Oberhausen. Wegen der Coronakrise ist eine echte Kundgebung nicht möglich. Gewerkschafter setzen aufs Internet, wo es auch Beiträge aus Oberhausen gibt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sendet den 1. Mai in diesem Jahr ins Internet. Das gilt auch für Oberhausen, wo die Kundgebung zum Tag der Arbeit erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg, bedingt durch Corona, ausfällt. „Wir hätten den Infektionsschutz für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einer Kundgebung nicht gewährleisten können“, sagt Dieter Hillebrand, Regionsgeschäftsführer des DGB für Mülheim-Essen-Oberhausen. Deshalb lautet nun das Motto: „1. Mai diesmal anders!“ Und: „Solidarisch ist man nicht alleine!“ Wortbeiträge, Reden und Musik gibt’s am Maifeiertag online.

Aus Sicht der Gewerkschafter ist im Jahr 2020 der Tag der Arbeit vor dem Hintergrund der Corona-Krise wichtiger denn je. „Unsere Mitglieder arbeiten in jenen Berufen, die der Gesellschaft derzeit das Überleben sichern“, sagt Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Henrike Eickholt. Applaus von Balkonen und warme Worte seien zwar schön, viel wichtiger sei es aber, etwa für die Beschäftigten im Einzelhandel, in Kitas, in Pflegeberufen und weiteren Dienstleistungen vernünftige Arbeitsbedingungen und eine angemessene, tariflich gesicherte Bezahlung zu erreichen.

„Kurzarbeitergeld aufstocken“

Die Gewerkschafter richten an diesem 1. Mai den Blick bereits in die weitere Zukunft. Sie fordern, das Kurzarbeitergeld nicht erst nach mehreren Monaten, sondern künftig von Beginn auf mindestens 80 bzw. 87 Prozent aufzustocken. Sie setzen sich dafür ein, dass an allen Arbeitsplätzen ein umfassender Infektionsschutz gesichert ist, wie der Oberhausener DGB-Vorsitzende Thomas Schicktanz (IG Bau) gerade auch mit Blick auf die weiter boomende Bau-Branche unterstreicht: „Fünf oder sechs Beschäftigte in einem einzigen VW Bulli, und dann ab zur Baustelle. Das geht jetzt nicht!“, sagt der Gewerkschafter. Da seien die Arbeitgeber in der Pflicht, sich verantwortlich zu verhalten und für vernünftige Abstände und Hygiene zu sorgen.

Digitalisierung für Betriebsräte

Die Corona-Krise rückt auch das Funktionieren der betrieblichen Mitbestimmung in den Blickpunkt: Betriebsräte sollen weiter miteinander in Verbindung bleiben und tagen können, wenn echte Sitzungen nicht möglich sind.

Die Oberhausener Gewerkschafter berichteten, dass das Betriebsverfassungsgesetz so geändert werden soll, dass auch Videokonferenzen von Betriebsräten künftig rechtlich erlaubt sind und als reguläre Sitzungen gelten.

Jörg Schlüter (IG Metall) sieht die Konjunktur jenseits der Bauwirtschaft auf Talfahrt: „Ich mache mir große Sorgen. Es wird Insolvenzen geben“, sagt der Gewerkschafter. Ein Fünftel der Industriebetriebe sei derzeit ohne jeden Auftragseingang. Dieser Frühindikator zeige, was auf die deutsche Wirtschaft spätestens Ende 2020 zukomme. Dann seien eine funktionierende betriebliche Mitbestimmung und die Solidarität der Beschäftigten gefragt, um einen Weg aus dieser Krise zu finden.

All diese Anliegen sollen den Mitgliedern am 1. Mai im Internet vermittelt werden. Der bundesweite Live-Stream zum Tag der Arbeit startet um 11 Uhr unter www.dgb.de/erstermai. Zudem gibt es um 10.30 Uhr die virtuelle Online-Kundgebung mit Oberhausener Beiträgen auf www.muelheim-essen-oberhausen.dgb.de. Auch auf Facebook, Instagram und Youtube sind die Gewerkschafter präsent und rufen ihre Mitglieder auf, dort Fotos von deren ganz persönlichem Tag der Arbeit ohne echte Kundgebung einzustellen.

Diesmal ohne wehende Fahnen

1. Mai 2020 – dieser Feiertag wird lange Zeit in Erinnerung bleiben. Das steht wohl bereits fest. „Ich bin schon als Kind mit meinem Vater immer zur Maikundgebung gegangen“, erinnert sich Dieter Hillebrand. Dass dieser kommende Maifeiertag 2020 nun ohne Demonstrationszug, ohne wehende Gewerkschaftsfahnen und ohne ein gemeinsames Bierchen nach der Kundgebung verläuft, stimmt die DGB-Leute schon ein wenig traurig. Um so wichtiger wird jetzt das Netz.