Oberhausen. Anwohner eines Awo-Wohnhauses in Oberhausen beklagen sich: Kaputter Aufzug, Ratten, Brandstiftung. Das sagt der Eigentümer zu den Vorwürfen.
Es ist ein beeindruckender Bau, unauffällig und trotzdem groß, direkt neben dem Bero-Zentrum in Alt-Oberhausen. Schlicht gestrichen mit weißer Farbe, das Mauerwerk rund um die Fenster leuchtet rot. Schon morgens herrscht viel Leben in dem von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) betriebenen Sozialbau an der Straße Am Förderturm 6. Anwohner gehen ein und aus, nutzen entweder die Eingangstür zu den 87 Wohnungen oder die Tür links daneben, die zu einer im Haus gelegenen Arztpraxis führt.
Vor dem Haus stehen große, in Stein eingelassene Müllcontainer. Die kleinen Türen stehen teils auf, Container lugen heraus, Müllsäcke liegen vor den Tonnen, auch die beiden Altpapiercontainer laufen über. „Hier gehen die Ratten spazieren“, erzählt eine Anwohnerin, die vor der Eingangstür auf ihrem Rollator sitzt. Auf ihrem Jackenkragen ist das Blindensymbol angesteckt.
Der Hausmeister würde außerdem das Laub auf den Wegen nicht richtig wegfegen, täglich habe sie Angst, darauf auszurutschen. „Fünf Prozent Sehkraft habe ich noch. Wissen Sie, wie gefährlich das ist?“ Tatsächlich liegt links und rechts auf dem Weg, der zur Eingangstür wohnt, feuchtes Laub. Lediglich in der Mitte ist eine Schneise aus Asphalt sichtbar.
Beengter Fahrstuhl für Rollstuhl- und Rollatorfahrer in Oberhausener Sozialbau
Wir besuchen Ingrid Gebhardt Ende November. Die 79-Jährige wohnt ganz oben, im fünften Stock des Gebäudekomplexes, in einer 44 Quadratmeter großen Wohnung mit einem Balkon, der sie bei schönem Wetter direkt auf das Gasometer blicken lässt. Sie öffnet per Knopfdruck die Tür. Im Foyer des Wohnhauses steht ein prächtiger Tannenbaum – dafür haben einige Bewohner zusammengeworfen. Ruft man den Fahrstuhl, habe man Glück, wenn er kommt. Der Fahrstuhl, so erzählen es mehrere Anwohner, ist das größte Ärgernis im Haus. „Ständig fällt er aus, zuletzt sogar drei Tage“, schildert Ingrid Gebhardt.
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Im Fahrstuhl ist es beengt. Eine Person mit Rollator oder Rollstuhl füllt den kleinen Raum zur Gänze. Durch eine mobile Trennwand lässt der Lift sich zwar vergrößern – das ist aber nur für Krankentransporte vorgesehen. Für normale Fahrten bleibt der Platz knapp. Und das, während sich der helle Belag von der Fahrstuhldecke zu lösen droht – dunkle Flecken inklusive.
Zusätzlicher Service der Meldepflicht für ältere Menschen wurde abgeschafft
Gebhardt selbst ist auf einen Rollator angewiesen – und war durch den Ausfall des Aufzugs zuletzt tagelang an ihre Wohnung gefesselt. Auch an ihrem Geburtstag. „Meiner Geburtstagsgesellschaft musste ich absagen. Hier kommt ja keiner hoch.“ Während sie die Umstände schildert, wird ihre Stimme manchmal brüchig. Die Wohnsituation geht ihr merklich nahe. Doch wieso wohnt sie dann noch hier?
Vor neun Jahren sei sie eingezogen. „Ich fand das Konzept toll. Ich zahle Miete, habe meine eigene Wohnung, bin von Gleichaltrigen umgeben und bekomme Hilfe, wenn ich sie brauche.“ So habe es bis vor einigen Jahren noch eine tägliche Meldepflicht gegeben – wer bis 9 Uhr morgens nicht an einer Schnur im Bad gezogen hatte, dem stattete die Hausmeisterin einen Besuch ab, um nach dem Rechten zu sehen. Die Hausmeisterin, die selbst im Komplex gelebt habe, habe vor Jahren aufgehört – damit sei auch der Service der Meldepflicht eingestampft worden. „Seitdem haben wir einen anderen Hausmeister, der nur sporadisch vorbeischaut und auch nicht mehr hier lebt.“
Anwohner schildern: Brand im Keller, zugeklebtes Türschloss
Ein weiterer Vorteil sei die Küche gewesen. „Täglich gab es frisches Essen, doch auch dort wurde gespart. Irgendwann gab es nur noch eine Köchin und die Qualität des Essens hat abgenommen. Vor drei Jahren wurde dann auch die Küche geschlossen.“ Die an die Küche angelagerten Sozialräume seien seitdem dauerhaft abgeschlossen. „Ich kann mich mit meinen Nachbarn nicht mehr wie früher zusammensetzen. Und das in Zeiten von Corona. Wir vereinsamen hier.“ Auch Sitzmöglichkeiten im Eingangsbereich seien weggeschafft worden.
