Oberhausen. Wirtschaftlich sollte sich Oberhausen nicht nur als Freizeit- und Tourismus-Standort vermarkten, meint der neue Wirtschaftsförderer der Stadt.
Oberhausen ist in der Region und bundesweit nicht nur durch die ständigen Hinweise auf Autobahn-Staus Richtung Oberhausen bekannt, sondern vor allem auch durch das große Einkaufs- und Unterhaltungs-Center Centro und die überdurchschnittlich rege kreative Kultur- und Entertainment-Szene. Ein attraktives Städtetourismusziel mit einer halben Million Übernachtungen im Jahr – vor der Pandemie.
Doch einen echten Ruf als attraktiven Wirtschaftsstandort in Nordrhein-Westfalen mit einem besonderen Profil hat Oberhausen nicht aufzuweisen: Die Zeit der Wiege der Ruhrindustrie ist lange vorbei – wie sieht der neue Zukunfts-Mehrwert der Stadt aus? Die Stadt der Turbine (MAN)? Die Stadt der Energie? Die Stadt der innovativen Wasserstoff-Produktion? Die Stadt der Logistik? Nun ja, so richtig überzeugend wirken auf Fachleute all diese möglichen Markenzeichen für Oberhausen nicht. Auch von Wasserstoff reden derzeit so viele und wollen die neue Energie in der Praxis umsetzen, dass hier die Stadt kein Alleinstellungsmerkmal hätte.
Was hat Oberhausen Besonderes zu bieten?
Der neue Wirtschaftförderer Oberhausens, der frühere Geschäftsführer der IHK Niederrhein, Michael Rüscher, hat sich in den Monaten seit seinem Dienstantritt im Sommer Gedanken dazu gemacht, was Oberhausen ganz Besonderes wirtschaftlich bietet. Und kommt zu einem für so manchen Oberhausener sicherlich überraschenden Ergebnis: „Wir sind die Stadt des nachhaltigen innovativen Bauens. Wir sind gut im Bauen.“
Nach seiner Analyse hat Oberhausen für die seit Jahren stark wachsende Bau- und Immobilienbranche viel zu bieten: Zahlreiche Handwerksbetriebe, mehrere Bauunternehmer, Architektenbüros, das NRW-Ausbildungszentrum der Bauindustrie, die Verbände der NRW-Gartenbaubranche – und das Fraunhofer Institut, das wissenschaftlich und praxisnah zugleich umwelt- und energiefreundliche Materialien entwickelt wie untersucht. Zudem plant Oberhausen ein großes innovatives Wohngebiet auf dem hinteren Teil des früheren Stahlwerksgeländes am Mühlenbach.
Rüscher: Oberhausen reizvoller als Düsseldorf
Der 45-jährige Michael Rüscher ist zwar gebürtiger Sauerländer und lebt mit seiner Familie im westfälischen Dortmund, er hat aber beruflich seit 15 Jahren im Rheinland seine Heimat gefunden: Erst bei der IHK Düsseldorf, dann seit 2011 als einer der Geschäftsführer der Niederrheinischen IHK in Duisburg. Dort entwickelte er maßgeblich den Wirtschafts-Masterplan für Duisburg mit, betreute Unternehmen von Kleve bis Wesel.
Mehrere Gründe sprachen für den Wechsel nach Oberhausen. „Ich wollte vorne am Ruder stehen, ich wollte nicht nur Ideen entwickeln, sondern auch vieles selbst praktisch umsetzen. Oberhausen erlebt in den vergangenen Jahren eine dynamische Entwicklung und ist ebenso eine Herausforderung: Für mich ist die Stadt deshalb reizvoller als Düsseldorf, wo man aus dem Vollen schöpfen kann“, meint Rüscher.
Ein zentrales Projekt ist für den studierten Wirtschafts- und Stadtgeografen (Humboldt-Universität, Berlin) ist das Management der raren Gewerbe- und Industrieflächen in Oberhausen. „Wir haben eine sehr rege Nachfrage von Investoren, von Unternehmen – doch die wollen Flächen erwerben, nicht mieten. Doch kaum einer will in der jetzigen Finanzlage Grundstücke verkaufen“, beobachtet Rüscher.
Für ihn bedeutet Wirtschaftsförderung auch Stadtentwicklung. „Wir sind nicht nur für Unternehmen da, sondern für alle Bürger – und die müssen bei Projekten mitgenommen werden.“ Ehrliche transparente Informationen, frühe und intensive Bürgerbeteiligung. „Wir müssen um Akzeptanz von Gewerbeprojekten werben: Ja, da gibt es auch Lärm und Dreck, aber dagegen machen wir etwas und dafür bekommt die Bevölkerung auch was.“
Die großen Imageprobleme des Ruhrgebiets – und von Oberhausen
Als erstes sollen nun Flächen analysiert, beschrieben und definiert werden: Wo will die Stadt Industrie ansiedeln, wo welches Gewerbe, wo Handel und Logistik. Zentral ist für den studierten Wirtschafts- und Stadtgeografen, bei der Ansiedlung und Förderung von Unternehmen auf einen Branchenmix zu setzen – um gehäufte Risiken durch Monopolstrukturen bei einem Wirtschaftswandel zu meiden. Er will versuchen, aus der Region Unternehmen nach Oberhausen zu holen, denen dort der Platz für ihr Wachstum fehlt.
Ein Problem, hochwertige Arbeitsplätze nach Oberhausen zu bekommen, sieht er im Image des Ruhrgebiets in weiten Teilen der Bundesrepublik. „Investoren siedeln sich hier oft nur deshalb nicht an, weil die entsprechenden qualifizierten Arbeitsplätze nicht zur Verfügung stehen. So hat Edeka schon Probleme, 20 Elektriker-Stellen zu besetzen.“ Das Ruhrgebiet bilde zwar mit seiner reichhaltigen Hochschullandschaft zahlreiche junge Leute qualifiziert aus, doch zu viele ziehen dann weg – ein großer Verlust an Geistes- und Tatkraft. „Hamburg, München oder Berlin haben da bessere Karten als das Ruhrgebiet, das bei vielen als weniger lebenswerte Region gilt.“