Oberhausen. Bundesrichter haben die übliche Banken-Praxis bei Vertragsänderungen kassiert. Nun könnten Kunden Kontogebühren-Erhöhungen zurückfordern.

Seit vielen Jahrzehnten haben Banken und Sparkassen unangenehme Regelungen für Kunden, meistens Verteuerungen von Kontoführung oder Wertpapierdepots oder Verlängerungen von Kündigungsfristen, relativ locker gehandhabt: Die Verbraucher wurden zwei Monate vor der Preiserhöhung auf dem Kontoauszug informiert, dass sich mal wieder die Geschäftsbedingungen ändern – und schon traten die neuen Regelungen in Kraft. Und zwar immer dann, wenn sich die Kunden zu den neuen Bedingungen nicht äußerten. Wer nicht ausdrücklich widersprach, für den galten die Preiserhöhungen.

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Auch die Stadtsparkasse Oberhausen hat neue Geschäftsbedingungen mit dieser einfachen Methode durchgesetzt. Das Schweigen der Kunden hieß automatisch Ja zu Neuregelungen, auch wenn diese negativ für sie sind. Das klappte auch bei der jüngsten deutlichen Preiserhöhungen für alle Kontomodelle – im Januar angekündigt, schlug die Preiserhöhung ab April für alle Kunden durch.

Bundesgerichtshof hält gängige Regelung für unfair

Ende April 2021 hatte allerdings der Bundesgerichtshof diese bequeme Methode bei der Postbank auf Klage der Verbraucherzentralen für unrechtmäßig und nicht mehr gültig erklärt – rückwirkend für alle Änderungen von Geschäftsbedingungen der Geldinstitute seit 1. Januar 2018 (Bundes­gerichts­hof, Urteil vom 27.04.2021, Aktenzeichen: XI ZR 26/20). Preiserhöhungen sind nach Einschätzung der Verbraucherzentralen aufgrund des Urteils unwirksam – und können zurückgefordert werden. Schweigen ist nach Ansicht der Bundesrichter eben keine Zustimmung, dies sei bei negativen Folgen für Kunden unfair. „Die Klausel läuft (...) auf eine einseitige, inhalt­lich nicht einge­grenzte Änderungs­befugnis (...) hinaus“, heißt es in der Urteils­begründung.

Sollten alle Kunden nun plötzlich sämtliche Gebühren-Aufschläge der vergangenen drei Jahre zurückfordern, würde das recht teuer werden für die Banken und Sparkassen. Die Bundes­anstalt für Finanz­dienst­leistungs­aufsicht (Bafin) vermutet: Das kostet die Branche die Hälfte des Jahres­über­schusses.

Schweigen bedeutet kein Ja mehr

Dass sich die Bankkaufleute der Stadtsparkasse Oberhausen nicht gerade über das neue Urteil des Bundesgerichtshofes freuen, ist klar – nicht nur wegen der möglicherweise drohenden Rückzahlung. Das Urteil, Schweigen bedeutet kein Ja, kompliziert die Abläufe im Finanzwesen.

Die Stadtsparkasse weist nach der Anfrage der Redaktion ausdrücklich daraufhin: „In langfristigen Geschäftsbeziehungen kommt es auch in Zukunft zwangsläufig zu Veränderungen. Eine einfache Anpassungsmöglichkeit der Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) war daher immer im Interesse beider Seiten.“ Die Sparkasse werde selbstverständlich das Urteil des BGH umsetzen, dass künftig Kunden wesentlichen Vertragsänderungen zustimmen müssen. „Wir werden dies unseren Kunden aber so einfach wie möglich machen“, verspricht das Institut.

Nun hat der Oberhausener Sparkassen-Vorstand all seine Kunden auf den Kontoauszügen darauf hingewiesen, wie er gedenkt mit dem Urteil umzugehen. Zwar sei das Urteil nicht direkt auf die Sparkassenbedingungen gemünzt, dennoch werde die Sparkasse selbst sich nicht mehr auf die entsprechenden Klauseln berufen, heißt es da. Nach Meinung der Sparkassen-Juristen ist allerdings bisher noch längst nicht sicher, dass sich das BGH-Urteil auf „Entgeltanpassungen“ (sprich: Preiserhöhungen) bezieht. Dies werde derzeit noch ausgiebig geprüft. Eindeutig sei aber: „Der BGH hat nicht über Entgelte oder deren Angemessenheit, sondern über ein Zustimmungserfordernis entschieden. Die Leistungen der Sparkassen waren zu jedem Zeitpunkt die Gegenleistung wert.“

Sparkasse: Das Urteil des BGH lässt noch viele Fragen offen

Die Oberhausener Sparkassen-Juristen sehen in dem Urteil viele Fragen offen, da die Begründung der Richter nicht sehr differenziert ausgefallen sei. „Einige Fragen, die für die Kreditwirtschaft und Ihre Kundinnen und Kunden von Bedeutung sind, werden nicht oder nicht hinreichend beantwortet. Das bedeutet, dass bei Einzelfragen eine Rechtsunsicherheit fortbestehen wird“, antwortet die Stadtsparkasse auf Nachfrage der Redaktion. „Die Urteilsgründe werden nunmehr näher analysiert und auch in der Deutschen Kreditwirtschaft erörtert.“

Allerdings kann es offenbar auch nach Auffassung der Sparkasse sein, dass diese am Ende möglicherweise Geld aus den Kontopreiserhöhungen an ihre Kunden zurückzahlen muss. Es besteht aus Kunden-Sicht allerdings die Gefahr, dass dies nicht automatisch passiert. Denn ausdrücklich betont der Vorstand: „Generell gilt: Sollten Kundinnen und Kunden Ansprüche an die Sparkasse richten, so sind diese am besten schriftlich unter Angabe der Anspruchsgrundlage konkret im Detail zu benennen und zu belegen.“