Oberhausen. Das Niederrhein-Kolleg in Oberhausen soll auf Geheiß der schwarz-gelben Landesregierung schließen. Das sorgt für heftigen Streit der Parteien.
Die anstehende Schließung des Oberhausener Niederrhein-Kollegs entwickelt sich zum Politikum. Knapp vier Monate vor der Landtagswahl am 15. Mai häufen sich die Forderungen, die Entscheidung zurückzunehmen und das Kolleg, an dem Erwachsene auf dem zweiten Bildungsweg ihr Abitur machen können, weiter geöffnet zu lassen. Die Mehrheit stellt sich hinter die protestierenden Studierenden des Kollegs, die Oberhausener CDU verteidigt derweil die Entscheidung „ihrer“ schwarz-gelben Landesregierung.
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Rückblick: Kurz vor Weihnachten flatterte dem Niederrhein-Kolleg die Nachricht des Landes über die Schließung ins Haus. Weil die Zahl der Studierenden in den vergangenen drei Schuljahren jeweils unter der gesetzlichen Mindestgröße gelegen habe, müsse das vom Land betriebene Kolleg an der Wehrstraße im Osten der Stadt schließen. Statt der vorgeschriebenen 240 Studierenden kam das Niederrhein-Kolleg demnach im Schuljahr 2020/21 nur auf 197 Teilnehmer. Zum 31. Juli 2023 soll die Einrichtung auf Anraten des Landesrechnungshofes nach und nach auslaufen.
SPD zur Kolleg-Schließung: „Ein Unding“
„Das ist ein Unding“, sagt Denise Horn, schulpolitische Sprecherin der Oberhausener SPD-Fraktion. Die gesunkene Zahl an Studierenden sehe auch sie, „aber wir stecken seit zwei Jahren in der Corona-Krise, da warten doch viele erst einmal ab, bevor sie sich auf den ohnehin mühsamen zweiten Bildungsweg machen.“ Sie fordert das NRW-Schulministerium auf, die Entscheidung zurückzunehmen und mögliche Lösungen erst einmal in den Gremien diskutieren zu lassen. Denn nicht nur die Studenten, auch die Oberhausener Lokalpolitik sei von der Landesregierung vor den Kopf gestoßen worden.
Dass es Überlegungen gibt, das Kolleg zu schließen, wurde im Mai 2021 bekannt. Bereits im Juni schaltete sich Oberhausens Schuldezernent Jürgen Schmidt ein: Er nahm Kontakt sowohl zur damaligen Leiterin des Kollegs als auch zum Schulministerium auf. Er bot seine Unterstützung und Gesprächsbereitschaft zum Erhalt des Standortes an. „Mehrfach“, wie er auf Nachfrage sagt. „Und das Angebot besteht weiter.“ Angenommen hat es bisher niemand.
Theoretisch denkbar ist beispielsweise, dass die Schule von der Kommune selbst in Trägerschaft übernommen wird, um sie zu retten. Allerdings gilt auch für sie das Schulgesetz, das eine Mindestgröße von 240 Studierenden vorsieht.
Land hat Gesprächsangebot der Stadt Oberhausen nicht angenommen
Stattdessen hat Ende November 2021 bei Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) das Telefon geklingelt: Staatssekretär Mathias Richter (FDP) hat ihn darüber informiert, dass das Land NRW das Niederrhein-Kolleg zum 1. August 2023 schließen werde.
„Viele Studierende sind verzweifelt und wissen nicht weiter“, sagt dazu Sonja Bongers, SPD-Landtagsabgeordnete und Oberhausener Fraktionschefin. Sie traf Betroffene vor einigen Tagen in Düsseldorf, bei einer Demo gegen die Schließung vor dem Landtag. Im Schulausschuss des Landtages sollte an diesem Tag die Kolleg-Schließung diskutiert werden, SPD und Grüne hatten Berichtsanträge gestellt. Doch aus Zeitgründen wurde der Tagesordnungspunkt gestrichen.
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Den Entschluss zur Schließung nachvollziehen kann die Oberhausener CDU. „Eine solche Entwicklung der Studierendenzahl macht ein sinnvolles Aufrechterhalten eines Schulbetriebs kaum noch möglich“, sagt Gundula Hausmann-Peters, schulpolitische Sprecherin der Ratsfraktion. Die Enttäuschung könne sie zwar verstehen. Aber: „Gerade heute ist es entscheidend, ein breites Angebot vorzuhalten. Das wiederum hängt wesentlich von der Zahl der Studierenden ab.“
Linke fragen nach Demokratieverständnis der Landesregierung
Ganz anders sehen es die Grünen: „Es kann nicht sein, dass die zweitälteste Einrichtung dieser Art in Deutschland und die älteste in NRW sang- und klanglos die Türen schließt“, erklärte bereits im Dezember die Grünen-Schulpolitikerin Sandra Gödderz. Sie sieht im Vorgehen der CDU-/FDP-Landesregierung „die Beschneidung des zweiten Bildungsweges“.
„Das Niederrheinkolleg muss erhalten werden“, fordern die Linken. Der Beschluss sei ohne die Beteiligung des Landtags und ohne Dialog mit der Stadt Oberhausen gefasst worden, obwohl eine kommunale Trägerschaft denkbar sei. „Für mich stellt sich da die Frage nach dem Demokratieverständnis dieser Landesregierung“, sagt Linken-Schulexpertin Angelika Glauch.
Neuer Förderverein schaltet Anwalt ein
Verstößt die Schließung des Niederrhein-Kollegs gegen geltendes Schulrecht? Zu diesem Schluss kommt zumindest ein Anwalt, der von dem neu gegründeten Förderverein „Zweiter Bildungsweg“ beauftragt wurde. „Nach unserer Prüfung ist eine zutreffende rechtliche Begründung nicht abgegeben worden“, heißt es in einem Schreiben des Anwalts ans Schulministerium, das auch unserer Redaktion vorliegt. In ihrer Ermessensentscheidung habe die schwarz-gelbe Landesregierung die Interessen der derzeitigen Studierenden des Kollegs zu wenig in den Blick genommen. Der Anwalt fordert das Land auf, den Vorgang erneut zu prüfen.
Sollte es beim Aus für das Oberhausener Kolleg bleiben, stellt sich die Frage nach einer Folgenutzung des Gebäudekomplexes an der Wehrstraße. Dieser gehört dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB). Das Schulministerium hat das gesamte Areal langfristig angemietet. Daher kann nur das Land darüber verfügen und muss Konzepte für die künftige Nutzung entwickeln. „Die Stadt Oberhausen wird einen Prozess zur Nachfolgenutzung konstruktiv begleiten“, heißt es dazu aus dem Rathaus. Ziel der Stadt sei in jedem Fall, den Komplex auch weiterhin für ein Bildungsangebot zu nutzen.