Oberhausen. Die Corona-Pandemie trifft vor allem Jugendliche massiv, beobachten Wohlfahrtsverbände. Ihre berufliche Zukunft ist in Gefahr.

Tief besorgt über die Situation von Schulabgängern in diesem Jahr äußern sich Fachleute der Oberhausener Wohlfahrtsverbände. Denn die Corona-Pandemie raubt nach Ansicht der Sozialexperten vielen Jugendlichen die beruflichen Zukunftschancen.

Nach der neuesten Arbeitsmarktanalyse der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW (LAG FW) steigt die Zahl der Jugendlichen, die nach der Schule ohne Ausbildungsplatz oder Anschlussqualifizierung dastehen, in der Corona-Krise massiv an. Gleichzeitig sinkt auch die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze – eine gefährliche Entwicklung. „Wir dürfen in der Corona-Krise die jungen Menschen im Übergang von der Schule in den Beruf nicht übersehen“, warnt Uwe Beier, Sprecher des Themenbereichs Arbeitsmarktpolitik der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände Oberhausen.

Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um eine Lehrstelle stark zurückgegangen

Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz ist nach der Statistik der Oberhausener Arbeitsagentur in der Corona-Pandemie stark zurückgegangen. 2020/2021 gab es nur noch 1700 Bewerber um einen Ausbildungsplatz (2018/2019: 1859). Da ist ein Minus von über 8,5 Prozent. Ein wichtiger Grund sind nach Auffassung der Wohlfahrtsverbände die beschränkten Zugangswege zur Berufsberatung in der Corona-Krise: Berufsorientierungsstunden waren meist nicht möglich. Dadurch stünden Schüler in Abgangsklassen in einer für sie ohnehin extrem belastenden Situation ohne Ansprechpartner da.

Uwe Beier, Sprecher des Themenbereichs Arbeitsmarktpolitik der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände Oberhausen und Geschäftsführer des „Zentrums für Ausbildung und berufliche Qualifikation“ (ZAQ).
Uwe Beier, Sprecher des Themenbereichs Arbeitsmarktpolitik der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände Oberhausen und Geschäftsführer des „Zentrums für Ausbildung und berufliche Qualifikation“ (ZAQ). © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

„Jobcenter und Arbeitsagenturen waren und sind vielerorts schwer erreichbar“, beobachtet Uwe Beier, Geschäftsführer des „Zentrums für Ausbildung und berufliche Qualifikation“ (ZAQ). „Am Ende tauchen dann auch die Jugendlichen ab und melden sich gar nicht erst ausbildungssuchend.“ Damit junge Menschen nicht schon beim Start ins Berufsleben verloren gehen, müsse die verlässliche Begleitung am Übergang von der Schule in den Beruf unbedingt verbindlich und engagiert wieder aufgenommen werden, fordern die Wohlfahrtsverbände.

Industrie und Handwerk müssen nach Ansicht der Wohlfahrtsverbände aber auch für mehr Ausbildungsplätze sorgen. So erhalte in Oberhausen noch nicht einmal rein rechnerisch jeder Bewerber eine Stelle, in der Praxis brauche man eigentlich sogar einen Angebotsüberhang von 12,5 Prozent an Ausbildungsstellen. So gab es im Ausbildungsjahr 2020/2021 in Oberhausen exakt 1240 gemeldete Ausbildungsplätze (2018/2019: 1397), also im Durchschnitt 0,73 gemeldete Stellen je Bewerber. Das ist ein Rückgang von 11,2 Prozent im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr.

218 unversorgte Jugendliche bei der Oberhausener Arbeitsagentur gemeldet

Der Arbeitslosenreport NRW der Wohlfahrtsverbände zeigt auch, dass am Ende des Ausbildungsjahres 2020/21 sehr oft Bewerber ohne Schulabschluss sowie junge Menschen mit Schwerbehinderung oder ausländischer Staatsangehörigkeit zu denjenigen gehören, deren Situation besonders prekär ist. Ohne Ausbildungsplatz, ohne Fördermaßnahme, ohne weiteren Schulbesuch und ohne Arbeitsplatz gelten sie als „unversorgt“. Ihre Zahl liegt nach der Statistik der Bundesagentur in Oberhausen bei 218. Diese jungen Menschen dürften nicht als „Generation Corona“ ins Abseits geraten, fordert Uwe Beier.

Mehr Hilfen für Jugendliche gefordert

Der Sprecher des Themenschwerpunkts Arbeitsmarktpolitik der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände, Uwe Beier, fordert mehr Hilfen für beruflich orientierungslose Jugendliche in Oberhausen.

„218 junge Menschen in Oberhausen, die am Ende eines Ausbildungsjahres als Unversorgte dastehen, ohne schulische oder berufliche Perspektive – das sind 218 junge Menschen zu viel! Um sie zu erreichen, brauchen wir jetzt deutlich mehr aufsuchende Angebote, auch in neuen und ungewöhnlichen Kooperationen, etwa mit Vereinen, offenen Treffs und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe“, schlägt der Geschäftsführer des „Zentrums für Ausbildung und berufliche Qualifikation“ (ZAQ) vor.