Oberhausen. Das Impfzentrum Oberhausen hat seinen Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung erfüllt. Aber die Leitung blickt kritisch auf die vergangenen Monate.

Die Tage des Impfzentrums in Oberhausen sind gezählt: Am Donnerstag, 30. September 2021, Punkt 20 Uhr, wird der Betrieb in der Willy-Jürissen-Halle eingestellt. So will es das NRW-Gesundheitsministerium. Insgesamt wurden in Oberhausen bis zum 28. September 275.106 Erst- und Zweitimpfungen durchgeführt, davon 162.275 im Verantwortungsbereich des Impfzentrums – fast 60 Prozent.

Damit haben die Teams dort den wohl größten Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung in der Stadt geleistet. Dr. Heinrich Vogelsang, der Ärztliche Leiter des Zentrums, hat mit seinen Einsatzteams viele Herausforderungen meistern müssen. Sein Fazit: „Das Krisenmanagement von Bund und Land hat einfach nur genervt.“

Am 27. Dezember 2020 starteten in Oberhausen die Impfungen gegen das Coronavirus in der Willy-Jürissen-Halle. Die Freude darüber war riesig. Die Feuerwehr Oberhausen hatte für den kurzfristigen Aufbau einen achtköpfigen Stab gebildet, der das Projekt federführend umsetzte. Aber auch das Deutsche Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariter-Bund, die Malteser und das Technische Hilfswerk und viele Oberhausener Handwerksbetriebe machten mit. Sie vollbrachten eine Glanzleistung.

40 Mitarbeiter sorgten später im Vollbetrieb vor Ort für reibungslose Abläufe. Der Krisenstab der Stadt kümmerte sich um die Organisation des Zentrums. Eine logistische Großaufgabe. Fünf Ärzte leisteten jeweils an vier Impfstraßen Rekordarbeit. Insgesamt 2600 Stunden kamen zusammen.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) bleibt bis zuletzt für die Terminvereinbarung in der Halle zuständig. Trotzdem kam es im Laufe des Jahres immer wieder zu langen Schlangen, später zunehmend aber auch zu einer gähnenden Leere.

Anfangs stand nicht genug Impfstoff zur Verfügung

Vogelsang sagt rückblickend: „Alle Nase lang hat es neue Erlasse aus dem NRW-Gesundheitsministerium gegeben, das hat einfach nur genervt und den Betrieb unnötig aufgehalten.“ Die meisten Beteiligten in Oberhausen hätten sich gerade zu Beginn der Impfstoff-Verteilung realitätsnähere Vorgaben von Bund und Land gewünscht. Natürlich sei eine Priorisierung angesichts der anfänglichen Impfstoff-Knappheit richtig gewesen. „Aber auch dabei hätte man mehr Augenmaß beweisen müssen.“

Noch immer stünden ihm die Haare zu Berge, wenn er an solche Fälle denkt: „Da war der 80-Jährige, der Tränen in den Augen hatte, weil er die Impfung erhielt, aber seine 72-jährige Frau noch lange nicht dran war – was für ein Quatsch.“

Dr. Heinrich Vogelsang leitete auch die Impfaktion am Donnerstag, 16. September 2021, auf der Marktstraße vor dem Jobcenter in Oberhausen, die im Rahmen der deutschlandweiten Aktionswoche „Hier wird geimpft“ stattfand.
Dr. Heinrich Vogelsang leitete auch die Impfaktion am Donnerstag, 16. September 2021, auf der Marktstraße vor dem Jobcenter in Oberhausen, die im Rahmen der deutschlandweiten Aktionswoche „Hier wird geimpft“ stattfand. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Berechtigt, unberechtigt? Fragen wie diese hätten rasch allzu bunte Blüten getrieben. Auch in Oberhausen seien Menschen als Impfdrängler beschimpft worden, weil sie gerade vor Ort gewesen seien, als Restimpfstoff hätte verspritzt werden müssen. Vogelsang fragt: „Ist eine 60-Jährige, die sich um ihre alten Eltern kümmert, eine Impfdränglerin, weil sie geimpft werden will, auch um Mutter und Vater ganz sicher vor einer Ansteckung zu schützen, und sollten wir stattdessen diese Dosis lieber in den Müll werfen?“ Vogelsang hätte allzu gerne einfach alle durchgeimpft. Misstöne seien seiner Ansicht nach nur entstanden, „weil die Europäische Union und unser Bundesgesundheitsministerium nicht schnell genug ausreichend Impfstoff beschafft haben“.

Netzwerke in Oberhausen erwiesen sich als tragfähig

Doch nicht nur die Stolpersteine im System hat die Pandemie schonungslos aufgedeckt. „Sie hat auch gezeigt, was wir in Oberhausen leisten können, wenn es brennt.“ Fast sämtliche Ärzte der Stadt hätten sofort signalisiert, rund um die Uhr impfen zu können, bestätigt auch Dr. Peter Kaup, Sprecher der Kreisstelle Oberhausen der Ärztekammer Nordrhein. Netzwerke hätten sich als tragfähig erwiesen. Für den Betrieb des Impfzentrums und für die mobilen Impfteams seien rasch Helfer gefunden worden. „Auch die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen unserer Kommune und mit dem Krisenstab lief wie geschmiert“, stellt Vogelsang zufrieden fest. Sein Job ist nun getan. Der Internist und langjährige Hausarzt ist froh, sich entspannt wieder in seinen Ruhestand zurückziehen zu können.

Übersicht über alle impfenden Arztpraxen

Auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein https://coronaimpfung.nrw/impfzentren/impfregister ist eine Übersicht der Ärzte in Oberhausen zu finden, die weiter gegen Corona impfen.

Interessierte können sich auf dieser Seite durch Setzen eines Häkchens alle Praxen vor Ort anzeigen lassen. Zudem besteht die Möglichkeit, die Ärzte herauszufiltern, die auch praxisfremde Patienten impfen.

Denn Vogelsang ist sich sicher: „Den Rest schaffen meine niedergelassenen Kollegen jetzt alleine.“ So sieht es auch die Stadt. Krisenstabsleiter Michael Jehn bestätigt: „Notwendige Zweitimpfungen und weitere Erstimpfungen werden ab 1. Oktober nur noch bei den niedergelassenen Ärzten durchgeführt.“ Darüber hinaus seien in Oberhausen aber auch noch ein paar mobile Impfaktionen ab Oktober geplant. „Details zu den Orten gibt der Krisenstab zeitnah bekannt.“

Oberbürgermeister Daniel Schranz und Krisenstabsleiter Michael Jehn wollen sich aber auch noch bei allen Mitarbeitenden des Impfzentrums für ihren Einsatz bedanken und laden die Beteiligten dazu am Freitag, 1. Oktober, zu einer kleinen Feierstunde ins Impfzentrum ein. Dabei wollen sie dann auch dieses Lob weitergeben: „Uns haben sehr viele Rückmeldungen von Bürgern erreicht, die die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Mitarbeiter lobten.“

Das Mobiliar des Impfzentrums wird jetzt erst einmal eingelagert, „um es schnell wieder nutzen zu können, wenn dies erforderlich sein sollte“. Nach dem Abbau, der bis zum 7. Oktober erfolgen soll, kann die Halle nach Angaben von Stadtsprecher Frank Helling auch wieder für den Sport genutzt werden – und zwar nach den Herbstferien.