Oberhausen. Roger Löcherbach präsentiert erstmals neben großen Holzskulpturen auch Blätter aus Skizzenbüchern – so lebensprall wie die geschnitzten Werke.

„Laut und eklig“ nennt Roger Löcherbach sein brachialstes Werkzeug: die Kettensäge. Damit hat sich der Holzbildhauer zwar schon oft und gerne fotografieren lassen – doch die Kunst dieses Porträtisten lebt vielmehr aus dem Feinschliff mit Beitel, Knüpfel und Sandpapier. Seine erste Ausstellung in der Galerie KiR im Europahaus nennt der 57-Jährige, etwas unverbindlich kalauernd, „Ich klopf auf Holz“. Doch sein Leitmotiv für das Dutzend lebenspraller Menschenbilder mit Maserung ist ein musikalisches.

Roger Löcherbach stellt nicht nur drei dralle Elfen verführerisch tanzend ins Schaufenster der Künstlergalerie. Ausdrucksvoll zeigt er die Sängerin der Oberhausener Band „Singularity“, deren Musik er bei einer Vernissage erlebt hatte: Die so glutvoll Porträtierte kennt das Werk noch gar nicht. Denn der im baumreichen Westerwald aufgewachsene Essener – und diese Facette seines Werkes ist erstmals überhaupt nun in Oberhausen ausgestellt – arbeitet zunächst nicht mit lärmenden Maschinen, sondern diskret mit Block und Zeichenstift.

Der Country-Outlaw mit Käppi, Zöpfen und seiner abgerockten Gitarre namens „Trigger“: Allerdings hat Roger Löcherbach den 88-jährigen Willie Nelson sichtlich verjüngt.
Der Country-Outlaw mit Käppi, Zöpfen und seiner abgerockten Gitarre namens „Trigger“: Allerdings hat Roger Löcherbach den 88-jährigen Willie Nelson sichtlich verjüngt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Vor allem die Farbfassungen der Blätter dieses so zurückhaltend auftretenden Menschenbildners atmen Wärme und Plastizität – in Graphit ebenso wie in Linden- oder Eschenholz. Seine gezeichneten Porträts des Reformators Martin Luther und dessen Ehefrau Katharina von Bora verneigen sich gekonnt vor den berühmten Bildnissen von Lucas Cranach dem Älteren – und machen zugleich neugierig auf die in Kronach ausgestellten Skulpturen. Ähnlich altmeisterlich durchdrang Roger Löcherbach mit dem Zeichenstift auch den bürgerlich-braven Habitus des Philosophen Martin Heidegger – „auch so eine ambivalente Persönlichkeit“.

Verehrung für erdige Saiten-Arbeiter

Verehrung statt Skepsis zeigen dagegen seine Musiker-Porträts, aus denen eine Vorliebe für authentische, erdige Saiten- und Mikrofon-Arbeit spricht. Am Bildnis des heute 88-jährigen Country & Western-Genies Willie Nelson könnte man allenfalls bemängeln, dass jene Gitarre, die Löcherbach ihm in die knorrigen Hände drückt, viel hübscher aussieht als Nelsons längst löchriges und verschrammtes Modell namens „Trigger“. Doch dafür lässt der Bildhauer einen schwarzen Wolf zu Füßen des Outlaw-Musikers ruhen – und bringt so Nelsons jahrzehntelanges Rebellentum wunderbar auf den Punkt.

Jeder Skulptur geht eine Serie von Zeichnungen voraus: hier Philosoph Martin Heidegger (1889 bis 1976) und der Renaissance-Gelehrte Johannes Cuspinian (1473 bis 1529).
Jeder Skulptur geht eine Serie von Zeichnungen voraus: hier Philosoph Martin Heidegger (1889 bis 1976) und der Renaissance-Gelehrte Johannes Cuspinian (1473 bis 1529). © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Seine aus Weißdorn geschnitzte Hommage an den kürzlich verstorbenen ZZ Top-Bassisten Dusty Hill ist schon aus der Tiefe des Raums unverkennbar. Doch als Roger Löcherbach einer Weide die Gestalt einer Musikerin gab, machte ihm erst ein Bewunderer des noch unvollendeten Werkes klar: Das sei doch Suzi Quatro, die ewig jugendliche Glamrockerin mit dem gewaltigen Fender-Bass. Der Bildhauer war einverstanden – „obwohl ich kein Fan bin“.

„Holz wird gemocht“

Bei soviel liebenswürdigem Realismus mag Roger Löcherbachs Werdegang überraschen: Denn die Bildhauerei studierte er anfangs der 1980er bei Ansgar Nierhoff (1941 bis 2010), dem Meister der die reine, abstrakte Form feiernden Edel- und Cortenstahl-Plastiken. „Ich habe anfangs auch konkrete Kunst ausgestellt“, sagt sein Schüler an der Mainzer Akademie. „Aber irgendwann befürchtete ich, mich zu wiederholen.“ Die mit vielen Metiers spielende Pop Art gab ihm schließlich die Inspiration: „Mensch und Baum und Figur – das interessiert mich.“

Eine denkwürdige Vernissage mit der Oberhausener Band „Singularity“: Nach Skizzen porträtierte Roger Löcherbach die Sängerin.
Eine denkwürdige Vernissage mit der Oberhausener Band „Singularity“: Nach Skizzen porträtierte Roger Löcherbach die Sängerin. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Und diese den Menschen sichtlich liebevoll zugewandte Kunst findet ihr Publikum – auch weil Löcherbach die lebens- bis überlebensgroßen Skulpturen gerne im öffentlichen Raum platziert. Vandalismus ist dem gelassenen Künstler bisher selten begegnet: „Holz wird gemocht“, weiß der Bildhauer. „Es baut eine Brücke zu den Menschen.“ In diesem Sinne sollte man – frei nach William Shakespeare – das tanzende Trio aus stolzer Zeder im KiR-Schaufenster als Einladung verstehen: „Lasst dicke Elfen um mich sein!“

Ein Menschenbildner blickt auf die Tierwelt

Die Ausstellung „Ich klopf auf Holz“ eröffnet in der Galerie KiR, Elsässer Straße 21, am Sonntag, 12. September, um 17 Uhr. Der KiR-Vorsitzende Winfried Baar übernimmt die Begrüßung; Peter Kerschgens als Kenner des Löcherbach’schen Oeuvres gibt eine Einführung.

Die zwölf Skulpturen und zahlreichen Zeichnungen bleiben bis zum 24. Oktober in der Künstlergalerie im Europahaus, geöffnet mittwochs und freitags von 17 bis 19.30 Uhr, sonntags von 16 bis 19 Uhr.

Noch mehr Roger Löcherbach präsentiert in einer Doppel-Ausstellung mit dem Maler Hartmut Kiewert die Duisburger Cubus-Kunsthalle im Kantpark: „Multispecies futures“, so der Titel, widmet sich „Mensch und Tier im Anthropozän“. Diese Schau eröffnet am Samstag, 25. September, um 19 Uhr.