Oberhausen. Familie Habibi ist mitten in der Nacht nach Kroatien abgeschoben worden. Menschen, die die Familie kennen, berichten, wie es ihr heute geht.
Fast ein Monat ist vergangen, seit eine afghanische Familie aus Oberhausen mitten in der Nacht nach Kroatien abgeschoben worden ist. Und noch immer sind die, die Familie Habibi kannten, fassungslos. „Wir sind am Boden zerstört“, sagt Jolanda Kuci vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Oberhausen.
Besonders gut kennt Kuci das älteste Kind aus der fünfköpfigen Familie: Tuba. Seit ihrer Ankunft in Oberhausen Ende 2019 hat sie an mehreren Kunstprojekten des DRK teilgenommen, die Jolanda Kuci betreut hat. Dort habe Tuba immer wieder ihre Flucht-Geschichte erzählt: von Schleppern, die sie bezahlen mussten, von Verstecken im Wald, vom Tod der Mutter. Eine Geschichte, die auch die Mitarbeitenden zum Weinen gebracht hat.
Das Trauma und den Tod der Mutter verarbeiten
Das künstlerische Arbeiten habe Tuba sichtlich geholfen, ihr Trauma und den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten, die auf der Flucht in Kroatien gestorben war. Mit der Zeit habe das Mädchen wieder „angefangen zu leben“. Sie sei bei allen sehr beliebt gewesen, Kindern wie Erwachsenen, sie habe „ein großes Herz“, sagt Kuci. Außerdem sei Tuba künstlerisch begabt. „Wir wollten sie unbedingt unterstützen.“
Als gerade einmal Zehnjährige war Tuba „eine Mutter für alle“. Sie habe ihren Vater und ihre drei Geschwister unterstützt, Wäsche gewaschen, gekocht und war für viele eine Übersetzerin. Noch kurz vor der Abschiebung kümmerte sich das Kind darum, dass der Vater einen neuen Ausweis erhält, da er seinen verloren hatte. Jolanda Kuci half beim Kontakt mit der Ausländerbehörde.
Unterkunft in Kroatien in „desolatem Zustand“
Am 30. November 2021 sollte der neue Ausweis da sein. Abholen konnte der Vater ihn nicht mehr. Familie Habibi war in der Nacht vom 28. auf den 29. November aus der Geflüchtetenunterkunft an der Bahnstraße in Oberhausen abgeholt und nach Kroatien „überstellt“ worden. So nennt man formal diese Form der Abschiebung. Was Kuci besonders tragisch findet: Die Familie musste ausgerechnet dorthin zurück, wo sie die Mutter für immer verloren hat. Dort hatte der Vater noch vor der Einreise nach Deutschland einen Asylantrag gestellt. Gemäß Dublin-Abkommen ist also Kroatien für das Asylverfahren der Habibis zuständig.
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Seit ein paar Wochen leben der Vater und seine vier Kinder nun also in Zagreb in einem Zimmer, das in „ziemlich desolatem Zustand“ sei, heißt es aus Kreisen der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter aus Oberhausen, die die Familie im Laufe der vergangenen zwei Jahre kennengelernt haben. Es gebe „keine ausreichende medizinische Versorgung“, oftmals werde die Familie einfach weggeschickt.
Kinder machen sich Sorgen um ihre Fehltage in der Schule
Der Vater müsse aber behandelt werden. Er habe Kopfschmerzen, könne sich schlecht bewegen. „Dekompensation“, vermutet unsere Gesprächspartnerin. Davon spricht man, wenn der Körper oder die Psyche eine übermäßige Belastung nicht bewältigen können. Doch die Therapien, die Familie Habibi in Deutschland begonnen habe, könne sie jetzt nicht mehr fortführen.
Familie Habibi sei verzweifelt, klammere sich „an jeden Strohhalm“. Die größte Sorge der Kinder: ihre Fehltage in der Schule. Auch Jolanda Kuci berichtet, dass die Kinder sich regelmäßig melden und große Hoffnung haben, bald zurückkommen zu dürfen. „Sie hätten hier eine Zukunft haben können“, sagt Projektleiterin Kuci. „Gesetz ist Gesetz, aber es sind Fehler passiert.“
Kuci wünscht sich, dass Familie Habibi zurück nach Oberhausen kommen darf. Damit Tuba, die kurz vor Weihnachten ihren Geburtstag in Kroatien feiern musste, ihn das nächste Mal mit ihren Freunden verbringen kann.