Oberhausen. Hinter dem Staketenzaun sollen 17 Obstbäume alter Sorten gedeihen. Für Festival-Chef Lars Henrik Gass ein Zeichen gegen den Abholzungstrend.
Als in der Kulturvilla der Internationalen Kurzfilmtage noch die Direktoren der Zeche Concordia residierten, zeigte eine Postkarte aus den 1910er Jahren ein ornamentales Barockgärtlein vor dem Hauptportal. Etwas entfernter vom Haupthaus mit seinen Erkern, Gauben und Giebeln – als wär’s ein französisches Schlösschen – standen ein Gartenhaus im altdeutschen Stil sowie ein langgestrecktes Gewächshaus samt Hühnerstall.
Kurzfilmtage-Chef Lars Henrik Gass kann sich, so gesehen, auf eine herrschaftliche Tradition berufen: Auf seine Initiative verwandelt sich derzeit ein zuvor langweiliges Rasenstück im Königshütter Park (dem einstigen Privatgarten der Direktorenvilla) in einen Schulgarten für die beiden Partner-Lehranstalten des bald 68-jährigen Traditionsfestivals: für die Fast-Nachbarn der Fasia-Jansen-Gesamtschule und für das nur unweit entferntere Heinrich-Heine-Gymnasium.
Außerdem stemmt sich der rund 600 Quadratmeter große Garten gegen den Abholzungstrend in der Stadt, wie Gass spitz anmerkt: „Oberhausen verzeichnete in den letzten Jahren bereits einen erheblichen Schwund im Baumbestand.“ Mit Blick auf Klimakrise und Verkehrsplanung drohe „sogar noch größerer Schaden“. An der Fassade der Kufita-Villa protestierte denn auch wochenlang ein großes Banner gegen den Ausbau des Autobahnkreuzes im bewaldeten Stadtnorden.
Alte Obstsorten, typisch für den Niederrhein
Noch wirken die 17 Obstbäumchen hinter dem Staketenzaun schmächtig und vorfrühlingshaft schütter. „Wir haben Wert gelegt auf alte Sorten, die typisch sind für den Niederrhein“, erklärt Patricia Weber, Lehrerin am „Heine“. Sorten mit so klangvollen Namen wie „Gute Luise“, eine seit den 1780er Jahren kultivierte Birnensorte, die auf ihrer Sonnenseite gerne hold errötet. Die anderen schmalen Stämme im Garten tragen später Äpfel, Kirschen oder Mirabellen. Zwischen ihnen sind Beerensträucher gepflanzt und sechs Hochbeete aufgebaut – nicht nur für den Kräutergarten.
Einweihungsfest folgt
Gefördert wird der Schulgarten durch die Deutsche Postcode Lotterie. Als staatlich lizenzierte Soziallotterie fördert die Organisation mit Sitz in Düsseldorf Projekte zur Chancengleichheit, für Natur- und Umweltschutz.
Weil Obstgärten im Herbst doch am schönsten sind, wollen die Kurzfilmtage und ihre Partnerschulen das gemeinsame Projekt in einem halben Jahr mit einem kleinen Fest der Öffentlichkeit vorstellen.
Auf „eine möglichst große Vielfalt“ setzt Ulrich Jäckel, der als Biologielehrer die „Fasia“-Schulgarten-AG leitet. Direkt vorm Gartenzaun sollen Schneeball, Wildrose und Haselnuss an den Staketen aufragen: „Sie sind wichtig für die Biodiversität, auch im Sinne des Insektenschutzes.“ Schließlich haben sich auch die Bienen der Kurzfilmtage – oder vielmehr ihr Honig – einen Ruf erworben als Extragabe für die Preisträger des Festivals.
Bisher war die Fläche nahe Villa und Grillostraße wohl von vielen passiert, aber von den wenigsten beachtet worden. Das habe sich gründlich geändert, seit die Pflanzarbeiten fortschreiten, erlebte Ulrich Jäckel: „Jetzt bleiben immer wieder Leute stehen und fragen.“ Wenn sich die ersten Ernten aus dem Schulgarten einbringen lassen, so der Lehrer, sorgen sie für „einen neuen Ansatz im Hauswirtschaftsunterricht: Wir wollen mit beiden Schulen gemeinsam kochen.“
Fehlt nur noch der Hühnerstall – wie einst
Damit Kräuter, Beeren und Obst alter Sorten auch gut gedeihen, berät Lars Doench als Gartenbauexperte mit seiner Firma „In & Outside“ das Projekt. „In einem Schulgarten können Kinder Kreisläufe der Natur unmittelbar erfahren“, meint „Fasia“-Schulleiterin Sabine Meder: „Sei es Aussaat, Wachstum, Ernte, Verarbeitung in der Küche bis zur Kompostierung der Reste.“ Fehlt eigentlich nur noch – wie einst zu Direktorenzeiten – der Hühnerstall, damit auch ein Gockel auf dem Komposthaufen thronen kann.