Traumschön bis gespenstisch gut: Kate Bush zeigt, wie Kunst klingt, wenn man sich nicht als Jukebox ausbeuten lässt.
Kate Bush ist Künstlerin. Und klug genug, sich nicht als Jukebox der eigenen Hits ausbeuten zu lassen. Folglich kann ihr erstes Live-Album, das die gefeierten Comeback-Auftritte vor zwei Jahren in London dokumentiert, auch kein Absingen einer „Best-of“-Sammlung sein. „Before The Dawn“ ist stattdessen ein Bühnenwerk in drei Akten, das weniger Marktgesetzen als einem selbstbewussten Kunstwillen gehorcht. Die Anhänger der Klangmagierin (58) wissen es zu würdigen.
Während der erste Akt mit dem zeitlosen „Running Up That Hill“ noch am ehesten der klassischen Vorstellung von einer Live-Platte entspricht, folgt mit dem zweiten Akt „The Ninth Wave“ die Kür: Bush interpretiert die B-Seite ihres Erfolgsalbums „Hounds of Love“ (1985) als musikalisches Hörspiel. Im Zentrum steht, oder besser: treibt eine Schiffbrüchige in ihrem einsamen Kampf gegen Müdigkeit (traumschön: „And Dream of Sheep“) und Kälte (gespenstisch: „Under Ice“). Die Gänsehaut hält bis zum auf Deutsch gehauchten „Tiefer, tiefer – irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht“.
Magie aus Naturmystik
Der letzte Akt, wiederum größtenteils einem einzigen Album („Aerial“, 2005) entlehnt, zieht seine Magie aus Naturmystik: Vogelgezwitscher und die ewig elfenhafte Stimme der Bush treten in einen Dialog, der den Zauber eines goldenen Sommerabends („A Sky Of Honey“) in Töne kleidet. Was bei jedem anderen Künstler unweigerlich in einer Kitschsoße ertrinken würde, hat hier reihenweise erhebende Momente – Kate Bush verleiht den Songs Flügel.
Seit der ersten und einzigen Tournee von Kate Bush anno 1979 hat die Musikwelt lange auf dieses Live-Werk warten müssen. Enttäuscht kann von dem klangprächtigen „Before The Dawn“ jetzt nur sein, wer die gute Musikfee aus England schlicht für eine Sängerin oder gar einen Pop-Star hält.