Oberhausen. Lore ist 84 und kennt die Straßen in Oberhausen wie ihre Westentasche. Warum sich die Seniorin trotzdem für ein Fahrtraining entschieden hat.

Lore (84) fährt in ihrem grauen Mercedes C-Klasse vor das evangelische Gemeindehaus im Oberhausener Stadtteil Schmachtendorf vor. Von hier aus startet ihr einstündiges Fahrtraining. Denn die Seniorin, die ihren Nachnamen nicht öffentlich machen will, möchte wissen, wie fahrtüchtig sie im fortgeschrittenen Alter noch ist.

„Ich habe im Bekanntenkreis immer wieder mitbekommen, wie jüngere Leute ihre Eltern darum gebeten haben, das Auto doch langsam mal stehenzulassen“, sagt Lore. „Da wollte ich wissen, wie gut meine eigenen Reflexe beim Fahren noch sind.“ Das kostenlose Fahrtraining macht die Oberhausenerin bei der Verkehrswacht in Oberhausen nun schon zum zweiten Mal. „Denn ich möchte in diesem Jahr noch nach Süddeutschland zu meinem Sohn reisen.“

Fahrtraining gegen eine Spende

Gegen eine Spende bietet die Verkehrswacht das Training für Ältere an. „In der Bevölkerung herrscht häufig der Gedanke vor, dass Menschen ab 70 kein Auto mehr fahren können und am besten den Führerschein abgeben sollten“, beobachtet Verkehrswächter Willi Taubner. „Wir sind allerdings der Meinung: Die Menschen sollen, so lange wie es ihnen gesundheitlich möglich ist, Auto fahren.“ Denn gutes oder schlechtes Autofahren sei keine Frage des Alters.

Lore macht ein Fahrtraining für Ältere bei Fahrlehrer Karl van Uem (3. von links) von der Verkehrswacht. Mit im Bild: Willi Taubner (Verkehrswacht, ganz rechts) und Travis Halus von der Polizei (2. von links).
Lore macht ein Fahrtraining für Ältere bei Fahrlehrer Karl van Uem (3. von links) von der Verkehrswacht. Mit im Bild: Willi Taubner (Verkehrswacht, ganz rechts) und Travis Halus von der Polizei (2. von links). © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Allerdings rät er Seniorinnen und Senioren, das Auto regelmäßig zu benutzen. „Das gibt Routine,“ sagt der 66-jährige ehemalige Polizist, der die Senioren-Fahrstunden ehrenamtlich begleitet. „Wir freuen uns sehr, dass unsere Probanden den Mut fassen, sich von uns überprüfen zu lassen.“

„Ich teste das volle Programm“

Lore wurde von Fahrlehrer Karl van Uem geprüft. Er ist selbst schon 82 Jahre alt und gibt die Fahrstunden ehrenamtlich. „Denn auch heute noch möchte ich etwas zur Verkehrssicherheit auf Deutschlands Straßen beitragen.“ In seinen Fahrstunden müssen die Senioren durch die Stadt und über die Autobahn fahren. Außerdem werden eine Vollbremsung und das Fahren in verkehrsberuhigten Bereichen abgefragt. „Es ist das gleiche wie bei einer Fahrprüfung“, sagt van Uem. „Ich teste das volle Programm.“

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Von seinen bereits über 80 Probanden habe er in zwei Fällen dazu geraten, noch mal extra Fahrstunden zu nehmen, erzählt van Uem. In einigen Fällen rate er auch dazu, einen Arzt aufzusuchen, „beispielsweise wenn die Augen oder Ohren schlecht sind oder die Person nicht schnell genug reagieren kann“. Die häufigsten Fehler seien zu schnelles Fahren gerade auf Spielstraßen, wo Schrittgeschwindigkeit gelte.

Auf den Straßen der Welt zu Hause

Mit Autofahrerin Lore sind Verkehrswächter Taubner und Fahrlehrer van Uem äußerst zufrieden. „Sie hat einen forschen Reifen und fährt wirklich zügig“, beobachtet Taubner. Da könne sich so manch junger Fahrer eine Scheibe von abschneiden. Kein Wunder, die Seniorin ist schließlich schon weltweit auf den Straßen unterwegs gewesen – London, Paris, Barcelona und Los Angeles sind nur ein paar Beispiele. Dort hat sie Freunde besucht, Urlaub gemacht oder gearbeitet.

Wichtige Infos rund ums Fahrtraining für Senioren

Das Fahrtraining absolviert jeder Proband und jede Probandin im eigenen Auto. Wie hoch der Spendenbetrag für die Fahrstunde ist, liegt im eigenen Ermessen. Laut der Verkehrswacht spendeten die Prüflinge bislang zwischen zehn und 50 Euro an die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Verkehrswacht.

Nach der Fahrstunde erhalten die Teilnehmenden eine Urkunde und einen Bogen, auf dem Anmerkungen vom Fahrlehrer bezüglich des Fahrverhaltens hinterlegt sind. Seniorinnen und Senioren, die sich gerne prüfen lassen möchten, können sich telefonisch unter 015754468059 oder per Mail unter melden.

Heute fährt sie mit ihrem Flitzer zum Einkaufen oder besucht ihre Kinder, die in Deutschland verteilt leben. „Ich bin ein umweltbewusster Mensch, deshalb sehe ich es zwiespältig, das Auto zu benutzen“, räumt Lore ein. „Aber gerade wenn man alt geworden ist, ist Autofahren die absolute Unabhängigkeit.“ Und nach ihrem Fahrtraining fühlt sie sich sicher und wohl damit, weiter zu fahren.

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