Oberhausen. Die Pandemie belastet die Belegschaften in allen Branchen schwer. Am 1. Mai gibt’s in der Region eine zentrale DGB-Kundgebung im Autokino-Format.

Die obersten Gewerkschaftsfunktionäre in Oberhausen kennen die Stimmungen in den Belegschaften ihrer betreuten Unternehmen und Behörden ziemlich gut – und was sie mit Blick auf den ersten Mai berichten, zeigt: Nach 14 Monaten Pandemie geht vielen Belegschaften die Puste aus, sie brauchen händeringend einen Hoffnungsschimmer, dass der Spuk irgendwie vorbei geht oder erträglicher wird.

Jörg Schlüter (IG Metall).
Jörg Schlüter (IG Metall). © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

„Es herrscht eine diffuse Angst überall: Stecke ich mich an, schleppe ich das Virus in die Familie?“, beobachtet DGB-Stadtverbandsvorsitzender und IG-BAU-Gewerkschaftssekretär Thomas Schicktanz. Dabei geht es den von der IG BAU vertretenen Branchen als einige der wenigen konjunkturell noch ausgezeichnet: „Wir sind der verbliebene Wirtschaftsmotor, der langsam heiß läuft. Keine Baustelle musste schließen; es ist irre, wie viel überall gebaut wird, die reißen den Baustoff-Produzenten ihre Produkte aus den Händen.“ Im Boomjahr 2020 konnte seine Gewerkschaft daher relativ gute Lohnerhöhungen von im Schnitt 2,3 Prozent durchsetzen.

Arbeitnehmer zittern um ihre finanzielle Existenz

Dagegen bibbern die Beschäftigen in anderen Branchen nicht nur um ihre Gesundheit, sondern um ihr wirtschaftliches Überleben: Kurzarbeit, Stellenabbau, Auftragsmangel – ja, auch Entlassungen von Zeitarbeitskräften oder Minijobbern. „Die Leute bangen um ihre Existenzen, die psychischen Belastungen sind enorm; wir haben viele Fälle, die an Depressionen erkrankt sind“, berichtet der Oberhausener IG-Metall-Geschäftsführer Jörg Schlüter. Auch die Art des Arbeitens, unendlich viele Videokonferenzen, das ständige Aus-dem-Weg-gehen, die Rund-um-die-Uhr-Vorsicht: „Das alles geht auf die Nerven, wir sind Corona gebeutelt. Es fehlt das Zwischenmenschliche: Man muss sich doch auch einmal treffen können und zusammen ein paar Mettbrötchen essen.“ Zum Glück mache die zunehmend schneller Impfkampagne ein bisschen Hoffnung, dass sich die Lage irgendwann im Sommer mal bessert.

Der Oberhausener DGB-Vorsitzende Thomas Schicktanz (IG BAU).
Der Oberhausener DGB-Vorsitzende Thomas Schicktanz (IG BAU). © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Einen solchen Stimmungswechsel haben die Beschäftigen in den Altenheimen schon gespürt, wie Björn Jadzinski, Verdi-Bezirk Ruhr-West erfahren hat. „Viele Pflegende haben monatelang ständig mit der Angst gelebt, das tödliche Coranavirus ins Heim zu schleppen; nach den Impfaktionen ist die Lage deutlich entspannter.“ Viele Arbeitnehmer in den Verdi-Branchen könnten kein risikoloses Home-Office machen, sie arbeiteten schließlich direkt am Menschen, im öffentlichen Nahverkehr, im Handel. „Wir erleben sehr Unterschiedliches: Die einen schauen nicht nach links oder rechts, sondern machen ihre Pflicht im systemrelevanten Beruf, die anderen reagieren verzweifelt.“

Zähneknirschend die dezentralen DGB-Kundgebungen in jeder Stadt abgesagt

Im Jahr der Bundestagswahl rückt der 1. Mai immer näher, lange haben die Gewerkschaften gezögert, die geplanten dezentralen Präsenzveranstaltungen in den drei MEO-Städten Mülheim, Oberhausen und Essen abzusagen – denn so etwas wie im vergangenen Jahr, als nur eine digitale Kundgebung möglich war, wollen die Mitglieder nicht mehr erleben. Wortbeiträge, Reden und Musik – alles gab es am Maifeiertag nur online im Internet, ohne ein Treffen vor Ort.

Bundesweite DGB-Prominenz redet am 1. Mai in Essen

Arbeitnehmer aus den Städten Mülheim, Essen und Oberhausen (MEO) sind am Samstag, 1. Mai 2021, zur zentralen Kundgebung des DGB in der Region ab 9.45 Uhr auf dem Messeparkplatz P 10 der Essener Messe eingeladen (Autobahn A 52 Abfahrt Essen-Kettwig). Der Einlass ist recht früh gewählt, um die Autos gut ordnen zu können, damit die Leinwände für alle sichtbar sind. Der Beginn der Veranstaltung ist um 11 Uhr; die Teilnahme ist kostenlos. Weitere aktuelle Infos gibt es auf der DGB-MEO-Internetseite: https://muelheim-essen-oberhausen.dgb.de/. Die Veranstaltung wird auf der Facebook-Seite des DGB MEO live übertragen.

Die drei DGB-Gruppen in den Städten haben sich auf folgende Redner-Liste geeinigt, die diesmal sogar mit bundesweiter Gewerkschaftsprominenz aufwartet. Reden werden die ehemalige DGB-Bundesvize Ursula Engelen-Kefer, der IG-Metall-Bundesvorstand Ralf Kutzner und der NGG-Bundesvorsitzende Guido Zeitler. Der Oberhausener DGB-Vorsitzende Thomas Schicktanz spricht für den DGB der gesamten Region, genauso der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen für alle Stadtoberhäupter. Zudem reden Lucas Rose von der DGB-Jugend und der Essener DGB-Chef Dieter Hillebrand.

Bis zum vergangenen Freitag hielt der DGB in der Region noch an den drei Präsenztreffen fest, doch angesichts der stetig steigenden Corona-Infektionszahlen hat man sich entschlossen, lieber eine einzige zentrale Kundgebung am 1. Mai unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft“ so zu organisieren wie ein Autokino seine Kinoschauen für Filmfans – auf dem Messeparkplatz P 10 in Essen an der Autobahn A 52 (Abfahrt Essen-Kettwig). Mindestens 400 bis 800 Autos mit Insassen finden dort ausreichend Platz, um Reden und Auftritte auf großen LED-Leinwänden gut verfolgen zu können. Es gibt weder die sonst üblichen Infostände noch Buden mit Essen und Trinken.

Dieter Hillebrand ist MEO-Regionsgeschäftsführer des DGB.
Dieter Hillebrand ist MEO-Regionsgeschäftsführer des DGB. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

„Wenn dann alle am Samstag in ihren Autos bleiben, ist das sehr sicher. Der 1. Mai ist für uns ein ganz wichtiger Tag, um Solidarität und Gemeinsamkeit zeigen zu können. Diesmal wollten wir unsere Kundgebung auf jeden Fall nicht mehr nur virtuell machen“, erläutert DGB-MEO-Regionsgeschäftsführer Dieter Hillebrand. „Denn wir kämpfen nicht nur an diesem Tag für gute Arbeit und gute Lebensbedingungen.“ Am 1. Mai wird die bundesweite DGB-Prominenz in Essen nicht nur über die Folgen der Corona-Pandemie sprechen – sondern auch, wie die Politik handeln muss, damit Arbeitnehmer und Unternehmen aus der Krise kommen können.