oberhausen. . Die Rabatte der Online-Händler und der sich verschärfende Fachkräftemangel gefährden laut Martin Müller künftig die Versorgungssicherheit.
Da waren es noch 42: Kreisvertrauensapotheker Martin Müller weist auf ein rasantes Apothekensterben in Oberhausen hin. Tiefstpreise durch Online-Händler und der Fachkräftemangel gefährdeten langfristig die Versorgungssicherheit vor Ort. „Die Politik muss handeln“, fordert Müller. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht das ähnlich. Er legt einen neuen Gesetzentwurf vor.
Dieser sieht ein Rabatt-Verbot für verschreibungspflichtige Medikamente und impfende Apotheker vor. Die Stärkung der Selbstständigen mit Ladenlokal lässt sich der Minister insgesamt jährlich 205 Millionen Euro zusätzlich kosten.
Die Lage spitzt sich zu
Höchste Zeit. Denn die Lage spitzt sich zu. Ein Blick in die letzte Statistik der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (2017) zeigt: Mit 24 Apotheken pro 100.000 Einwohnern liegt Deutschland inzwischen deutlich unter dem europäischen Durchschnitt (31 Apotheken).
In NRW gab es 2017 noch 4210 Apotheken. Allein in Oberhausen schrumpfte die Anzahl in den letzten drei Jahren aber von 48 auf heute 42. „Und ich kenne mindestens zwei weitere Inhaber, die ihren Laden in Kürze aufgeben werden“, erzählt Müller. Hauptursachen: „Die wachsende Konkurrenz durch Versandapotheken, Arzneimittelpreise, die der Gesetzgeber seit Jahren nicht erhöht hat, und der zunehmende Fachkräftemangel.“
Medikamente zu Tiefstpreisen
Die Gewinnspanne liege aktuell pro Medikament bei rund 6,40 Euro. „Das gilt für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel, egal ob sie uns 5, 50 oder 5000 Euro im Einkauf kosten“, erläutert Müller. Zeitgleich seien die Rabattmöglichkeiten für deutsche Apotheken im Einkauf auf 3,5 Prozent gedeckelt. „Das gilt für Versandapotheken mit Sitz im Ausland nicht, die erhalten teils Nachlässe von über 20 Prozent.“ Da sei es ein Leichtes, Medikamente zu Tiefstpreisen in Deutschland anzubieten. Müller fordert: „Dagegen hilft nur ein Verbot von Versandapotheken.“
Das aber dürfte ein Wunsch bleiben. Denn obwohl die Union ein Versandhandelsverbot im neuen Koalitionsvertrag durchgesetzt hatte, will Bundesgesundheitsminister Spahn darauf nicht zurückgreifen. Aus gutem Grund allerdings – ein Verbot gilt in Fachkreisen als juristisch nicht haltbar. Der Versandhandel soll also bleiben. Dafür will Spahn ein Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch festschreiben. Zusätzlich soll die Vergütung von Notdiensten verbessert sowie die Dienstleistungen der Apotheken ausgeweitet werden. Wer etwa eine Grippeimpfung benötigt, könnte die schon bald in seiner Apotheke bekommen. Müller steht Neuerungen offen gegenüber. „Aber das muss jetzt alles schnell gehen.“
Mit 74 Jahren noch 48-stündige Notdienste
Die Zeiten, in denen sich Apotheker eine goldene Nase verdienten, sind vorbei, sagt Kreisvertrauensapotheker Martin Müller. Stattdessen herrsche wegen immer knapperer Gewinnmargen längst Mangel an potenziellen Nachfolgern.
„Dabei ist das Durchschnittsalter unter den Oberhausener Apothekern hoch.“ Da die meisten sich aber verantwortlich für ihre Mitarbeiter fühlten, arbeiteten viele bis weit über ihre Rentengrenze hinaus weiter. „So wie mein 74-jähriger Kollege aus der Nachbarschaft“, erzählt Müller. Der habe es sich nicht leisten können, eine weitere Apothekerin einzustellen und deshalb die 48-stündigen Notdienste immer alleine bewältigt.
„Er suchte jahrelang nach einer Nachfolgerin, damit er seine Leute auch künftig gut versorgt wusste.“ Der Kollege hatte schließlich Glück: „Er fand eine Apothekerin, die für ihn weitermachte.“ Allerdings nur, „weil er ihr die gesamte Ladeneinrichtung schenkte“.