Oberhausen. Die starke Verteuerung von Lebensmitteln und Mieten stürzt selbst Normalverdiener in Schulden. Dabei machen viele einen verhängnisvollen Fehler.
Die Corona-Pandemie, höhere Mieten, gestiegene Energie- und Lebensmittelkosten haben die finanzielle Not vieler Oberhausenerinnen und Oberhausener verschärft. Der Jahresbericht 2021 der Schuldnerberatung des Diakonischen Werks deckt erschreckende Zahlen auf: 1171 Betroffene schieben mehr als 16 Millionen Euro Schulden vor sich her. Geringverdiener mussten sogar Kredite zur Finanzierung ihres normalen Lebensunterhalts aufnehmen.
Wer aber einmal in der Schuldenfalle festsitzt, benötigt so schnell wie möglich einen Termin bei der Schuldnerberatung. Doch das ist, angesichts erheblich gestiegener Fallzahlen und knappen Fachpersonals, nicht mehr drin. In diesem Jahr droht erstmals sogar eine Wartezeit von bis zu drei Monaten.
Je später die Expertinnen und Experten der Schuldnerberatung eingreifen können, desto dramatischer fällt das Dilemma aus. „Viele Ratsuchende sind überfordert und treffen falsche Entscheidungen“, weiß Paul Jednorog, Leiter der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung des Diakonischen Werks in Oberhausen. „Sie bezahlen zum Beispiel ihre Bankkredite, begleichen dafür aber ihre Miete und die Stromrechnung nicht.“ Das rächt sich schnell.
Denn wer 2021 nach bis zu neun Wochen Wartezeit endlich einen Termin zum ersten persönlichen Beratungsgespräch erhielt, saß oft bereits ohne Strom da. „In einigen Fällen drohte schon der Wohnungsverlust“, sagt Jednorog. Deshalb sein dringender Appell: „Miete, Strom und Heizung immer zuerst bezahlen, andere Rechnungen können warten!“ Denn ein schnelles Eingreifen der Schuldnerberaterinnen und -berater rückt 2022 in noch weitere Ferne. „Die Fallzahlen sind erneut gestiegen, wir sind jetzt schon bei drei Monaten bis zum ersten Gespräch angekommen.“
Anstieg um insgesamt rund 42 Prozent
Die hohen Lebenshaltungskosten machten vor allem den Menschen zu schaffen, „die eh über keine finanziellen Reserven verfügen“. Dazu kamen Jobverlust, Insolvenz und Kurzarbeit durch die Corona-Pandemie. Die durchschnittliche Schuldenhöhe kletterte auf 28.000 Euro pro Kopf. „2020 hat sie noch bei 19.700 Euro gelegen.“
Im Vergleich zum Vorjahr stieg damit die durchschnittliche Verschuldung bei Frauen und Männern 42 Prozent an. „Dies spiegelt sich auch in der erfassten Gesamtverschuldung wider, die im Jahr 2020 noch bei etwa 10,7 Millionen Euro lag und nur ein Jahr darauf schon rund 16,3 Millionen Euro beträgt.“ Davon entfallen 5,9 Millionen Euro auf 263 Frauen und gut 10,4 Millionen Euro auf 315 Männer. Die meisten Hilfesuchenden waren zwischen 30 und 49 Jahre alt (insgesamt 443).
Auffällig häufig verloren auch Alleinlebende den Überblick über ihre Finanzen (insgesamt 619). Allerdings sorgten 2021 auch einzelne Betroffene mit gewaltigen Summen für eine Zunahme des Schuldenbergs. „Ein insolventer Firmeninhaber mit sechs Gläubigern kam allein auf 679.000 Euro.“
Diakonie benötigt mehr Schuldnerberater
Die Leitung des Diakonischen Werks Oberhausen bemüht sich um eine Aufstockung des Personals um jeweils eine halbe Stelle für die Schuldnerberatung und für die Verbraucherinsolvenzberatung. Die Gespräche mit den Kostenträgern, also der Stadt Oberhausen und dem Land NRW, laufen aktuell.Auch wenn die Wartezeit für ein persönliches Gespräch immer länger wird, zumindest ein telefonisches Erstgespräch ermöglichen die Experten meist innerhalb weniger Werktage nach dem Erhalt des Beratungsbogens.Kontakt zur Beratungsstelle an der Langemarkstraße 19: unter der Rufnummer 0208 807020 (jeweils montags, mittwochs und donnerstags von 9 bis 12 Uhr) oder per Mail an diakonie.schuldnerberatung@kirche-oberhausen.com
Wie in den Vorjahren auch, ist der Anteil der Ratsuchenden aus dem bevölkerungsärmsten Sozialraum Oberhausen-Mitte/Styrum besonders groß: 265 von 27.100 Oberhausenerinnen und Oberhausenern benötigten dort die Hilfe der Berater.
Die auch in diesem Jahr weiter steigenden Energie- und Lebensmittelkosten beobachtet Jednorog mit großer Sorge. „Wir erwarten alleine durch die Jahresabrechnungen jetzt erneut einen sprunghaften Zuwachs an Hilfesuchenden.“ Einige Betroffene hätten Kredite aufgenommen, um ihre normalen Lebenshaltungskosten noch stemmen zu können. „Doch die meisten sind bereits so überschuldet, dass sie überhaupt keine Kredite mehr erhalten.“