Oberhausen. Die Verkehrswende als große Chance: Der Oberhausener Betrieb GHH Radsatz produziert Räder für Straßenbahnen und will nun neue Märkte erobern.

Immer mehr Autos verstopfen die Straßen, Abgase verpesten die Luft und schädigen das Klima. Die Verkehrswende ist unumgänglich und gehört zu den größten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Sie schafft aber auch große Chancen: In Oberhausen soll ein Kompetenzzentrum für Straßenbahntechnologie entstehen. Es soll wichtige Industrie-Arbeitsplätze sichern und moderne Technik für den so bedeutenden Nahverkehr ermöglichen.

Schon heute entwickelt das Unternehmen GHH Radsatz an seinem Standort an der Gartenstraße in Sterkrade Räder und Radsätze für Straßenbahnen. In ganz Europa, in Kanada, der Türkei, in Korea und China fahren Straßenbahnen auf Radsätzen aus Oberhausener Produktion. Die Auftragslage ist derzeit so gut, dass das Unternehmen nun neue Märkte wie die USA in den Blick nimmt.

Der GHH-Radsatz-Standort an der Gartenstraße in Sterkrade. Im Außenbereich lagern Rohlinge zur Weiterverarbeitung.
Der GHH-Radsatz-Standort an der Gartenstraße in Sterkrade. Im Außenbereich lagern Rohlinge zur Weiterverarbeitung. © FUNKE / Foto Services | Gerd Wallhorn

Und es will in die Forschung investieren. „Wir müssen massiv daran arbeiten, neue Produkte zu entwickeln“, sagt Geschäftsführer Patrick Keppler. Die Technik schreitet voran: Straßenbahnen werden leichter, die Nachhaltigkeit einzelner Komponenten spielt für Verkehrsbetriebe eine immer größere Rolle. „Wir müssen unsere Produkte den gestiegenen Anforderungen anpassen.“

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GHH-Radsatz gehört schon seit 2014 dem tschechischen Mutterkonzern Bonatrans. Um sich besser auf das Straßenbahn-Segment konzentrieren zu können, plane dieser, den Sterkrader Standort zum „Kompetenzzentrum Light Rail“ zu entwickeln – so der Fachausdruck für die im Vergleich zu Zügen leichteren Straßenbahnen.

Im Bereich „Heavy Rail“, also bei Nah- und Fernverkehrszügen, würde GHH Radsatz dann künftig noch Nischen-Kunden bedienen. „Der Kostendruck ist in diesem Bereich viel höher und der Wettbewerb viel härter“, sagt Keppler. Die Stärken des Oberhausener Betriebes lägen vor allem in der technischen Entwicklung, „und die können wir im Light-Rail-Segment viel besser ausspielen als im sogenannten Vollbahnbereich, dort ist die Konkurrenz sehr groß.“

GHH Radsatz baut neue Halle in Sterkrade

Der Oberhausener Standort wird auch finanziell gestärkt: Rund eine Million Euro investiert das Unternehmen Jahr für Jahr, etwa für die Ausstattung der Arbeitsplätze in den Werkshallen mit modernen Computern und Bildschirmen. Für mehr als zwei Millionen Euro zusätzlich baut GHH Radsatz bis Jahresende eine neue Versandhalle auf dem Gelände. Aus gutem Grund: Die übrigen Hallen, inklusive der 2017 eröffneten Servicehalle, sind voll ausgelastet.

Patrick Keppler ist neuer Geschäftsführer

Seit dem 1. Mai 2022 ist Patrick Keppler Geschäftsführer von GHH Radsatz. Er hat das Amt von seinem Vorgänger Ronald Seidelman übernommen, der sich aber auch als Ruheständler nicht ganz vom Unternehmen trennen kann und als Berater das Team weiterhin unterstützt.

Keppler kennt das Unternehmen gut. Zehn Jahre lang arbeitete der gelernte Kaufmann im Vertrieb eng mit Seidelman zusammen. Der 48-Jährige lebt seit kurzem mit seiner Familie in Düsseldorf.

„Die Auftragsbücher sind aktuell voll“, sagt Patrick Keppler. Und die Geschäfte laufen gut: Zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte peilt GHH Radsatz mit seinen 280 Beschäftigten in diesem Jahr einen Umsatz von 100 Millionen Euro an – gut 15 Millionen Euro mehr als noch vor zwei Jahren.

Auch gebrauchte Räder werden im Sterkrader Werk von GHH Radsatz repariert, hier im Bild: Mitarbeiter Sam Bazairi.
Auch gebrauchte Räder werden im Sterkrader Werk von GHH Radsatz repariert, hier im Bild: Mitarbeiter Sam Bazairi. © FUNKE / Foto Services | Gerd Wallhorn

Und das, obwohl auch GHH Radsatz wie viele andere Unternehmen derzeit mit Problemen kämpft: Lieferengpässe sorgen für teils monatelange Verzögerungen bei der Produktion, Material- und Energiepreise steigen auch wegen des Ukraine-Krieges durch die Decke und lassen sich kaum noch kalkulieren. Um sich vor Industriespionage und Hacker-Angriffen zu schützen, muss das Unternehmen immer mehr Geld für die IT ausgeben.

„Manche Mitarbeiter machen sich wegen der aktuellen Lage schon Sorgen“, sagt Keppler – versichert aber: „Es gibt momentan keine Überlegungen, beim Personal zu sparen.“ Im Gegenteil: Die Zahl der Mitarbeiter soll, wenn auch langsam, noch steigen. „Unsere Unternehmensgruppe steht finanziell im Moment sehr stabil da.“ Gespart wird dennoch: Gestiegene Kosten gibt GHH Radsatz schon jetzt teilweise an die Kunden weiter, die Produktivität wird erhöht, Verträge mit Lieferanten werden neu ausgehandelt.