Oberhausen. Den neuen Arzneimittel-Lieferdienst Mayd gibt es nun auch in Oberhausen. Doch bringt der Service Patienten wirklich etwas? Ein kleiner Test.

Pizza, Einkäufe und jetzt auch rezeptfreie Medikamente: Menschen in Oberhausen können sich seit kurzem Arzneimittel per Lieferdienst nach Hause bringen lassen. Mayd – kurz für „Meds at your doorstep“ (deutsch: Medikamente an deiner Haustür) – wirbt damit, 365 Tage im Jahr kostenlos zu liefern, auch feiertags und sonntags, wenn die Apotheken nicht regulär geöffnet haben. Für den Verbraucher eine bequeme Option. Doch was bedeutet das für die Apotheken vor Ort?

„Ob eine Apotheke mit neuen Lieferdiensten zusammenarbeiten will, obliegt der Entscheidung jedes Inhabers selbst“, drückt es Jens Krömer diplomatisch aus. Der Pressesprecher der Apothekerkammer Nordrhein betont aber auch: „Wir beobachten diese Entwicklung sehr genau – und werden eingreifen, wenn Gesetze oder Verordnungen nicht beachtet werden.“

Lieferdienst sieht sich nicht als Konkurrenz zu den Apotheken

Der 2021 in Berlin gegründete Lieferdienst Mayd hingegen versteht sich nicht als Konkurrenz, sondern „als Ergänzung zum Apothekenangebot“. Wer also zum Beispiel Kopfschmerztabletten in der Mayd-App bestellt, erhält eine Lieferung per Fahrrad aus einer lokalen Apotheke, die mit dem Lieferdienst zusammenarbeitet. Bestellen kann man auch andere Apotheken-Produkte wie Cremes, Spezialtees oder Baby-Zubehör. Nach 30 Minuten sollen die Arzneimittel und andere Waren eintreffen. Man bezahlt die mit Mayd gelieferten Medikamente per App (etwa mit Paypal oder Kreditkarte) – eine Barzahlung beim Boten ist nicht möglich.

Ruft man die App für Oberhausen aber auf, wird eine ganz andere Lieferzeit als 30 Minuten angezeigt. Ein Test zeigt: Wer werktags um 12 Uhr ein rezeptfreies Arzneimittel bestellt, bekommt seine Ware erst nach 18 Uhr. Noch dazu liegt die Apotheke in diesem Fall gar nicht in Oberhausen, sondern in der Nachbarstadt Essen.

Lieferzeit im Ruhrgebiet ist länger als in anderen Regionen

Darauf angesprochen, erklärt das Unternehmen: „Die aus Städten wie Berlin oder München bekannten 30 Minuten werden nicht in jeder Stadt versprochen. In weiten Teilen des Ruhrgebiets liefert Mayd innerhalb von 180 Minuten.“ Was allerdings immer noch weniger ist als die sechs Stunden, die in der App angezeigt werden. Um eine flächendeckende Auslieferung gewährleisten zu können, argumentiert der Lieferdienst, müssten längere Anfahrtswege und Lieferzeiten in Kauf genommen werden.

Welche Vorteile hat der Bringdienst dann noch für Bürger? Apotheker Özkan Derin von der Oberhausener Süd-Apotheke sieht für den neuen Lieferdienst keinen Bedarf. Denn: „Alle Apotheken vor Ort haben einen eigenen Lieferdienst.“ Kunden und Kundinnen könnten in seiner Apotheke über den Tag verteilt Medikamente bestellen, die dann abends nach 18 Uhr geliefert werden. Die pharmazeutische Beratung erfolge vorher telefonisch. 20 bis 30 Bestellungen pro Tag liefere der Bote aus. Allerdings: Zwar kosten solche Lieferungen der Süd-Apotheke nichts zusätzlich für die Kunden, aber das ist nicht bei jeder Apotheke so.

Kammersprecher: Medikamente sind keine Ware wie jede andere

Insbesondere die Beratung, zum Beispiel ob man etwa Ibuprofen und Paracetamol zusammen einnehmen darf – kann eine App das überhaupt leisten? „Die Beratung erfolgt telefonisch durch die Apotheke des Partners, nicht aber durch Mayd selbst“, erklärt eine Sprecherin des Lieferdienstes. „Nach der Beantwortung einiger Sicherheitsfragen verbindet unsere App den Apotheker mit dem Kunden.“

Ein Vorgehen, das insbesondere für ältere Kundinnen und Kunden zur Herausforderung werden könnte. Dabei könnte gerade ihnen der Lieferdienst den womöglich beschwerlichen Gang zur Apotheke ersparen. Doch wie barrierearm ist die digitale Anwendung? Mayd versichert, dass ihre App ganz einfach zu bedienen sei und die Produkte leicht zu finden seien. Außerdem gebe es eine Mayd-Version für klassische Browser, sodass Arzneimittel auch über den Computer bestellt werden könnten.

Jens Krömer von der Apothekerkammer vertritt den Standpunkt, dass die Apotheken vor Ort die idealen Ansprechpartner sind, wenn es um die Gesundheit geht. Medikamente seien keine Ware wie jede andere – sie seien beratungsintensiv, könnten Leben retten, aber falsch eingenommen auch Schaden anrichten. „Nur weil die Digitalisierung Dinge möglich macht, muss man sie nicht nutzen. Denn langfristig zahlen sich eine persönliche Beratung und die Nähe zu Patientinnen und Patienten aus.“

Mittel gegen Erkältung und Allergien gefragt

Aktuell liefern MAYD und die lokalen Apotheken selbst nur rezeptfreie Medikamente aus. Rund 5000 Produkte sind laut Unternehmen in der App gelistet. Mit Einführung des elektronischen Rezepts könnte sich das ändern. „Wir werden das erste Unternehmen auf dem Markt sein, das einen On-Demand Lieferdienst für verschreibungspflichtige Produkte anbieten wird“, schreibt MAYD auf Nachfrage.Sehr gefragt sind laut Lieferdienst aktuell Mittel gegen Erkältungen, rezeptfreie Medikamente für akute Gesundheitsprobleme wie trockene Augen oder gegen Allergien. Darüber hinaus seien Produkte für den Bedarf von Eltern und Kind beliebt.Mit wie vielen Nutzerinnen und Nutzern MAYD in Oberhausen rechnet, das will der Lieferdienst nicht verraten. In Deutschland und Österreich seien es 100.000 Kundinnen und Kunden, schreibt das Unternehmen.