Oberhausen. Wasserstoff gilt als Zukunftstechnik mit Riesenchancen. Oberhausen will dabei mitmischen. Am Ruhrchemie-Standort gibt es dazu ein neues Projekt.
Wenn in diesem Jahrzehnt in Duisburg der Stahlkonzern Thyssenkruppgrünen Stahl ohne klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen produziert, will Oberhausen das wichtigste Produktionsmittel dazu liefern: Wasserstoff, der per Elektrolyse mit grünem Strom fast klimaneutral erzeugt wird.
Eine solche Anlage wird das Unternehmen Air Liquide ab 2023 an seinem Standort auf dem Gelände des Ruhrchemie-Werks OQ Chemicals in Holten betreiben. Am Donnerstag ist für dieses 30-Millionen-Euro-Projekt der Startschuss gefallen. Mit rund elf Millionen Euro fördert das Bundeswirtschaftsministerium das Vorhaben. Die Parlamentarische Staatssekretärin Elisabeth Winkelmeier-Becker übergab vor Ort den Förderbescheid an Air-Liquide-Vorstandschef Gilles Le Van.
Air Liquide ist ein wichtiger Rohstoff-Lieferant für die Industrie: Der grüne Wasserstoff made in Oberhausen soll per Pipeline nicht nur an Thyssenkrupp in Duisburg fließen, sondern kann auch von anderen Chemieunternehmen am Holtener Standort oder von Raffinerien direkt für ihre jeweilige Produktion verwendet werden. Ein weiteres wichtiges Feld ist die Mobilität: Klimaneutrale Wasserstoff-Busse und -Autos sollen künftig – neben der Elektromobilität – den Straßenverkehr entscheidend mitprägen. Auch hier soll der Wasserstoff über ein teils bereits bestehendes Pipeline-System von Oberhausen-Holten aus dorthin gelangen, wo er gebraucht wird.
Bis eine flächendeckende Wasserstoffwirtschaft in der Region, oder gar in ganz Deutschland Wirklichkeit wird, ist allerdings noch viel zu tun. Das machen einige Zahlen zum Oberhausener Projekt schnell deutlich. Ab 2023 soll die Oberhausener Anlage rund 2900 Tonnen klimaneutralen Wasserstoff pro Jahr produzieren; in einer zweiten Phase wird dann die Kapazität noch erhöht. Wie Arnd Köfler, Vorstandsmitglied Thyssenkrupp Steel, auf Nachfrage der Redaktion in Holten erläuterte, benötigt allerdings allein schon Thyssenkrupp Steel am Standort Duisburg im Jahr 2023 rund 20.000 Tonnen grünen Wasserstoffs; 2025 sind es 75.000 Tonnen pro Jahr. Und ein voll ausgebautes Stahlwerk brauche pro Jahr 750.000 Tonnen! Solange dieser Bedarf nicht gedeckt werden könne, werde ersatzweise Erdgas genutzt.
Insofern stimmt, was alle Festredner am Donnerstag auf dem vom Sommerwind umtosten Werksgelände in ihre Lobeshymnen und gegenseitigen Dankesworte dann doch noch einfließen ließen: Dieses Projekt kann nur ein Anfang sein. Im Zuge der Nationalen Wasserstoffstrategie müssen noch viele weitere Vorhaben ähnlicher Art folgen, um Kohle, Öl und Erdgas endgültig zu ersetzen.
Partnerschaft mit Siemens
Weltweit tätiges Unternehmen
Air Liquide ist ein 1902 in Frankreich gegründetes Unternehmen, das in Deutschland rund 4000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Unternehmen liefert Gase, Technologie und Service an Industrie und Gesundheitswesen.Der weltweite Umsatz belief sich 2020 auf mehr als 20 Milliarden Euro.
Beim Bau der Oberhausener Elektrolyse-Anlage geht Air Liquide eine Partnerschaft mit Siemens Energy ein, was Air-Liquide-Vorstandschef Gilles Le Van besonders hervorhob. Diese Partnerschaft soll bei weiteren Projekten zur nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft fortgeführt werden. Seinen Dank an alle Beteiligten sprach auch OQ-Geschäftsführer Oliver Borgmeier aus, der durch die neue Wasserstoff-Elektrolyse den gesamten Holtener Chemiepark gestärkt sieht. Erst vor Kurzem hatte der Ruhrchemie-Standort ja für eine negative Nachricht gesorgt: Bis 2023 soll noch einmal knapp jeder zehnte Arbeitsplatz wegfallen. 90 von noch rund 950 Stellen werden gestrichen. Insofern setzt der grüne Wasserstoff jetzt einen neuen, optimistischen Zukunftsakzent.