Oberhausen. Wohl aus Verzweiflung versuchte ein 89-jähriger Oberhausener, seine an Demenz erkrankte Frau im Schlaf zu töten. Nun ist ein Urteil gesprochen.

Mit einem ungewöhnlichen Anliegen meldete sich ein 89-jähriger Oberhausener in der Nacht zum 27. Dezember 2020 in der Notrufzentrale: „Ich wollte meine Frau umbringen. Es hat leider nicht geklappt. Das Messer war zu stumpf.“ Zuvor hatte er vergeblich versucht, seine im Ehebett der Sterkrader Wohnung schlafende Ehefrau (85) zu erstechen. Nach viertägiger Hauptverhandlung verurteilte das Landgericht Duisburg den Senior wegen versuchten Totschlags zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis.

Die Verteidigung hatte im Plädoyer eine Tötungsabsicht bestritten und paradoxerweise gleichzeitig damit argumentiert, der Angeklagte habe aus Mitleid gehandelt. Die Kammer sah das in Übereinstimmung mit dem Antrag des Staatsanwaltes anders. Mit einem zehn Zentimeter langen Küchenmesser habe der Angeklagte auf die zunächst schlafende Frau eingestochen und ihr erhebliche Verletzungen am Hals zugefügt.

Gericht: „Der Angeklagte handelte mit Tötungsabsicht“

Der 89-Jährige beriet sich mit seinem Verteidiger
Der 89-Jährige beriet sich mit seinem Verteidiger © Foto: Bodo Malsch

„Dabei handelte er mit Tötungsabsicht“, so der vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Das ergebe sich schon aus der objektiven Gefährlichkeit der Tat. Aber auch der Notruf des Angeklagten lasse daran keinen Zweifel. Von einem Rücktritt von der Tat könne zudem keine Rede sein. Der Tötungsversuch sei schlicht deshalb erfolglos gewesen, weil die zehn Zentimeter lange Klinge des Küchenmessers zu stumpf war und der Angeklagte, der sich nur an einem Rollator fortbewegen kann, nicht genug Kraft hatte, fester zuzustechen. Nachdem seine ihm körperlich überlegene Ehefrau aufwachte, habe er keine Chance mehr gehabt, die Tat zu vollenden.

89-Jähriger aus Untersuchungshaft entlassen

Nach seiner Festnahme hatte der Angeklagte zunächst einen Monat lang in der Untersuchungshaft in einem gewöhnlichen Gefängnis gesessen. Für ihn eine quälende Zeit. Bis zum Ende des Verfahrens war er in einer gesonderten Abteilung eines Justizvollzugskrankenhauses inhaftiert.

Die Strafkammer sah nach dem Urteil keinen Grund mehr, den Mann noch länger in Haft zu halten. Er wurde bis zum endgültigen Haftantritt auf freien Fuß gesetzt. Wann er ins Gefängnis muss, ist aufgrund des gesundheitlichen Zustandes des 89-Jährigen ungewiss.

Die Anklage lautete ursprünglich auf versuchten Mord. Doch das Mordmerkmal der Heimtücke konnte wegen der Demenzerkrankung der verletzten Ehefrau nicht angewandt werden. „Zwar war die schlafende Frau zu Tatbeginn zweifellos wehrlos.“ Arglos sei sie gemäß höchster Rechtsprechung aber nicht gewesen. Denn ähnlich einem Kleinstkind sei sie gar nicht in der Lage gewesen, Argwohn zu entwickeln.

Oberhausener zur Polizei: „Ich hatte einfach keine Lust mehr zu leben“

Zu Gunsten des 89-Jährigen gingen die Richter davon aus, dass er bisher nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war und zur Tatzeit aufgrund der Demenzerkrankung seiner Frau verzweifelt und überfordert gewesen sei. Eine Tat aus Mitleid, mit der der Rentner seine Frau nur erlösen wollte, sahen die Richter aber nicht. Einem Polizisten hatte der Mann verraten: „Ich hatte einfach keine Lust mehr zu leben.“

Die Geschädigte, die inzwischen in einer Pflegeeinrichtung lebt, erinnerte sich bereits unmittelbar nach der Tat nicht mehr an das Geschehen. Der Angeklagte ist bis heute davon überzeugt, er habe nicht kriminell gehandelt. In einem Brief aus der Justizvollzugsanstalt hatte er jemandem geschrieben: „So ist meine Tat, so makaber das klingt, letztlich gut gewesen – auch für mich.“