Oberhausen. Wer als Überschuldeter alte Schulden Euro für Euro zurückzahlen muss, dem bleibt nur das Existenzminimum zum Überleben. Jetzt gibt es mehr Luft.
Wer in seinem Leben hohe Schulden gemacht hat, die er nicht mehr aus laufenden Einnahmen zurückzahlen konnte, muss oft jahrelang unter dem Druck der Pfändung eines Teils seiner Einnahmen leben. Bis auf einen Freibetrag für das notwendige Existenzminimum wird das Geld von seinem Konto eingezogen – und den Kreditgebern überreicht.
Bei so stark steigenden Preisen für den täglichen Bedarf, zuletzt um über sieben Prozent, ist deshalb diese Nachricht zumindest eine kleine Erleichterung für die Schuldner: Ihr Freibetrag, also das Geld, das ihnen nach der Pfändung bleiben darf, ist am 1. Juli 2022 deutlich angestiegen. Sechs Prozent sollen ihnen mehr verbleiben – das ist ein klares Plus in ihrer Haushaltskasse, das allerdings durch die hohe Inflationsrate wieder aufgefressen wird.
Nach Angaben der Oberhausener Verbraucherzentrale erhöht sich der Pfändungsfreibetrag auf 1340 Euro im Monat – diese Summe ist künftig vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. „Die neuen Pfändungsfreigrenzen gelten ohne Übergangsregelung“, erklärt Leiterin Angelika Wösthoff. „Arbeitgeber und Kreditinstitute müssen den neuen Freibetrag sofort beachten.“ Trotzdem muss die Finanzexpertin eine Warnung aussprechen: Wurden vom Gericht oder der Vollstreckungsstelle öffentlicher Gläubiger individuelle Freibeträge festgesetzt, müssen Schuldner diese selber ändern lassen.
Denn die Details der Pfändungsregeln sind insgesamt recht kompliziert. Deshalb hier nur einige Hinweise und Beispiele:
Erstens: Grundsätzlich sind Arbeitgeber verpflichtet, die neuen Pfändungsfreibeträge automatisch zu beachten, und zwar auch bei schon länger laufenden Pfändungen und Abtretungen. Vorsorglich empfiehlt es sich jedoch, sich beim Arbeitgeber oder Sozialleistungsträger zu erkundigen, ob die neue Pfändungstabelle bekannt ist und angewendet wird.
Zweitens: Die automatische Anpassung an die neuen Freigrenzen gilt auch beim Pfändungsschutzkonto. Kreditinstitute müssen hier sowohl den geänderten Grundfreibetrag von jetzt 1340 Euro als auch die angehobenen Freibeträge für weitere Personen (500,62 Euro für die erste, weitere jeweils 278,90 Euro für die zweite bis fünfte Person) automatisch berücksichtigen. Betroffene müssen keine neuen Bescheinigungen vorlegen.
Drittens: Überweisen Arbeitgeber, Sozialleistungsträger oder Kreditinstitute versehentlich noch nach der alten Tabelle, können Schuldnerinnen von diesen die Auszahlung der irrtümlich an Pfändungsgläubiger zu viel gezahlten Beträge verlangen.
Bisher sind die Pfändungsfreibeträge nur alle zwei Jahre erhöht worden. Seit diesem Jahr gilt jedoch eine Gesetzesänderung, die für Schuldner vorteilhaft ist. Denn künftig wird einmal jährlich dieser Betrag erhöht, bis zu dem kein Geld an den Kreditgeber abgeführt werden darf.
Weitere Infos zum Pfändungsfreibetrag gibt es auf der Homepage der Verbraucherzentrale NRW auf: www.verbraucherzentrale.nrw/node/13269