Oberhausen. Das Schicksal der Roma in der Zeit der Nazi-Herrschaft wurde in der Nachkriegszeit lange nicht beachtet. Das ändert sich erst langsam.

Sie sind in der Nazizeit verfolgt und vernichtet worden wie die Juden. Aber weil die Angehörigen der Volksgruppe der Roma zahlenmäßig eine kleine Minderheit waren, fanden die Gräueltaten der Nazis an ihnen lange Zeit nur wenig Beachtung. Am Dienstag war das in der Gedenkhalle am Schloss Oberhausen anders - eine Gedenkfeier erinnerte an ihr Leid. Schätzungsweise 750.000 Roma haben die Nazis umgebracht.

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Anlass für das Treffen von rund 20 Personen war der Internationale Gedenktag an die 2897 allein im Konzentrationslager (KZ) Auschwitz in der Nacht vom 2./3. August 1944 ermordeten Roma. Ihn hat das Europäische Parlament 2015 ausgerufen. Zu der Feier hatte der Verein Roma-Integrationszentrum (RIZ) eingeladen. Er hat sich 2021 in Oberhausen gegründet.

Rund 8000 Roma in Oberhausen

Zu den Teilnehmern an der Feierstunde gehörte Oberhausens höchster für kulturelle Fragen zuständiger Beamter, Apostolos Tsalastras. Er sagte in seinem Grußwort, dass die Verfolgung der Volksgruppe bis heute anhalte. Dem müsse etwas entgegengesetzt werden. „Wir müssen die Menschen als Teil unserer Stadtgesellschaft anerkennen und ein friedliches Zusammenleben organisieren.“

Der Verein schätzt, dass in Oberhausen 8000 Roma leben. Der Zustrom der letzten Jahre hängt damit zusammen, dass Rumänien Mitglied der Europäischen Union geworden ist und seine Bevölkerung in Europa freizügig umziehen darf. Dort leben bis heute die meisten der weltweit zwölf bis 15 Millionen Roma. In Deutschland sind es rund 70.000.

Seit 1000 Jahren in Europa

Weil Toleranz nicht wachsen kann, wo kein Verständnis füreinander besteht, hat sich der neue Verein mit dem Vorsitzenden Robert Möller zuerst vorgenommen, mehr Wissen über die Volksgruppe zu verbreiten. Mit Hilfe der Bundesregierung und des Vereins „Demokratie leben“ hat er eine Broschüre über ihre Geschichte herausgegeben.

Nach den Angaben von Mitverfasser Asan Ademi in der Gedenkhalle stammen die Roma aus Indien, leben aber seit rund 1000 Jahren auch in Europa und werden in Deutschland erstmals 1407 erwähnt. Ende des 15. Jahrhunderts waren sie in ganz Europa verbreitet.

Bismarck und die "Zigeunerplage"

Weil sie sich damals nirgendwo niederlassen durften, zogen sie übers Land. Bis heute hat sich dafür die abwertende Bezeichnung „Zigeuner“ gehalten. Dabei sind sie längst genauso sesshaft geworden wie die Mehrheitsgesellschaft. Aber als sie noch in Gruppen von rund 300 Personen übers Land zogen, habe der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck von einer „Zigeunerplage“ gesprochen. Schon 1926, so Ademi, habe es ein „Gesetz zur Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen“ gegeben.

Kein Vaterland gehabt

Damit war der Boden bereitet für die Verfolgung durch die Nazis: Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben (1933), Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit sowie der Bürgerrechte (1935), Heirats- und Berufsverbote (1936), erste Internierungen in den KZ Sachsenhausen, Buchenwald und Dachau (1939) sowie Verlegung nach Auschwitz (1940). Dort wurden sie entweder direkt getötet oder starben an Hunger, Seuchen oder medizinischen Experimenten.

„Wir konnten uns nicht wehren, hatten ja nicht mal ein Vaterland, wie es die Juden mit Palästina haben“, gab Ademi zu bedenken.

Auch die Geschichte der Roma in Oberhausen soll besser aufgearbeitet werden

Eine der Aufgaben, die sich der neue Verein gestellt hat, ist es, auch die Geschichte der Roma in Oberhausen besser als bisher aufzuarbeiten. Allerdings hat es in der Nazizeit in der Stadt nur etwa zehn Roma-Familien gegeben.

Beispielhaft wird in der Gedenkhalle das Schicksal von Saga Rebstock-Rosenberg erwähnt, die 1918 in Oberhausen geboren wurde. Sie lebte später mit ihrer Familie in Köln. 1943 wurde sie in das KZ Auschwitz eingewiesen und dort am 26. Juli 1944 ermordet.

Das große Leid der Familie von Karoline und Ferdinand Atsch begann 1939. Die Frau war 1877 in Bonn geboren. Ihre Familie war jahrzehntelang als Schausteller und Artisten tätig. Dies wurde ihr 1939 verboten. Damit fehlte ihr ihre Einnahmequelle. Sohn Rudolf, Jahrgang 1905, wurde im gleichen Jahr in Osterfeld in eine Schlägerei mit Nazis verwickelt, in das KZ Sachsenhausen in Brandenburg gebracht und dort am 13. April 1940 umgebracht.