Oberhausen. Behörden in Oberhausen haben einen alleinerziehenden Vater und seine vier Kinder nachts geweckt und abgeschoben. So reagiert die Politik.

Die nächtliche Abschiebung eines alleinerziehenden Vaters mit seinen vier Kindern sorgte im Oberhausener Rat am Montagnachmittag für eine emotionale Debatte. Während Oberhausens Dezernent Michael Jehn, zuständig unter anderem für den Bereich öffentliche Ordnung, den Vorfall für Beobachter glaubhaft bedauerte und einen Fehler der Ausländerbehörde eingestand, sorgte die AfD für große Empörung.

Doch von vorn: Die Aktuelle Stunde in der letzten Ratssitzung des Jahres am Montag, 13. Dezember, hatten die Fraktionen der Linken und Grünen beantragt. Auslöser war die Abschiebung der afghanischen Familie in der Nacht auf Montag, 29. November 2021. Gegen vier Uhr am Morgen wurde die Familie ohne Ankündigung aus der Flüchtlingsunterkunft an der Bahnstraße geholt, um sie dann über Stuttgart nach Kroatien abzuschieben. Dort hatte die Familie, damals im Oktober 2019 noch zu sechst, zum ersten Mal EU-Boden betreten. Laut Dubliner Abkommen muss der Asylantrag dort gestellt werden. Die Mutter der vier Kinder war noch während der Flucht in Kroatien verstorben.

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Dass Familien mit Kindern nachts aus dem Schlaf gerissen werden, um diese dann abzuschieben, sollte es in Oberhausen nach einer Vereinbarung von Stadtverwaltung und Stadtrat tatsächlich gar nicht mehr geben. Und so räumte auch Michael Jehn im Namen des Rathauses ein: „Das war ein Fehler.“ Bei der Planung der Abschiebung sei lediglich der bloße Zeitaufwand berechnet worden: Die Familie musste früh aufbrechen, da sie zunächst nach Koblenz für einen PCR-Test und dann nach Stuttgart musste, um von dort ins Flugzeug Richtung Kroatien gesetzt zu werden.

Ordnungsdezernent der Stadt Oberhausen: Ein solcher Vorfall darf sich nicht wiederholen

Jehn versicherte, den Vorfall nun aufzuarbeiten. Dafür werde er auch persönlich mit den Verantwortlichen sprechen. Ein solcher Vorfall solle sich nicht wiederholen.

Das forderte auch die SPD in der Debatte des Rates, der am Montag im Saal Berlin der Luise-Albertz-Halle tagte. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Silke Jacobs sprach von einem „humanitären Desaster“. Auch die Abschiebung als solche bezeichnete sie als „unzumutbar“. In ein Land, das Flüchtlinge an den Grenzen mit Warnschüssen und Gummiknüppel zurückdrängt, dürfe man nicht abschieben.

Für große Empörung sorgte Jörg Lange, der im direkten Anschluss für die AfD das Wort ergriff: „Was soll bitte daran schlimm sein, als Asylbewerber in ein Urlaubsland abgeschoben zu werden?“ Die nächtliche Abschiebung des Vaters und seiner Kinder sehe die AfD als sinnvolle Maßnahme an.

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Sichtlich fassungslos reagierte Linken-Fraktionschef Yusuf Karacelik auf die Äußerungen Langes, die Karacelik als „menschenfeindlich“ bezeichnete. Er appellierte erneut an den Rat, „diesem rechten Hass keinen Raum zu bieten.“ Zuvor hatte bereits seine Parteikollegin Heike Hansen die Abschiebung als „unsozial“ und „inhuman“ kritisiert. Der Ausländerbehörde warf sie „Unfähigkeit“ vor.

Neben dem humanitären Aspekt warfen die Grünen zudem die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Abschiebung auf. Parteisprecherin Louisa Baumann legte dar, dass die Familie ihren Anwalt nicht mehr kontaktieren konnte. Sie warf auch die Frage auf, ob im Asylverfahren überhaupt alle nötigen Fristen eingehalten wurden. „Wir fordern daher die sofortige Rückholung der Familie nach Oberhausen.“

Das Dublin-Abkommen

Laut dem Dublin-Abkommen müssen Flüchtlinge in dem Land einen Asylantrag stellen, in dem sie erstmals die Europäische Union betreten haben. Im Fall der afghanischen Familie, die nun aus Oberhausen abgeschoben wurde, ist dies Kroatien.

Das Abkommen legt fest, dass immer nur ein EU-Staat für ein Asylverfahren zuständig ist. Damit soll vermieden werden, dass Asylsuchende nicht gleichzeitig oder nacheinander in mehreren Ländern Asylanträge stellen. Seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 wächst die Kritik an diesem Verfahren.

Doch dem widersprach Dezernent Michael Jehn. Die Stadt habe alle Informationen vom zuständigen Bundesamt für Migration erhalten. Und nach den Aussagen dieser Fachbeamten sei die Abschiebung rechtmäßig gewesen. Die Familie sei zudem mehrfach auf die anstehende Abschiebung hingewiesen worden.

Dem Vorwurf der Linken, es komme in Oberhausen zur Zeit zu vermehrten Abschiebungen, konterte Jehn mit aktuellen Zahlen: Im laufenden Jahr 2021 sind demnach 46 Menschen abgeschoben worden. 2018 waren es noch 129 Personen, im Jahr 2019 dann 50, im Jahr 2020 insgesamt 30. Für diesen Rückgang hatte die Corona-Pandemie gesorgt: Abschiebungen wurden zeitweise ausgesetzt.