Oberhausen. Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg: Nie hatte das Gesundheitsamt Oberhausen so viel zu tun wie heute. Eine unlösbare Aufgabe für den neuen Leiter?

Corona-Pandemie, Omikron-Welle, Impfpflicht für die Mitarbeitenden in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und über 2,7 Millionen verzweifelte Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine flüchten, rund 450 sind bereits in Oberhausen angekommen: Stürmische Zeiten für Dr. Emanuel Wiggerich und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Medizinaldirektor löste am 1. Februar 2022 Dr. Hans-Henning Karbach als neuer Leiter des städtischen Bereichs Gesundheit in Oberhausen ab. Gelingt es ihm zu verhindern, dass sein Amt in den aktuellen Turbulenzen untergeht? Wir sprachen mit dem 39-Jährigen über diese Herausforderungen.

Sie haben die Leitung des Gesundheitsamtes in bewegten Zeiten übernommen, was hat Sie am meisten überrascht?

Emanuel Wiggerich: Wie hoch die Motivation meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch ist. Obwohl sie seit zwei Jahren durch die Corona-Pandemie doch sehr hohen Dauerbelastungen ausgesetzt sind.

Mit welchen Aufgaben sind Sie, sind Ihre fünf Fachbereiche aktuell hauptsächlich beschäftigt?

Mit unzähligen. Durch die Pandemie ist in der Öffentlichkeit etwas aus dem Blick geraten, dass wir bereits vorher gut zu tun hatten. Da sind einmal die alljährlichen Schuleingangsuntersuchungen. Dazu kommen die Einstellungsuntersuchungen durch unseren amtsärztlichen Dienst für neu einzustellende Beamte und Angestellte der öffentlichen Verwaltung. Nicht zu vergessen sind darüber hinaus die Krankenhausbegehungen, die wir regelmäßig durchführen und bei denen wir zum Beispiel prüfen, ob die Häuser den Hygienevorschriften nachkommen oder ihre Dokumentationspflichten erfüllen.

Welchen Raum nehmen die nun dazugekommenen Aufgaben im Zuge der Pandemiebewältigung ein?

Sicherlich den größten. Unser Bereich ist unter anderem für die Kontaktpersonennachverfolgung zuständig und führt an der Hotline noch immer sehr viele Beratungsgespräche durch. Bei der Kontaktpersonennachverfolgung unterstützen uns zum Glück noch bis zum 17. März aber 16 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr – denen ich dafür ganz herzlich danke! Gut in Anspruch nimmt uns aber auch die ab Mitte März bevorstehende einrichtungsbezogene Impfpflicht.

Die für Sie und Ihre Mitarbeitenden was bedeutet?

Die Infoschreiben an alle betroffenen Einrichtungen sind bereits raus. Wir streben eine digitale Lösung an, um die künftigen Abläufe für alle Beteiligten so einfach wie möglich zu gestalten. Darüber lassen sich zum Beispiel erforderliche Nachweise leicht übermitteln.

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Und wenn die nicht vorliegen?

Dann sind wir verpflichtet, aktiv zu werden und nachzufragen. Schlimmstenfalls droht ein Tätigkeitsverbot.

Was macht Ihnen am meisten Freude?

Mit einem derartig motivierten Team arbeiten zu dürfen, aber auch die reibungslose Zusammenarbeit mit allen anderen Akteuren der Stadt. Oberhausen zeichnet wirklich aus, dass hier alle an einem Strang ziehen, um die Krisen dieser Zeit zu bewältigen. Damit meine ich nicht nur die einzelnen Fachbereiche, die Verwaltung, den Krisenstab, die Politik, sondern auch alle beteiligten Verbände, Einrichtungen, Hilfsorganisationen, vor allem die Krankenhäuser, die Alteneinrichtungen, die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und die Feuerwehr.

Was nervt Sie gewaltig?

Ich bin grundsätzlich positiv eingestellt und würde nicht von nerven sprechen. Aber diese schnellen Änderungen der Verordnungen während der Pandemie in so hoher Zahl und in so kurzer Zeit haben uns alle schon besonders gefordert. Entsprechende Rückmeldungen haben wir auch von vielen Oberhausenerinnen und Oberhausenern erhalten. Die Leute haben einfach nicht mehr verstanden, was denn nun gelten soll.

Wenn es nur nach Ihren Wünschen ginge, wie viele Mitarbeitende hätten Sie gerne?

Medizin an der Universität Duisburg-Essen studiert

Emanuel Wiggerich wurde am 16. Februar 1983 in Essen geboren. Nach dem Abitur am Don-Bosco-Gymnasium studierte er Humanmedizin an der Universität Duisburg-Essen sowie Management an der Fern-Universität in Hagen.

Nach seiner Approbation als Arzt 2008 arbeitete er an verschiedenen Kliniken. 2011 wurde er promoviert, 2014 erwarb er den Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen. Von September 2011 bis März 2017 war Wiggerich Amtsarzt in Soest und Dortmund.

Von 2016 bis 2021 hatte er einen Lehrauftrag bei der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin. Seit August 2020 ist er Ärztlicher Referent für Hygiene und Infektionsschutz sowie Leiter des Teams Lehre bei der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf. Am 1. März 2021 wurde er zum Medizinaldirektor ernannt.

Die Pandemie stellt eine absolute Ausnahmesituation dar. Im Moment benötigen wir eine große personelle Unterstützung. Aber ich kann beim besten Willen nicht voraussagen, wie sich die Situation im kommenden Herbst und Winter entwickeln wird. Das kommt natürlich auch darauf an, wie gut uns allen der Balanceakt zwischen zunehmender Normalität und gebotener Vorsicht gelingt. Ein Großteil der Karnevalsveranstaltungen in Oberhausen ist abgesagt worden. Das ist schade, aber leider eben genau der richtige Schritt, um einen Anstieg der Corona-Zahlen dauerhaft zu verhindern.

Können Sie den Begriff Corona-Pandemie überhaupt noch hören?

Natürlich ist der Begriff „Corona-Pandemie“ in aller Munde und wenn wir ehrlich sind, kann ihn niemand mehr hören. Allerdings ist er fachlich immer noch zutreffend. Natürlich wünschen wir uns alle eine endemische Situation und hoffen, dass dieser Begriff bald den der Pandemie ablöst.

Könnte der Krieg in der Ukraine durch die wachsenden Flüchtlingszahlen die nächste Herausforderung werden, mit der Sie sich auseinandersetzen müssen?

Ich bin überzeugt davon: Oberhausen steht da fest zusammen. Der neu eingesetzte Krisenstab unter Leitung des Sozialdezernates bereitet längst alle erforderlichen Schritte für die Aufnahme dieser Menschen vor. Auch für uns gilt: Wir werden alles tun, um schnell und effektiv zu helfen.