Oberhausen. Sind Frauen, die aus dem Kriegsgebiet flüchten, leichte Beute für Menschenhändler? Ja, sagt Petra Jochheim vom Rotlicht-Hilfsverein Solwodi.

Es sind hauptsächlich Frauen und Kinder, die gerade aus der Ukraine fliehen und auch schon hier bei uns in Oberhausen angekommen sind. Haben sie die Schrecken des Krieges hinter sich gebracht, könnten weitere Gefahren auf sie lauern. In vielen Städten sind bereits Männer aufgefallen, die sich in verdächtiger Weise jungen Frauen näherten, dubiose Angebote zur Unterbringung machten oder ihnen Geld anboten. In Berlin, wo täglich Hunderte Geflüchtete am Hauptbahnhof stranden, hat die Bundespolizei bereits vor „auffälligen Personen“ gewarnt. „Diese Frauen kommen ins Bordell Europas“, sagt Petra Jochheim, Leiterin der Oberhausener Prostituierten-Beratungsstelle Solwodi. „Und sie werden von den Sexhändlern bereits erwartet.“

Überzeugte Aktivistin für die Rechte von Frauen in Not: Petra Jochheim, Essener Rechtsanwältin und Leiterin von Solwodi Oberhausen
Überzeugte Aktivistin für die Rechte von Frauen in Not: Petra Jochheim, Essener Rechtsanwältin und Leiterin von Solwodi Oberhausen © Solwodi

Es ließe sich ganz leicht an den Zahlen ablesen, erklärt Rechtsanwältin und Streetworkerin Petra Jochheim: Mit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine seien die Suchanfragen nach „Ukrainian Girls“ bei Google enorm gestiegen. Ebenso in den Freierforen einschlägiger Porno-Seiten, welche Jochheim für ihre Hilfsarbeit beobachtet. „Krieg ist immer irgendwo. Ich denke vor allem an die jungen Ukrainerinnen, welche bald hier aufschlagen werden. Das wird ein Fest“, zitiert sie einen Interneteintrag. Ein anderer zeigt ein Foto mit jungen Ukrainerinnen in Fußballtrikots im Stadion, darunter steht: „Endlich mal eine willkommene Flüchtlingswelle.“ Die Freier erhofften sich „frisches Fleisch“, sagt Jochheim, und wollen die Not der Frauen ausnutzen.

Ideale Beute: auf sich alleine gestellt und in großer Not

„Menschenhandel ist eines der lukrativsten Geschäfte der organisierten Kriminalität“, sagt Petra Jochheim. „Sobald ein Krieg losgeht, befeuert das dieses Big Business. Das ist kein neues Phänomen.“ Die Gruppe, die jetzt ins Land komme – Frauen, Kinder, alleinreisende Minderjährige – sei besonders vulnerabel und somit eine ideale Gruppe für Menschenhändler. Die Gefahr bestehe, dass sie es schaffen, Frauen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, ein Job in der Gastronomie zum Beispiel, oder aber durch Anwenden der sogenannten Loverboy-Methode in die Prostitution zu zwingen. Bei Letzterem lässt der Täter sein Opfer glauben, dass es die große Liebe sei, und überredet es dann mit psychologischem Geschick dazu, für ihn anschaffen zu gehen.

In ihrer Arbeit für Solwodi berät Petra Jochheim die rund hundert Prostituierten in Oberhausen, die zum allergrößten Teil aus von Armut betroffenen Ländern wie Bulgarien und Rumänien stammen. Immer wieder wird sie dabei mit den brutalen Methoden konfrontiert, mit denen junge Frauen auch im Oberhausener Rotlichtmilieu gefügig gemacht werden. Wie im Fall einer Frau aus Serbien, die zunächst in Berlin gelandet war: „Sie wurde an einen Zuhälter aus Oberhausen verkauft. Die Männer haben ihr gedroht: Wenn du etwas sagst, dann wird deinen vier Kindern in Serbien etwas passieren.“ Nicht ungewöhnlich für Petra Jochheim, die viele Beispiele dafür kennt, dass Menschenhändler ihre Netzwerke von den Herkunftsländern der betroffenen Frauen bis in die deutschen Bordelle spannen.

Prostituierte aus Zwang, Putzhilfe aus Dankbarkeit

Die Frauen, die gerade in Oberhausen ankommen, will Petra Jochheim vor solchen Schicksalen bewahren – möglichst schnell und unbürokratisch. „Ich bin mit der Stadt in Kontakt darüber, wie man die Frauen erreichen und aufklären kann“, berichtet sie. Hierbei sei auch die Gleichstellungsstelle involviert. Ein Flyer ist bei Solwodi in Vorbereitung, der in ukrainischer Sprache vor den Gefahren warnen soll. Dass man niemals seinen Pass aus der Hand geben sollte, wird darauf zu lesen sein. Wie die „Loverboy“-Methode abläuft. Und auch, dass sich strafbar macht, wer einem Flüchtling Unterkunft gewährt und ihn dann illegal beschäftigt. Denn auch dazu könne es kommen, erklärt Rechtsanwältin Jochheim, dass die Frauen zu billigen Putzhilfen werden. Sie wüssten ja nicht, dass es in Deutschland einen Mindestlohn gibt.

Solwodi benötigt Spenden

Solwodi (Abkürzung von „Solidarity with Women in Distress“, deutsch: Solidarität mit Frauen in Not) ist eine internationale Menschenrechts- und Frauenhilfsorganisation zur Beratung und Betreuung von Opfern von Menschenhandel, Zwangsprostitution und Beziehungsgewalt. Gegründet wurde sie von der Ordensfrau Lea Ackermann 1985 in der Sextourismus-Hochburg Mombasa an der kenianischen Küste.

Für ihr Projekt, einen Flyer speziell für die aus der Ukraine geflüchteten Frauen zu erstellen, braucht Petra Jochheim nicht nur die Kooperation der Stadt, die ihr Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen gewähren muss, sondern auch finanzielle Unterstützung. Spenden werden erbeten an Solwodi NRW, IBAN: DE64 3605 0105 0001 4772 15, Sparkasse Essen.

Von der Polizei, sagt Jochheim, erwarte sie keine Unterstützung für ihr Vorhaben. Dies sei auch in der Vergangenheit so gewesen. Immer wieder fordere Solwodi, dass Polizeibeamte auf Prostituierte zugehen sollten, um sie über ihre Rechte aufzuklären und bei ihnen Vertrauen in die Staatsgewalt aufzubauen. „Das Thema hat einfach keine Lobby“, sagt sie resigniert. Auf unsere Nachfrage bei der Polizei ist zu erfahren, dass bisher noch kein Fall bekannt sei, bei dem eine Ukrainerin Opfer von Menschenhandel geworden sei. Erst wenn dies geschehe, könne man eingreifen und die Kollegen im Opferschutz würden an Hilfsangebote in Oberhausen verweisen – an Petra Jochheim.

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