Oberhausen. Corona verschärft die finanzielle Lage inzwischen auch bei immer mehr Menschen aus der Mitte der Gesellschaft. Das berichten Schuldenberater.

Das erste Corona-Jahr hat deutlich mehr Oberhausener in finanzielle Not gebracht. Das macht der Jahresbericht 2020 der Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werkes deutlich: Danach verschuldeten sich 545 Oberhausener mit der Rekordsumme von gut 10,7 Millionen Euro. Zeitgleich stieg die Anzahl der Pfändungsschutz-Kontobescheinigungen, mit denen das Existenzminimum vor einer Pfändung geschützt werden kann, um fast 80 Prozent.

Im Vergleich zum Vorjahr kletterte die durchschnittliche Verschuldung pro Kopf noch einmal um rund 978 Euro auf rund 20.000 Euro. 307 Männer schoben dabei einen Schuldenberg von etwa 6,8 Millionen Euro vor sich her und 238 Frauen von 3,9 Millionen Euro. Einen starken Andrang von ratsuchenden Verschuldeten verzeichnete aber auch die örtliche Schuldnerberatung der Caritas. Sie fordert mit Blick auf die bundesweite Schulden-Aktionswoche „Der Mensch hinter den Schulden“ vom 7. bis zum 11. Juni dringend einen Ausbau der Beratungsangebote in Oberhausen.

Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose besonders betroffen

Als hochproblematisch schätzen die Berater den Trend ein, die Verschuldungsmöglichkeiten im Handel und in der Finanzwelt immer mehr auszuweiten – „insbesondere durch Kaufverträge über das Internet“ (Diakonie). Warenkäufe über Ratenzahlungen und Kreditkarten hätten die Verschuldung in vielen Fällen noch verschlimmert. Gerade junge Erwachsene seien für einen ungebremsten Konsum über das Internet anfällig. 378 Ratsuchende waren zwischen 30 und 49 Jahren alt, immerhin 157 zwischen 20 und 29 Jahren.

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Insgesamt 970 Ratsuchende betreuten die fünf Teilzeitkräfte der Schuldnerberatungsstelle der Diakonie im vergangenen Jahr (86 mehr als 2019). Die meisten Ratsuchenden waren arbeitslos und bezogen Hartz IV (573). Langzeitarbeitslosigkeit gilt nach wie vor als besonderer Risikofaktor (147 Fälle). Bei gut 200 ratsuchenden Oberhausenern reichte schlicht der Lohn nicht aus, um die aufgenommenen Kredite zu bedienen. Finanziell eng wurde es außerdem schnell für alleinerziehende Mütter und für Familien mit Kindern.

Coronabedingte Einschränkungen der persönlichen Beratungsgespräche

Die durchschnittlichen Wartezeiten für ein persönliches Beratungsgespräch bei der Diakonie hatten sich 2020 von zwei bis vier Wochen auf drei bis sechs Wochen verlängert. „Eine telefonische Erstberatung war bereits nach Eingang des ausgefüllten Beratungsbogens innerhalb von ein bis zwei Tagen nach dem Erstkontakt möglich“, versichert aber zugleich Paul Jednorog, Leiter der Diakonie-Schuldnerberatung.

Beratung ist für die Bürger kostenlos

Die Angebote der Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes und der Caritas Oberhausen können kostenfrei von allen Bürgern in Anspruch genommen werden, die überschuldet sind oder denen eine Überschuldung droht.

Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) benötigen eine Zuweisung vom Jobcenter Oberhausen. Diese erfolgt aber nur, wenn die Verschuldung die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit verhindert. In akuten Krisensituationen ist nun aber auch ein freier Zugang möglich. Dazu wird von der Beratungsstelle ein Initiativvorschlag an das Jobcenter geschickt.

Als Alternative zu den ausgesetzten Sprechstunden weiteten die Beraterinnen und Berater der Diakonie sowohl ihre telefonischen als auch ihre Online-Angebote aus. „Diese Möglichkeiten wurden von den meisten Klienten überwiegend zur Klärung kurzfristiger Probleme sehr gut angenommen.

Caritas berät 70 Prozent mehr Verschuldete

Der Oberhausener Caritas-Direktor Michael Kreuzfelder.
Der Oberhausener Caritas-Direktor Michael Kreuzfelder. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Die Überschuldung in Oberhausen bleibt hoch, bestätigt auch Stefanie Cera, Schuldnerberaterin der Caritas in Oberhausen. Dabei hätten sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie bisher noch nicht einmal im vollen Umfang gezeigt.

„Es gibt einen enorm hohen Bedarf an einer Schuldner- und Insolvenzberatung – und er dürfte weiter steigen. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres habe ich 170 Kurzberatungen durchgeführt.“ Im Vorjahr seien es im gleichen Zeitraum gerade einmal 100 gewesen. In Folge der Corona-Pandemie seien unzählige Solo-Selbstständige und Freiberufler von Überschuldung bedroht. „Dabei trifft es inzwischen verstärkt auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft“, sagt Cera.

Im Süden leben viele von der Hand in den Mund

„Gerade im Süden Oberhausens, wo viele Menschen keine Rücklagen haben, sondern von der Hand in den Mund leben, wird die Schuldenquote weiter steigen“, prognostiziert Caritas-Direktor Michael Kreuzfelder. Trotz dieser Situation hatte die Caritas Oberhausen im Februar 2020 ihre Insolvenzberatung schließen müssen. „Nicht weil es keinen Bedarf gegeben hätte – im Gegenteil“, betont Kreuzfelder. Aber die Insolvenzberatung werde vom Land NRW finanziert und die Mittel reichten schlicht nicht aus.

Dabei sei die Versorgungsdichte mit Beratern in der Schuldner- und Insolvenzberatung in Oberhausen bereits viel geringer als in anderen Städten. „Wir brauchen in Oberhausen gerade auch durch die spürbaren Folgen der Corona-Pandemie dringend mehr Beratung für Schuldner“, sagt Kreuzfelder. Ein nicht ausreichendes Netz von Schuldnerberatungsstellen komme die Kommune am Ende viel teurer zu stehen. „Jeder Verschuldete, dem nicht geholfen wird, droht eine zusätzliche Belastung für Oberhausen bei der Sozialhilfe zu werden.“

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