Oberhausen. Mit dem preisgekrönten Wissensbuch „So sterben wir“ beginnt das Quartals-Programm im Gdanska-Theater. Es endet mit Lese-Tipps zum Bücherfrühling.
Beachtliche elf Termine stemmte der Literaturhaus-Verein während seines „Tourneebetriebs“ des letzten Halbjahres. Die Aktiven waren natürlich dennoch beglückt, im Dezember verkünden zu können, dass mit dem Gdanska am Altmarkt ein neues Domizil gefunden ist.
Noch ist der eigene Vereinsraum nicht eingerichtet. Doch das lauschige Gdanska-Theater (zu erreichen von der Hofseite an der Gutenbergstraße 8) stellt für fünf der sechs Literaturhaus-Termine im ersten Quartal des neuen Jahres den schönen Schauplatz. Und wieder kann sich das Programm sehen und hören lassen. Einem Missverständnis sollte man allerdings vorweg begegnen: Roland Schulz, der erste Gast am Freitag, 14. Januar, um 19 Uhr schrieb sein preisgekröntes Sachbuch „So sterben wir“ nicht unter dem Eindruck der Pandemie.
Der 45-jährige Reporter für das SZ-Magazin beschrieb bereits 2019 den letzten Weg aller Menschen: „Tage vor deinem Tod, wenn noch niemand deine Sterbestunde kennt, hört dein Herz auf, Blut bis in die Spitzen deiner Finger zu pumpen. Wird anderswo gebraucht. In deinem Kopf.“ So erzählt Roland Schulz die letzten Tage und Stunden, folgt dem Weg des toten Körpers von der Leichenschau bis zur Bestattung. Ein weiterer wichtiger Beitrag der Reihe „Medizin und Literatur“.
Sarkasmus oder Menschenliebe
Dem Tod folgt das Verbrechen: Eva Menasse hatte bereits vor vier Jahren meisterlich aus „Tiere für Fortgeschrittene“ im Literaturhaus gelesen. Die Wienerin mit Wahlheimat Berlin präsentiert am Freitag, 28. Januar, ihren neuen Roman „Dunkelblum“, das Porträt einer Kleinstadt mit düsteren Geheimnissen.
Fünf spannende Termine im Gdanska-Theater
Für die prominenteste Autorin Eva Menasse – zudem eine exzellente Leserin des eigenen Oeuvres – nehmen die Gastgeber vom Literaturhaus 15 Euro Eintritt. Für die vier weiteren Termine im Gdanska-Theater gilt: Eintritt 10 Euro, ermäßigt 5 Euro. Beim Frauensalon im „Kuro-Raum“ ist der Eintritt frei, geht ein Hut rum.
Den Vorverkauf fürs Literaturhaus im Gdanska übernimmt natürlich das Gdanska selbst, zudem gibt’s Karten in Sterkrade bei der Buchhandlung Wiebus und in Schmachtendorf bei Brinkmanns Tabakwaren. Online informiert literaturhaus-oberhausen.de
Sie spiegelt ein historisches Ereignis: Das Massaker im burgenländischen Rechnitz, als während der letzten Kriegstage im März 1945 hunderte Zwangsarbeiter ermordet wurden, die zuvor noch gegen die anrückende Rote Armee Panzergräben ausheben mussten. Wenige Werke finden ein so krass gespaltenes Echo wie derzeit „Dunkelblum“: Der Neuen Zürcher Zeitung missfiel das sarkastisch ausgemalte „Kuriositätenkabinett“. Die Frankfurter Rundschau lobte Menasses hohes Reflexionsniveau, den politischen Weitblick, das erzählerische Geschick und am Ende auch ihre „Menschenliebe“.
Die Lyrikerin Lütfiye Güzel avanciert mit ihrem eigenwilligen und stets selbstverlegten Oeuvre bereits zu einem Lieblingsgast der Literaturhäusler – und wird am Freitag, 11. Februar, aus ihrem neuen Buch vortragen, das sie während des langen Lockdowns publizierte. Dennoch muss man von dem Titel „nahezu nichts gelingt“ nicht die blanke Hoffnungslosigkeit befürchten. Denn so mutlos ist die Literaturpreisträgerin Ruhr des Jahres 2017 nun wahrlich nicht.
Die Wörter retten die Figuren
„Erzählungen aus unserer Zeit“ lautet das 2022er Jahresthema des Literaturhauses, am Freitag, 25. Februar, repräsentiert von Karen Köhler und ihrem literarischen Debüt „Wir haben Raketen geangelt“. Zu ihren Erzählungen über traumatisierte Menschen meinte der NZZ-Rezensent: „Die Wörter retten die Figuren vor ihrem Absturz.“ Die Perspektive verengt sich bei Köhler stark aufs Subjektive der Figuren, an deren Gedanken und Wahrnehmungen sie sehr nahe heranrückt. So entwickelt die Autorin einen ganz eigenen, „gebrochenen“ Sprachwitz.
Eine außerhalb Skandinaviens bis vor wenigen Jahren weithin Unbekannte macht postum Karriere: Der Kopenhagenerin Tove Ditlevsen (1917 bis 1976) widmet der Frauensalon im Literaturhaus den Freitagabend, 4. März, im „Kuro-Raum“ des Gdanska. In drei autobiografischen Romanen beschrieb Ditlevsen ihr Leben. Die Jugend im Arbeitermilieu, das Scheitern ihrer Ehen und ihre Krisen: Schwangerschaftsabbrüche, Sucht, Entzug und Selbstmordgedanken.
Lesetipps – und gelegentliche Warnungen
Tove Ditlevsen beschrieb die seelischen Konflikte ihrer Kindheit und Jugend. In „Straße der Kindheit“ (1943), einem in Dänemark längst kanonisierten Roman, schilderte sie das Milieu ihres Arbeiterviertels. In ihrem bekanntesten Roman „Gesichter“ (1968) erzählte sie mit erschreckender Intensität von der eigenen Psychose.
Wer schließlich, wenige Tage nach der Leipziger Frühjahrsmesse, den Überblick über die Neuerscheinungen des Buchmarktes behalten möchte, der dürfte sich jetzt schon Freitag, 25. März, vormerken: Dann spielen sich im Gdanska-Theater Janelle Pötzsch und Harald Obendiek die hoch gehandelten Namen und Titel zu. Und Literaturhaus-Liebhaber wissen: Von diesem Duo gibt’s nicht nur Lesetipps – sondern auch die eine oder andere Warnung.