Oberhausen. Seit acht Jahren fördert die JCT-Stiftung das Studium „nicht begüterter“ Schüler. Nun hilft Johannes Trum auch der notleidenden Musikkultur.

Auf seine eigenen Gaben am Klavier gibt Johannes Trum nicht viel, trotz des Musikunterrichts in jungen Jahren. Aber wie sich ein Konzertflügel „verletzungsfrei“ am Kran in die dritte Etage heben lässt – in dieser Expertise liegt auch sein Erfolg als Unternehmer. In 44 Berufsjahren machte der Oberhausener aus dem „Einzelbetrieb“ Evers ein 70 Mitarbeiter starkes Spezialunternehmen für Verpackung und Transport. Slogan: „Wir sichern Produktwerte.“ Und im vermeintlichen Ruhestand hilft der Kuratoriumschef der JCT-Stiftung nun der Kunst und dem klassischen Flügelspiel nach einem Jahr harten Lockdowns.

Weltstar Anne-Sophie Mutter geißelte jüngst die Haltung der Politik „geradezu als kulturverachtend“.
Weltstar Anne-Sophie Mutter geißelte jüngst die Haltung der Politik „geradezu als kulturverachtend“. © Deutsche Grammophon | Bastian Achard

„JCT“, steht für Johannes und Cordula Trum. Ende 2013 hatte der Unternehmer die Firma in Buschhausen an seine Mitgeschäftsführer übergeben – und schon zuvor mit seiner Frau jene Stiftung gegründet mit dem Anspruch „der Jugend eine Zukunft“. Johannes Trum beschreibt die Vision des Paares so: „Talentierten, jedoch nicht begüterten jungen Menschen den Weg zu ebnen“. Die Stiftung hält Kontakt zu den Oberhausener Gymnasien und lädt Abiturienten ein, sich für Stipendien zu bewerben. Und für das aktuellste JCT-Engagement ließ der Stifter eigens die Satzung ändern.

So gerne das Ehepaar Trum die Konzertmatineen des Künstlerfördervereins im Ebertbad besucht hat – so offensichtlich notleidend ist derzeit die Musikkultur. Johannes Trum verweist auf die Brandrede eines Weltstars: „Das Leben von Künstlern ist in diesem Jahr so eingeschränkt worden“, sagte jüngst Anne-Sophie Mutter, „dass man von einem Berufsverbot, von einem Kulturverbot sprechen kann“.

Ein Muster an Flexibilität

Auftritt zweier strahlender junger Musiker: Anke Pan und Yuhao Gao erzählen im Walsumermarker Büro der JCT-Stiftung von ihrem kommenden gemeinsamen Engagement. „Eventuell sogar mit Publikum“ werden die 27-Jährige und der 28-Jährige für das große Crossover-Projekt „Neuland“ am 10. Juni in der Düsseldorfer Tonhalle auftreten. Die gemeinsame CD, aus deren Repertoire für zwei Klaviere gerade die Klassiksender auflegen, hat ihnen die Oberhausener Stiftung ermöglicht.

Der schmerzlich vermisste Konzertort: Eine der bisher letzten Matineen des Künstlerfördervereins im Ebertbad gestalteten im Januar 2020 junge Sänger der Robert-Schumann-Hochschule mit Schuberts „Winterreise“.
Der schmerzlich vermisste Konzertort: Eine der bisher letzten Matineen des Künstlerfördervereins im Ebertbad gestalteten im Januar 2020 junge Sänger der Robert-Schumann-Hochschule mit Schuberts „Winterreise“. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Sie „vermisse es so sehr, vor Publikum zu spielen“, sagt Anke Pan, die ihr letztes Konzert im Oktober gegeben hatte. Yuhao Gao nennt’s „ein schönes Zeitfenster“ zwischen zwei langen Lockdowns. Der Pianist und Komponist zeigt sich mit seinen Engagements als ein Muster an Flexibilität: Er tummelt sich im Musical-Metier ebenso selbstverständlich wie auf klassischem Parkett, musiziert für Hörbücher oder als Klavierbegleiter für Sänger. Seine jüngste Lied-Komposition entstand zu einem Text von Anke Pan.

