen sozialen Problemlagen ist als Lirich-Süd.

Weitere Führung über den Westfriedhof

Er gehört auch zu Lirich, obwohl er auf der Nordseite des Rhein-Herne-Kanals liegt: der große Westfriedhof. Ab 1891 entstand er als Ersatz für einen erst 1863 an der Duisburger Straße angelegten ersten städtischen Friedhof in Oberhausen, der für eine Schlackenhalde der Gutehoffnungshütte wieder weichen musste.

Wie er sich zur großen Parkanlage entwickelt hat und wie sich die Erinnerungskultur dort gewandelt hat, das verdeutlicht eine Führung, zu der das katholische Stadtdekanat am Freitag, 30. September, 16 Uhr, einlädt. Treffpunkt ist der Haupteingang.