Eine Nachbarin schildert, dass immer mehr junge Leute hier einziehen. Früher habe es eine Begrenzung gegeben, nur Senioren über 60 Jahre konnten einziehen. Auch Menschen, die schon mittags auf dem Gelände stehen und Alkohol konsumieren, würden mittlerweile zum Außenbild gehören. Weitere Vorfälle: Im Sommer wurde das Schloss der Eingangstür mit Kleber zugekleistert – dadurch konnte die Tür mehrere Wochen lang auch ohne Schlüssel geöffnet werden. Zudem hatte es Anfang August im Keller gebrannt. Ein Problem für das Sicherheitsgefühl der älteren Menschen.
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Auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigt Jochen Kamps, Geschäftsführer der Awo, beide Vorfälle und betont, dass die gesamte Schließanlage nach zwei Wochen wieder funktionsfähig gewesen sei. Die Polizei Oberhausen bestätigt ebenfalls den Brand im Keller. Dort sei es „zur Entzündung von Bekleidungsstücken gekommen“, die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen.
Miete für alle mit Wohnberechtigungsschein möglich
„Wir vermieten hier nur Wohnraum“, betont der Geschäftsführer. Um eine Wohnung im Haus beziehen zu können, sei lediglich ein Wohnberechtigungsschein (WBS) nötig. Eine Altersbegrenzung für den Sozialbau gibt es nicht. Auch zwei Waschmaschinen und zwei Trockner im Keller, die von den Bewohnern durch Münzeinwurf benutzt werden können, seien reiner zusätzlicher Service.
Die Hausmeisterin sei tatsächlich vor rund acht Jahren in Rente gegangen, bestätigt Kamps. „Diese hatte einen Vollzeitvertrag, stand aber 24/7 ehrenamtlich für die Anwohner parat.“ Seit ihrem Auszug sei in dieser und vier weiteren Awo-Häusern ein Hausmeisterservice im Einsatz, der zwei Mal pro Woche für acht Stunden im Haus alle anstehenden Arbeiten erledigt – damit sei auch die Meldepflicht nicht mehr zu stemmen gewesen und abgeschafft worden. Zudem gebe es mittlerweile den Hausnotruf, der von der Krankenkasse bezahlt werde, ergänzt Kamps. „Einiges ist durch technologische Entwicklungen überflüssig geworden.“
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Beim Thema Küche verweist Kamps darauf, dass zu wenig Anwohner das Essensangebot wahrgenommen hätten, bestätigt aber, dass dort früher mehr Kräfte gearbeitet hätten, darunter vor allem Menschen, die vom Jobcenter im Rahmen einer Arbeitsmaßnahme vermittelt worden seien.
Polizei bestätigt 30 Einsätze in diesem Jahr im Wohnkomplex
Nach Angaben der Polizei hat es allein in diesem Jahr „über 30 Einsätze an dieser Adresse“ gegeben. Insgesamt sind daraus zehn Strafanzeigen entstanden, unter anderem wegen Sachbeschädigungen, Betrug und Beleidigung. Dass vor dem Haus immer öfter auch Personen stehen, die sich schon tagsüber dem Alkoholkonsum widmen, ist den Verantwortlichen der Awo nicht bekannt. Da es zwischen Bero-Zentrum und Wohnhaus eine kleine Parkfläche gebe, könne es aber durchaus sein, dass sich Menschen auch auf das Awo-Gelände verirren.
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Die Müllanlage vor der Haustür soll umgebaut werden, um eine Überfüllung zu verhindern. Ein weiteres Problem für die Anwohner ist auch die Stufe vor den Müllcontainern. Mit Rollstuhl oder Rollator sei es schwierig, hoch zur Öffnung zu kommen. Ein Problem, das mit der neuen Anlage ebenfalls behoben werden soll. Von Rattenproblemen rund um den Eingangsbereich weiß die Awo laut eigener Aussage allerdings nichts. „Vor ein bis zwei Jahren mussten wir Rattenfallen aufstellen. Aktuell haben wir aber keine Meldungen.“
Für den wohl größten Sorgenpunkt der Anwohner, den Aufzug, wollen die Verantwortlichen bald Abhilfe schaffen. „Wir sind derzeit in der Planung, im nächsten Jahr einen neuen Aufzug einbauen zu lassen“, kündigt Jochen Kamps an. Dieser soll dann den gesamten Aufzugschacht ausfüllen, ohne Trennwand auskommen und mehr Platz für Rollstuhl- und Rollatorfahrer bieten. Eine gute Nachricht für Anwohner wie Ingrid Gebhardt. „Ich will, dass sich hier etwas tut. Ich habe immer gerne hier gewohnt und möchte nicht weg.“
Wohnen im Awo-Komplex
Um in einen Sozialbau wie den der Awo in Oberhausen am Förderturm einziehen zu können, ist die Vorlage eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) notwendig. Dieser belegt, dass eine Person unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegt und sich somit für eine Wohnung mit günstiger Miete eignet.Seit jeher gehört der Awo das Haus, alle Reparaturarbeiten und auch die Abnahme der Wohnungen ist laut Aussage der Geschäftsführung seit vielen Jahren Aufgabe der Sterkrader Wohnungsgenossenschaft. Die Awo führt allerdings noch immer die ersten Gespräche mit potenziellen Mietern um zu analysieren, ob sie gut in das Haus am Förderturm 6 passen.