Oberhausen. Wegen Mordversuchs steht ein Oberhausener (89) vor Gericht. Am 27. Dezember soll er in Sterkrade seine schlafende Frau (85) attackiert haben.
64 Jahre lang waren sie ein Ehepaar. Doch in der Nacht zum 27. Dezember 2020 spielte sich in der ehelichen Wohnung in Sterkrade ein Drama ab. Mit einem Messer soll ein 89-jähriger Mann auf den Hals seiner schlafenden Ehefrau (85) eingestochen und sie schwer verletzt haben. Das mutmaßliche Motiv: Der Rentner war mit der Pflege seiner dementen Lebenspartnerin überfordert. Nun steht er wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Duisburg.
Heimtückisch soll der Angeklagte auf die im Ehebett liegende, arg- und wehrlose Frau eingestochen haben. Doch das Küchenmesser entpuppte sich als viel zu stumpf. Als die Frau wach wurde, hatte der körperlich unterlegene 89-Jährige, der sich mit Hilfe eines Rollators mur mühsam auf den Beinen halten kann, keine Chance mehr, die Tat zu vollenden. Die Frau erlitt zwei tiefe Wunden am Hals und – vermutlich als Folge ihrer Gegenwehr – einen langen Schnitt in der rechten Hand.
Oberhausener schilderte eine lange harmonische Ehe
Schon kürzeste Zeit nach der Tat soll sich die Geschädigte nicht mehr an den Vorfall erinnert haben. Und der Angeklagte wollte zu Beginn des Prozesses keine Angaben zur Sache machen. Schon der Auftakt des Verfahrens erweis sich akustisch als schwierig. „Ich verstehe kein Wort“, so der Angeklagte. Mehrfach musste der Sitzplatz des Angeklagten im Verhandlungssaal verlegt werden, damit er die Worte des Vorsitzenden, des Staatsanwaltes und eines psychiatrischen Sachverständigen verstehen konnte.
Letzterem hatte der Angeklagte ausführliche Angaben zu seinem Lebenslauf gemacht. Der gelernte Kaufmann hatte sein halbes Leben lang für ein bekanntes Optik-Unternehmen gearbeitet, vertrat die Firma fast 20 Jahre lang im Iran. Das war noch vor dem Sturz des Schah gewesen. Danach lebte die Familie – das Paar hat zwei Töchter – lange in Bonn, bevor man nach Oberhausen übersiedelte. Seine Ehe schilderte er dem Gutachter als harmonisch. „Man kann nicht 64 Jahre zusammen sein ohne Liebe“, so der Rentner. Die beiden Ehepartner, die gerne gemeinsam musizierten, hätten nie eine ernsthafte Krise gehabt.
Demenzerkrankung der Frau änderte alles
Doch die Demenzerkrankung seiner Frau habe alles verändert, hatte der 89-Jährige dem Gutachter anvertraut. Es sei immer schlimmer geworden. Zwar habe es professionelle Hilfe durch einen Pflegedienst gegeben, aber er sei 24 Stunden mit seiner Frau zusammen gewesen. „Die hat mich nie in Ruhe gelassen. Ich habe viele Nächte nicht geschlafen“, hatte der Rentner berichtet. „Sie musste dauernd aufs Klo, wusste aber nicht mehr, wo es war.“ Ein Heimplatz sei wegen Corona nicht zu ergattern gewesen.
89-Jähriger ist derzeit in einem Justizkrankenhaus
Am 28. Dezember 2020 wurde dem 89-Jährigen der Haftbefehl verkündet. Vier Wochen lang saß er zunächst in einem gewöhnlichen Gefängnis. Das sei eine schlimme Zeit gewesen, hatte er dem psychiatrischen Sachverständigen bei der Begutachtung verraten.
Danach wurde der unter schlimmen Rückenbeschwerden, unter Arthrose und unter Bluthochdruck leidende Senior in ein Justizkrankenhaus verlegt. „Ich glaube, in bin da in einer Spezial-Abteilung für Senioren“, erzählte er dem ihn untersuchenden Psychiater. Dort gehe es ihm besser. „Auch das Essen ist gut. Gestern gab es Milchreis mit Kompott.“
Zuletzt habe er einfach nicht mehr gekonnt, so der 89-Jährige. „Ich bin irgendwie durchgedreht.“ An die eigentliche Tat will der Angeklagte aber keine Erinnerung mehr haben. Mehrfach brach er während des Referats des Sachverständigen in Tränen aus. Ihm hatte er gestanden, große Angst vor dem Prozess zu haben. „Warum tut man einem 90-Jährigen so etwas an?“ Für das Verfahren sind bis zum 9. Juni drei weitere Verhandlungstage vorgesehen.