Oberhausen. „Wir wollen Menschen nicht in Turnhallen unterbringen“, sagt OB Daniel Schranz. Wie Oberhausen den Herausforderungen der Fluchtbewegung begegnet.

906 Menschen aus der Ukraine sind Stand Mittwochmorgen, 16. März, in Oberhausen angekommen. Und die Stadt rechnet mit weiteren. Bislang sei keine geflüchtete Person abgewiesen worden, sagt Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU). Und das solle auch so bleiben.

„Wir wollen Menschen nicht in Turnhallen unterbringen“, sagt Schranz. Damit es nicht dazu kommt, appelliert er an das Land NRW und den Bund, sich „das Ausmaß der Fluchtbewegung und die große Dynamik“ klarzumachen. „Wir brauchen dringend Bewusstsein auf allen staatlichen Ebenen.“ Der Fokus müsse stärker auf die Koordinierung, die Steuerung und die Verteilung gelenkt werden, fordert der OB. „Sonst kommen wir in die Situation, Menschen nicht mehr unterbringen zu können. Das müssen wir vermeiden.“

Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten geht weiter

Auch wenn die Stadt Geflüchtete nicht in einer Turnhalle unterbringen will, gibt es diese für den Fall der Fälle, berichtet Ordnungsdezernent Michael Jehn vom städtischen Krisenstab Ukraine-Hilfe. Es handle sich um eine Notunterkunft, „die mussten wir noch nicht aufschließen“. Aktuell kämen Ukrainerinnen und Ukrainer in den Flüchtlingsunterkünften der Stadt unter sowie im Marienhospital. Dort seien bereits 125 Plätze belegt, berichtet Jehn, die Stadt will weitere schaffen. Im Haus 3 des Louise-Schroeder-Heims richtet die Stadt rund 280 Plätze ein, davon seien nur noch 160 frei.

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Die Stadt erreichen außerdem viele Hilfsangebote. Privatpersonen melden sich, die Zimmer oder Wohnungen zur Verfügung stellen wollen. Eine Hotelbesitzerin etwa bietet der Stadt 30 Apartments zu einem „entgegenkommenden Preis“ an, sagt der Ordnungsdezernent. Die möblierten Zimmer seien eine große Chance gewesen. „Wir haben sofort zugegriffen.“

Doch die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten geht weiter. Im Gespräch sei zum Beispiel ein leerstehender Trakt des St. Josef-Hospitals, so Jehn. Langfristig sollen die Geflüchteten dann aber in private Unterkünfte ziehen.

Vor allem Frauen und Kinder, auch viele Kleinkinder erreichen Oberhausen

Die Fluchtbewegung aus der Ukraine stellt die Stadt vor große Herausforderungen. Es gebe keine Vorlaufzeit wie etwa zu der Zeit, als Menschen aus Syrien nach Deutschland geflohen sind. „Die Menschen sind plötzlich da“, sagt Frank Motschull, Sozialdezernent und Vorsitzender des Krisenstabs Ukraine-Hilfe. Vor allem Frauen und Kinder, auch viele Kleinkinder erreichen Oberhausen.

Dank der Massenzustrom-Richtlinie können die Geflüchteten Sozialleistungen beziehen und erhalten Krankenversicherungsschutz. All das zu organisieren, gelinge bislang dank guter Zusammenarbeit, berichtet Motschull. Dennoch gebe es Warteschlangen. Auch wegen der Corona-Pandemie. Denn jede Person, die in Oberhausen ankomme, werde auch auf Symptome einer möglichen Corona-Infektion untersucht.

120.000 Euro Spenden für die Ukraine gesammelt

Motschull fordert: „Hilfe von Land und Bund muss jetzt schnellstens kommen.“ Nach drei Wochen Krieg brauche es mehr als „nur Papier und Empfehlungen“. Nach seiner theoretischen Rechnung müsste die Stadt Oberhausen 370 Geflüchtete aufnehmen. Dieser Kalkulation legt er den Königsteiner Schlüssel zugrunde, mit dem berechnet wird, zu welchem Anteil die einzelnen Bundesländer Geflüchtete aufnehmen müssen. Bei 160.000 erfassten Flüchtlingen entfielen 21.000 Personen auf NRW und 370 auf Oberhausen. Diese Zahl ist bereits jetzt weit überschritten.

„Stand heute, sind wir in der Lage, noch etwa 1100 Menschen aufzunehmen“, sagt der Sozialdezernent. Gleichzeitig überlegt der Krisenstab bereits, wie sich die Kapazitäten noch aufstocken lassen.

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Doch die Stadt möchte nicht nur den Menschen helfen, die nach Oberhausen kommen, sondern auch denjenigen, die in der Ukraine geblieben sind, betont Oberbürgermeister Daniel Schranz. Er berichtet von täglichen Nachrichten aus Oberhausens Partnerstadt Saporishja. Am Mittwochmorgen um fünf Uhr habe es eine Explosion am Bahnhof gegeben, ein zweiter Angriff richtete sich auf den Botanischen Garten, wo es aber glücklicherweise zu keiner Explosion gekommen sei. „Die Angriffe auf die zivile Infrastruktur haben auch Saporishja erreicht.“

Schranz zeigt sich erschüttert über den „völkerrechtswidrigen Angriff Wladimir Putins“ und lobt die große Solidarität in Oberhausen und die vielen Initiativen. Ein Beispiel: Der Verein „Oberhausen hilft“ hatte bis Mittwoch rund 120.000 Euro Spenden für die Ukraine gesammelt.

Oberhausener sind mit ihren Gedanken in Saporishja

Desbina Kallinikidou vom städtischen Büro für Interkultur, das unter anderem die Städtepartnerschaft zu Saporishja pflegt, hat viel Kontakt zu den Menschen vor Ort. „Die meisten Menschen sind immer noch in Saporishja.“

Kallinikidou berichtet vom Austausch über soziale Netzwerke mit Ukrainerinnen und Ukrainern. So erreichen sie Nachrichten etwa von Künstlern oder Tipps und Hinweise von einer Psychologin zum Umgang mit den Geflüchteten.

Ihre Kontakte halten sich zum Teil nicht mehr in Saporishja auf. Eine Kollegin koordiniere die Hilfstransporte mittlerweile von Warschau aus, eine andere befinde sich auf der Flucht nach Oberhausen.

„Viele Oberhausener sind mit ihren Gedanken in Saporishja“, ist sich Desbina Kallinikidou sicher.

Auf dem Gelände der Feuerwehr hat die Stadt übrigens eine Anlaufstelle für Geflüchtete eingerichtet. Sie sei für Ankommende „egal zu welcher Zeit“ erreichbar, versichert Ordungsdezernent Michael Jehn.