Oberhausen. Überraschender Beschluss der Stadtsparkasse Oberhausen: Ihre Kunden erhalten die Mehrkosten der jüngsten Kontogebührenerhöhung von April zurück.
Eine Million Euro zahlt die Stadtsparkasse Oberhausen an ihre knapp 100.000 privaten Kontoinhaber zurück – das ist die gesamte Mehreinnahme dieses Jahres durch die seit 1. April 2021 berechnete Erhöhung der Kontoführungsgebühren. Pauschal erhält jeder Kunde automatisch zwischen neun und 100 Euro auf seinem Sparkassen-Girokonto erstattet – spätestens im Dezember dieses Jahres. Dafür ist weder ein Antrag noch ein schriftlicher Widerspruch notwendig – die Gutschrift erfolgt unaufgefordert.
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Diese überraschende Entscheidung hat der zweiköpfige Sparkassen-Vorstand Oliver Mebus und Thomas Gäng nach einiger Überlegung mit Juristen getroffen.
Hintergrund ist ein für die Finanzszene in Deutschland spektakuläres Urteil des Bundesgerichtshofes von April 2021. Danach dürfen die Banken und Sparkassen nicht mehr so wie in früheren Jahrzehnten von einem automatischen Einverständnis ihrer Kundinnen und Kunden ausgehen, wenn sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ändern und dies als Hinweis zugestellt wurde. Wer nicht ausdrücklich widersprach, für den galten bisher die Vertragsänderungen, darunter auch Preiserhöhungen für Konten, Depots oder Tresorfächer.
Ende April 2021 hatte allerdings der Bundesgerichtshof diese bequeme Methode der Finanzbranche aufgrund einer Klage der Verbraucherzentralen für unrechtmäßig und nicht mehr gültig erklärt – sogar rückwirkend für alle Änderungen von Geschäftsbedingungen der Geldinstitute mindestens seit 1. Januar 2018 (Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.04.2021, Aktenzeichen: XI ZR 26/20).
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Nun hatte die Oberhausener Sparkasse bereits vor diesem Urteil die Verteuerung all ihrer Kontomodelle im Januar 2021 angekündigt und im April vollzogen – nach bisher bewährter Methode: Schweigen bedeutet Zustimmung. Da das höchstrichterliche Urteil zu einem Fall der Postbank naturgemäß viele Fragen offen ließ, beugten sich Sparkassen-Juristen wochenlang über den Richter-Spruch: Welche Folgen hat der für die Praxis hier vor Ort?
Die Sparkasse Oberhausen interpretiert das BGH-Urteil so, dass alle Kunden unabhängig von der Dauer ihrer Sparkassen-Zugehörigkeit ausdrücklich der aktuellen rechtlichen Grundlage der Geschäftsbeziehung, also den jetzt geltenden AGB-Paragrafen und Preislisten, aktiv zustimmen müssen. Und dass jeder Kunde nach pauschaler Rechnung gemäß seinem individuellen Kontomodell die mehr gezahlten Kontopreise von April bis Dezember 2021 zurückerhält – egal, ob er nach dem BGH-Urteil einen Antrag auf Rückerstattung gestellt hat. Bisher hatten sich nur 800 Kunden zu dem Urteil zurückgemeldet – und Geld zurückverlangt.
Damit hat sich der Vorstand nach eigener Einschätzung für eine großzügige Lösung entschieden. „Wir handeln in diesem Fall durchaus anders als andere Geldinstitute. Aber wir legen großen Wert auf Fairness und Kundenorientierung“, begründet Sparkassen-Chef Oliver Mebus den Beschluss.
Sein Vize Thomas Gäng sieht hier die besondere Stellung der Sparkasse in der Finanzbranche ausschlaggebend. „Wir erstatten unseren gesamten Mehrertrag durch die Kontogebührenerhöhung. Denn wir wollen deutlich machen, dass wir ein faires Haus sind. Und das zeigen wir auch durch unsere Taten.“ Doch der Verlust von einer Million Euro an Einnahmen schmerzt gerade in Zeiten von Niedrigzins und Corona-Wirtschaftskrisen enorm. Beide betonen, dass die Richter in ihrem Urteil nicht über die angemessene Höhe von Kontopreisen oder den Inhalt der Geschäftsbedingungen entschieden haben – sondern nur über das gewählte Verfahren.
Von außen kann man den Aufwand der „Operation Zustimmung AGB“ leicht unterschätzen: Sind nicht die Kunden schnell mal über die notwendige Zustimmung per Internet und Online-Banking informiert? Tatsächlich ist die Hälfte der privaten Sparkassen-Kunden per Sparkassen-App oder Mail noch erreichbar, die andere Hälfte ist allerdings vor allem analog unterwegs.
Was passiert bei verweigerter Unterschrift?
Was passiert eigentlich, wenn Kunden der Sparkasse Oberhausen den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht zustimmen? „Wir wollen keinen Kunden verlieren, sondern wir suchen mit diesen Kunden dann das Gespräch“, sagt Sparkassen-Vorstandschef Oliver Mebus. Nach früheren Erfahrungen bestehe bei vielen in solchen Fällen oft Unklarheit über die Gründe, die Informationen seien verloren gegangen oder die Kunden verstünden die recht juristischen Schreiben nicht.
Aber tatsächlich gilt für die hartnäckigen Verweigerer: „Am Ende kann das dazu führen, dass wir getrennte Wege gehen. Doch jeder benötigt heutzutage ja ein Konto – und bei einem anderen Institut muss man den AGB auf jeden Fall auch zustimmen.“
Sie werden ab Mittwoch (27. Oktober) per zweiseitigem Brief mit fünfseitigem Auszug der Geschäftsbedingungen um aktive Zustimmung gebeten. Das sind knapp 50.000 dickere Briefe. Eigentlich haben alle Bedingungen der Sparkasse sogar einen Umfang von stattlichen 130 Seiten. Doch so viel Papier will die Sparkassen-Spitze nicht verschwenden: Die Unterlagen sind für Interessierte komplett in jeder Filiale abholbar – und natürlich online einsehbar.
Selbstgestecktes Ziel: Ein großer Teil der Zustimmungserklärungen sollen bis Ende des Jahres bei der Sparkasse eintrudeln. Unter den Online-Kunden ist es bereits gelungen, 24.000 Zustimmungen einzusammeln.