Oberhausen. Vom Buchladen bis zur Kirche: Oberhausener Geschäfte und Institutionen stehen öffentlich zur Ukraine. Das Thema beschäftigt Inhaber und Kunden.

Wer in diesen Tagen durch Oberhausen läuft, sieht immer wieder die Farben Blau und Gelb. Sei es ein Plakat, eine Fensterscheibe oder gleich ein ganzes Gebäude, das in den ukrainischen Nationalfarben erstrahlt. Es sind Zeichen der Solidarität mit einem Land, das sich seit Wochen gegen den Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin wehrt. Beistand aus Oberhausen kommt von unterschiedlichsten Institutionen und Unternehmen.

Die Energieversorgung Oberhausen ließ etwa die Fassade eines Heizkraftwerks anleuchten, auch die Kirche St. Josef in Schmachtendorf erstrahlte in Blau-Gelb. Ukrainische Flaggen finden sich über dem Eingang der jüdischen Gemeinde „Perusch“ oder am Fahnenmast des Seniorenzentrums „Gute Hoffnung“. Und auf dem Saporishja-Platz sammelten sich zeitweise Kerzen, um den Opfern zu gedenken.

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Solidarität kommt aber auch aus dem Einzelhandel. Gabriele Gerard hat mit Wandfarbe zwei kleine Flaggen auf ihr Schaufenster gepinselt, dazu noch die Sprüche: „Freiheit für die Ukraine“ und „Putin Go Home“. Ihr Laden „Das Puppenhaus“ liegt in der Langemarkstraße nahe dem Saporishja-Platz, wo vor wenigen Wochen noch eine Friedensdemonstration stattfand. Es war auch jener Tag, an dem Gerard ihre Fenster mit den Botschaften versah – sie wollte an dem Protest mitwirken. Es sei eine ganz spontane Idee gewesen, erzählt die 63-Jährige, um die Öffentlichkeit ihres Ladens zu nutzen.

Inhaberin Gabriele Gerard pinselte Botschaften und ukrainische Flaggen an die Fensterscheiben ihres Geschäfts „Das Puppenhaus“.
Inhaberin Gabriele Gerard pinselte Botschaften und ukrainische Flaggen an die Fensterscheiben ihres Geschäfts „Das Puppenhaus“. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Sich selbst beschreibt die Geschäftsfrau „nicht nur als Verkäuferin von alten Sachen, sondern auch als Verkäuferin von Meinungen und Austausch“. Für die Aktion habe sie viele positive Rückmeldungen bekommen. Die große Mehrheit ihrer Kundschaft sei angesichts des Krieges selbst bereit zurückzustecken, erzählt sie, auf Gas- und Öllieferungen aus Russland zu verzichten. „Für eine Überzeugung wie die Freiheit muss man auch so etwas tun“, sagt Gerard. Unterstützung solle es aber für diejenigen geben, die darauf angewiesen sind, betont sie.

In der gleichen Straße wie „Das Puppenhaus“ liegt der Blumen- und Einrichtungsladen „Floristeria“ – auch hier wird an den Krieg erinnert. An ihrem Geschäft haben die Inhaberinnen Jana Stolz und Selina Marquardt eine Tafel angebracht, darauf zu sehen ist ein großes Peace-Zeichen mit der Aufschrift „Praying for Ukraine“. Eine solche Geste sei selbstverständlich, sagt Marquardt: „Wir haben auch eine Verantwortung“. Den Krieg beschreibt sie als einen „dunklen Schleier“, der über Stimmung und Alltag liegt. „Ich bin gerade Mutter geworden, da ist man noch emotionaler bei so was.“

Vor dem Blumen- und Einrichtungsladen „Floristeria“ ist eine Tafel mit Friedenssymbol und Schriftzug zu sehen.
Vor dem Blumen- und Einrichtungsladen „Floristeria“ ist eine Tafel mit Friedenssymbol und Schriftzug zu sehen. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Das Friedenssymbol zeichneten die zwei Schwestern wenige Tage nach dem Kriegsausbruch. „Es geht darum, an die betroffenen Menschen zu denken, wenn man das Zeichen sieht“, erklärt Stolz. Der Krieg und das Leid berühren sie, Bilder davon könne sie sich kaum noch angucken. Es gebe Momente, in denen das Thema dann wieder hochkommt – auch im Gespräch mit Kunden. „Das ist immer im Hinterkopf“, sagt sie.

Ein paar Autominuten von der „Floristeria“ entfernt, findet sich das Restaurant „Zu Tisch“. Wer dort im Eingang steht, kann die meterlange, blau-gelbe Luftballonkette kaum übersehen. Schon vor dem Krieg wurde die Dekoration für eine Feier des Karnevalvereins „Blaue Funken“ angebracht – zufälligerweise waren es die gleichen Farben wie die der Ukraine.

Kaum zu übersehen: Im Restaurant „Zu Tisch“ hängt eine meterlange blau-gelbe Ballonkette.
Kaum zu übersehen: Im Restaurant „Zu Tisch“ hängt eine meterlange blau-gelbe Ballonkette. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Aus Solidarität wurden die Ballons jedoch beibehalten, mehrere Gäste lobten die Aktion. Wie auch in den anderen Läden beschäftigen sich die geschäftsführenden Gesellschafter Marcel Habendorf und Lars Mittenzwei mit der Kriegslage, der Unberechenbarkeit Putins, den schrecklichen Szenarien, die plötzlich denkbar scheinen. Warum Solidarität wichtig ist? „Am Ende des Tages stecken wir alle damit drin“, sagt Mittenzwei.

Nationalfarben sollen für Himmel und Kornfelder stehen

Über dem ukrainischen Parlament wehte die blau-gelbe Fahne zum ersten Mal am 4. September 1991. Wenige Tage zuvor, am 24. August, hatte das Land seine Unabhängigkeit erklärt. Offiziell zur Nationalflagge machte das Parlament die Farben am 28. Januar 1992.

Nach der populärsten Interpretation der beiden Farbensteht das Blau für den Himmel, der sich über die goldenen (gelben) Kornfelder der Ukraine erstreckt. Die Auslegung ist allerdings nicht der offizielle Grund für die Farbwahl.