Oberhausen. Zahlreiche falsch negative Testergebnisse: Die Kritik an den Teststellen im Ruhrgebiet reißt nicht ab. Jetzt schalten sich die Hausärzte ein.

Die Kritik an der praktischen Probenentnahme für Schnelltests in den offiziellen Testzentren im Stadtgebiet Oberhausen und in anderen Ruhrgebiets-Städten reißt nicht ab. Jetzt beanstanden auch Hausärzte (die anonym bleiben möchten), dass nach ihrer Beobachtung in etlichen Zentren die Proben nicht fachgerecht entnommen werden.

Diesen Eindruck hatten zuvor auch erstaunlich viele Leserinnen und Leser der Redaktion gemeldet. Die Folge sei, so die Hausärzte: „Massenhaft falsch-negative Testergebnisse.“ Für Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Oberhausener Ärztekammer, Anlass genug, auf Nachfrage dieser Redaktion die komplette Teststrategie in Frage zu stellen. Er fordert: „Hören wir doch auf damit!“

Immer mehr Bürger melden sich in der Redaktion mit ähnlichen Erlebnissen: Ihr Selbsttest zu Hause schlägt positiv an, der zur Überprüfung in einem der Zentren gemachte Schnelltest (Bürger-Test) aber ergibt ein negatives Ergebnis. Ein Oberhausener Hausarzt sieht die Art und Weise der Anwendung als Ursache: „Viele unserer Patientinnen und Patienten berichten von oberflächlichen Abstrichen an der vorderen Nasenwand.“ Je nach verwendetem Antigentest reiche dies aber nicht aus. Reihenweise Coronainfektionen seien so zunächst nicht erkannt worden. „Letztlich erfahren auch wir nur von denen, die sich an unsere Praxis wenden.“ Der Oberhausener Mediziner befürchtet eine hohe Dunkelziffer.

Positiv getestete Schüler sitzen am nächsten Morgen schon wieder im Unterricht

Insbesondere Eltern von Schulkindern sind besorgt. „Das Schlimme daran ist, dass ein heute daheim positiv getestetes Kind schon morgen mit einem negativen Schnelltest einer Teststation wieder zum Unterricht darf“, sagt eine Oberhausener Mutter. „Ich habe fünf schulpflichtige Kinder – und habe immer mehr das Gefühl, sie nicht mehr schützen zu können.“ Mit Recht, meint ein 46-jähriger Pädagoge aus Oberhausen. In gleich zwei Fällen seien Schüler, die er morgens vor dem Unterricht positiv getestet hatte, am nächsten Tag tatsächlich wieder mit negativen Testergebnissen aus den Zentren in der Klasse erschienen.

Fehlerquellen gibt es auch nach Analyse der Stadt Oberhausen bei Schnelltests gleich mehrere. Die Sensitivität von Schnelltests sei eben generell deutlich geringer als von PCR-Tests, gibt Stadtsprecher Frank Helling an. „Daher können falsch positive oder falsch negative Testergebnisse auftreten.“ Eine Ursache dafür könnte sein: Unterschiedliche Hersteller und damit unterschiedliche Empfindlichkeiten – „der eine Test erkennt es bei gegebener Viruslast und ist positiv, ein anderer möglicherweise nicht.“

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Aber auch eine falsche Lagerung sowie eine falsche Handhabung wirkten sich auf das Ergebnis aus. „Es sind unbedingt die jeweiligen Herstellerangaben zu beachten. Ist das Haltbarkeitsdatum des Tests überschritten, gehört der Test in den Müll.“ Die Stadt Oberhausen führt regelmäßig mehrmals in der Woche Kontrollen in den Testzentren durch. Dabei sind auch Mitarbeiter der Bezirksregierung Düsseldorf im Boot, die unangekündigt unter anderem auch die Qualität der Testdurchführung unter die Lupe nehmen.

Mal reicht die Probe aus der Nase, mal muss eine aus dem Rachen dazu kommen

„Die zertifizierten Teststellen dürfen nur Schnelltests verwenden, die vom Bundesinstitut für Medizinprodukte gelistet sind“, betont Beatrix Van Vlodrop von der Bezirksregierung Düsseldorf. Außerdem müssten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Betreiber entsprechend den vor Ort angewendeten Tests geschult sein. „Die Probenentnahme muss unbedingt gemäß den Herstellerangaben erfolgen, das heißt entweder nur ein Abstrich aus der Nase, einer aus Nase und Rachen oder auch mal nur aus dem Mund- und Rachenraum.“ Der Abstrich könne also – je nach Test – durchaus korrekt durchgeführt worden sein, wenn er ausschließlich in der vorderen Nase entnommen wurde.

Sind Patienten mit Omikron länger ansteckend?

Generell ist die Fehlerquote für falsch negative Schnelltests deutlich größer als für falsch positive. Darauf weist auch der Oberhausener Ärztesprecher Dr. Peter Kaup hin. „Ein positiver Schnelltest führte in unserer Gemeinschaftspraxis in 99 Prozent der Fälle auch zu einem positiven PCR-Test.“

Die Ansteckungszeit bei Omikron habe sich verlängert, beobachtete der Allgemeinmediziner. So habe sich bei vielen seiner Patientinnen und Patienten die Viruslast nach sieben Tagen sogar noch einmal deutlich erhöht. „Ein Freitesten nach sieben Tagen macht damit keinen Sinn mehr.“

Für Ärztesprecher Peter Kaup eine Mühe, die man sich sparen kann. Masken und Hygieneregeln seien ausreichend. „Die Schnelltests sind zu ungenau, fehleranfällig und verursachen enorme Kosten.“ Die Corona-Lage habe sich dank Omikron inzwischen entspannt. „Ältere, die dreifach geimpft sind, müssen sich keine Sorgen machen, benötigen aber vermutlich nach ein paar Monaten noch eine vierte Impfung.“

Die Verläufe bei Kindern und Jugendlichen seien ohnehin fast durchweg mild. Wer ganz sichergehen will, kann aber auch Kinder ab fünf Jahren problemlos impfen lassen. Der Mediziner schlägt vor: „Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben und vor dem erneuten Arbeitsantritt bzw. Unterrichtsbesuch beim Arzt einen PCR-Test durchführen lassen.“

Ansonsten reichen seiner Ansicht nach folgende Verhaltensregeln: Masken tragen, Hände waschen und Abstand halten. Wer Kontakt zu besonders gefährdeten Gruppen (vor allem zu Schwerstkranken) hat, sollte aber unbedingt durchgeimpft sein und beim Umarmen trotzdem sicherheitshalber eine FFP2-Maske tragen. „Wir müssen langsam lernen, mit Corona zu leben – diese mildere Variante gibt uns jetzt die Chance dazu.“ Reihentestungen seien darüber hinaus allerdings noch in Einrichtungen wie Kitas und Krankenhäusern sinnvoll.

In der Sterkrader Gemeinschaftspraxis beobachten die Ärztinnen und Ärzte, dass die Viruslast bei Omikron-Kranken nach dem siebten Tag sogar noch einmal ansteigen kann. Hier im Bild aus dem April 2021: Dr. Peter Kaup.
In der Sterkrader Gemeinschaftspraxis beobachten die Ärztinnen und Ärzte, dass die Viruslast bei Omikron-Kranken nach dem siebten Tag sogar noch einmal ansteigen kann. Hier im Bild aus dem April 2021: Dr. Peter Kaup. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann