Oberhausen. TV-Promi Martin Rütter hatte in der Schule zu kämpfen – und bekam am Oberhausener Niederrhein-Kolleg eine zweite Chance. Nun setzt er sich ein.
Er ist der Hundeflüsterer, dem Deutschland vertraut: Martin Rütter, geboren in Duisburg, ist seit vielen Jahren als Entertainer und Moderator im deutschen Fernsehen unterwegs, schreibt Bücher über den Umgang mit dem besten Freund des Menschen.
Doch was viele nicht wissen: Der 51-Jährige hat sein Abitur nicht im ersten Anlauf abgelegt, sondern den Zweiten Bildungsweg genutzt und am Oberhausen-Kolleg studiert. Das heutige Niederrhein-Kolleg soll allerdings geschlossen werden – nun setzt Rütter sich für dessen Erhalt ein, zuletzt sogar in einem persönlichen Aufruf auf seinem Instagram-Profil, die von Studierenden initiierte Petition zu unterschreiben. Seitdem sind die Unterschriften in die Höhe geschnellt. Kein Wunder, hat er auf der sozialen Plattform doch rund 233.000 Abonnenten. Wir haben mit der TV-Persönlichkeit über seinen Einsatz für das Weiterbildungskolleg gesprochen.
Herr Rütter, warum brauchten Sie eine zweite Chance?
Ich komme aus einem eher bildungsfernen Haushalt. Wenn wir eine Zeitung hatten, wurde höchstens der Sportteil gelesen, Bildung war kein großes Thema. In meiner Familie galt Schule eher als notwendiges Übel, um danach einen handwerklichen Beruf anfangen zu können. Mein Problem war: Ich war sehr an der Welt interessiert, handwerklich aber komplett unbegabt. In der Schule war ich aufmüpfig und faul. Die Schule hat mich einfach nicht genug „entertainet“. Ich bin zwei Mal sitzen geblieben und musste vier Mal die Schule wechseln.
Wie sahen Ihre Zukunftspläne aus?
Ich habe erst viel gejobbt und meinen Zivi gemacht. Als ich 20 Jahre alt war, habe ich mich gefragt, was jetzt kommen soll. Ich wollte immer Sportredakteur werden – also bin ich kurzerhand zur Sporthochschule nach Köln gefahren und wollte dort anfangen. Die Sekretärin dort dachte kurz, ich wäre betrunken. Dann erklärte sie mir, dass ich Abitur brauche, um dort zu studieren. Ich war sehr naiv. Danach habe ich mich schlau gemacht und landete 1992 am Oberhausen-Kolleg, das heute Niederrhein-Kolleg heißt.
Fiel es Ihnen schwer, wieder die Schulbank zu drücken?
Erstaunlicherweise nicht. Die Erwachsenenbildung ist anders als die normale Schule. Auch die Lehrer treten einem anders entgegen, man wird ernst genommen. Die Pädagogen wollen einem wirklich helfen. Dort kamen unfassbar unterschiedliche Menschen zusammen – alleinerziehende Mütter oder Leute, die schon mehrere Ausbildungen hinter sich hatten. Generell war die Stimmung trotzdem unglaublich positiv, es herrschte eine „Wir schaffen das“-Haltung bei allen Beteiligten. Das war für mich sehr eindrucksvoll. Ich habe begriffen, dass Bildung und Wissensvermittlung einen Sinn haben und Spaß machen können – etwas, dass ich mit 17 noch nicht verstanden hatte. Mein Leben wäre komplett anders verlaufen, wenn ich nicht am Kolleg gelandet wäre.
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Nun soll das Niederrhein-Kolleg geschlossen werden – aus finanziellen Gründen und auch, weil die Studierendenzahlen sinken. Können Sie diese Argumentation nachvollziehen?
Überhaupt nicht! Erwachsenenbildung ist eine Bereicherung für die Bildungslandschaft, die sich mit Geld nicht aufwiegen lässt. Vor allem in einem so reichen Land wie Deutschland sollte Geld kein Argument sein, um eine Institution wie diese zu schließen. Chancengleichheit ist wahrscheinlich das wichtigste Thema unserer Gesellschaft. Und es wird immer einen Bedarf für diesen Bildungsweg geben. Dort kommen viele Menschen mit schwieriger Vergangenheit unter, die sonst durchs Raster gefallen sind und nach ihrem Abschluss in die Gesellschaft einzahlen. Daran scheint niemand zu denken. Außerdem sollte man schauen, was außerhalb der staatlichen Möglichkeiten machbar ist – ich denke daran, das Kolleg bekannter zu machen und die Teilnehmerzahlen nach oben zu treiben.
Haben Sie da schon Ideen?
Ich habe bereits einen Brief an das Kolleg geschrieben. Wenn ich helfen kann, mache ich das gerne. Deshalb habe ich auch ein Video bei Instagram veröffentlicht, um mehr Menschen auf diese Sache aufmerksam zu machen – und auch auf die Petition, die derzeit läuft. Das hat schon etwas gebracht, mittlerweile hat die Online-Petition über 4000 Unterschriften. Aber besonders die Leute vor Ort sollten in den Dialog treten und mit der Politik sprechen – und öffentlich Stellung beziehen.
Studium der Tierpsychologie
Martin Rütter wurde 1970 in Duisburg geboren. Mit mehr als 25 Jahren Berufserfahrung ist er einer der bekanntesten Hundeexperten im deutschsprachigen Raum.Wie auf seiner Internetseite zu lesen ist, waren Hunde seit jeher fester Bestandteil in seinem Leben. Nach einem Studium der Tierpsychologie in der Schweiz, diversen Praktika in Wolfaufzuchtstationen und einem Auslandsaufenthalt in Australien eröffnete er 1995 seine erste Hundeschule. Später entwickelte er zudem eine eigene Philosophie zur Hundeerziehung: Das „Dog Orientated Guiding System“ (DOGS).
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