Die Solistin der bisher letzten Konzertmatinee im Ebertbad vor 14 Monaten dankt Bruno Zbick, dem Vorsitzenden des Künstlerfördervereins, der ausdrücklich ihre gekonnten Moderationen lobt. „Es hat sich doch überlebt“, meint Anke Pan, „sich als Musikerin nur zu verneigen und kein Wort zu sagen“.

Anke Pan am großen Konzertflügel: „Unser Arbeitsleben geht in Wellen rauf und runter“, sagt die 27-Jährige aus Mülheim. Die Förderung der JCT-Stiftung nennt sie „einen Rettungsanker“.
Anke Pan am großen Konzertflügel: „Unser Arbeitsleben geht in Wellen rauf und runter“, sagt die 27-Jährige aus Mülheim. Die Förderung der JCT-Stiftung nennt sie „einen Rettungsanker“. © Unbekannt | Heiko Kalweit

Die beiden eloquenten jungen Pianisten sind damit bei einem großen Manko ihrer Konservatoriums-Ausbildung, für die Deutschland ja einen überaus guten Ruf genießt. „Vom Selbst-Management“, sagt Anke Pan – und ihr Klavierpartner vollendet den Satz – „haben wir im Studium überhaupt nichts gelernt“. Dabei führe das anspruchsvolle Konzertexamen gerade mal zwei Prozent seiner Absolventen wirklich zu einer Karriere auf großen Podien. „Die ständige Unsicherheit unserer Existenz“, sagt Anke Pan, „wollen viele auch nicht auf sich nehmen“.

Eine klangschön eingespielte und mit einem schick gestalteten Booklet ausgestattete CD, betonen Pan und Gao, sei „als Türöffner“ nicht zu unterschätzen. Und Bruno Zbick bestätigt: Als Programmgestalter hört er doch lieber eine klingende Visitenkarte, als die konventionelle Künstlervita mit ihren Wettbewerbs-Referenzen zu studieren. Apropos: Wenn im Juli die ruhm- und traditionsreichste Konkurrenz für aufstrebende Pianisten ansteht – nämlich der große Chopin-Wettbewerb – ist Anke Pan dabei, bereits zum zweiten Mal nach ihrem Warschauer Debüt als 17-Jährige.

„Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“

„Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“, meint der Mäzen. Johannes Trum hat nach Gesprächen erfahren, „was mit der Künstlerseele passiert“, wenn ein junger Musiker vor der Frage steht, ob er nicht seine Passion für eine ganz andere Beschäftigung aufgeben muss. „Aber wegen Corona blieb alles andere auch liegen“, ergänzt der Unternehmer und weist auf einen Stapel von Berichten seiner JCT-Stipendiaten: „Das werden wir nicht aus den Augen verlieren.“

Für die Konzertmatineen bleibt nun abzuwarten, wann das Ebertbad wieder öffnen wird. Bruno Zbick schließt derzeit keine Verträge – um seinen hoffnungsvollen Gästen nicht doch wieder absagen zu müssen. Aber eine neue CD weiterer Künstler mit Hilfe der JCT-Stiftung ist bereits auf dem Weg. Yuhao Gao, der trotz seiner Gewandtheit in vielen Metiers offen einräumt, wie deprimierend manche Lockdown-Phase für ihn war, nickt dem Stifter zu: „Wir sind sehr froh, dass Sie sich unserer Sparte geöffnet haben.“

Für Anne-Sophie Mutter übrigens, den 57-jährigen Weltstar, wäre es nach der akuten Kulturmisere „die zweite Tragödie“, wenn jetzt eine junge Generation mit bester Ausbildung aufgäbe, „weil sie auf diesem ohnehin schon schwierigen Weg so wenig Rückhalt bekommt“.