Essen. Aufmarsch der Rechten in der Essener Innenstadt wird untersagt. Die Gewerkschaften müssen mit ihrer Mai-Kundgebung an den Stadtrand ausweichen.

Stadt und Polizei bereiten sich auf ein heißes Maiwochenende samt Großeinsatz vor: Neun Versammlungen unterschiedlichster politischer Gruppierungen im gesamten Stadtgebiet steht an - und womöglich ein juristischer Schlagabtausch bevor. Denn die Stadt, die alle Kundgebungen nach dem verschärften Infektionsschutzgesetz prüfen muss, hat den von der NPD angemeldeten Aufmarsch am 1. Mai an der Freiheit neben dem Essener Hauptbahnhof verboten.

Sollte es an dem innerstädtischen Verkehrsknotenpunkt durch den Aufmarsch der Rechten zu einer Ansammlung von Menschen - Passanten wie Teilnehmern der Versammlung oder auch Zaungästen kommen - sei eine erhöhte Ansteckungsgefahr kaum zu verhindern, heißt es. Eine entsprechende Verfügung ist der rechtsextremen Organisation am Dienstag zugestellt worden. Ob der Landesverband der Partei die Gerichte gegen die Entscheidung der Stadt anruft, ist offen, gilt aber als wahrscheinlich.

DGB meldete zum 1. Mai 700 Teilnehmer an - Stadt lehnt ab

Der Stadt lagen im Vorfeld gleich mehrere Anmeldungen für Versammlungen am ersten Maiwochenende in der Innenstadt vor. Allein der DGB wollte ursprünglich eine Kundgebung mit bis zu 700 Teilnehmern auf dem Kennedyplatz abhalten.

Sie alle durchzuwinken, wäre schon aus infektiologischen Gründen nicht möglich gewesen. Während sich alle Veranstalter nach Einschätzung der Stadt kooperativ zeigten und dezentralen Kundgebungsorten - wenn auch zähneknirschend - zustimmten, sei die NPD trotz mehrfacher Versuche nicht zu erreichen gewesen, sagt Ordnungsdezernent Christian Kromberg. Vor dem Hintergrund dieser „mangelnden Kooperation“ sei der Stadt auch im Sinne der Gleichbehandlung gar nichts anderes übrig geblieben, als ein Verbot auszusprechen.

DGB hatte eine Absage der NPD-Demo erwartet

DGB-Geschäftsführer Dieter Hillebrand hatte bereits am Montag unmissverständlich deutlich gemacht, dass er eine Absage der NPD-Demonstration erwarte. Es wäre ein „No Go“ für die Gewerkschaften gewesen, aus Gründen des Coronaschutzes nur fern ab von Essens Mitte zusammenkommen zu dürfen, während die Rechten in der Innenstadt ihre Parolen verbreitet hätten. „Das ist unser Tag“, betonte Hillebrand erneut.

Statt den traditionellen Tag der Arbeit wie gewohnt in der Essener Innenstadt zu begehen, werden die Gewerkschaften an den Stadtrand ausweichen. Die Mai-Kundgebung findet auf dem Messeparkplatz P10 an der A52 statt. Um möglichst vielen Anhängern die Teilnahme zu ermöglichen und dennoch die Corona-Regeln einzuhalten, wird die Veranstaltung im Autokino-Format über die Bühne gehen. Die IG Metall hatte diese Form schon in den zurückliegenden Tarifauseinandersetzungen praktiziert.

Nicht glücklich über den neuen Veranstaltungsort

Glücklich sind die Gewerkschafter über den neuen Veranstaltungsort dennoch nicht. „Die 1.-Mai-Kundgebung gehört eigentlich in die Innenstadt“, betonte Hillebrand. Aber sich einzuklagen, um am Ende vielleicht noch mit einer Handvoll Leuten auf dem Kennedyplatz stehen zu können, „wäre dann doch kontraproduktiv gewesen“, räumte der DGB-Chef ein. Die Stadt hätte dort nach eigenen Angaben 100 Teilnehmer zugelassen. Doch das waren den Gewerkschaften dann wohl doch zu wenige. Außerdem soll es gewerkschaftsintern Diskussionen gegeben haben, ob eine Kundgebung in Pandemiezeiten das richtige Format ist.

Dieter Hillebrand, Geschäftsführer des DGB-Region Essen-Mülheim-Oberhausen.
Dieter Hillebrand, Geschäftsführer des DGB-Region Essen-Mülheim-Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auf dem Messeparkplatz P10 an der A52 sind nun zwar mehr Teilnehmer möglich und die Autokino-Variante verspricht auch einen besseren Infektionsschutz, jedoch dürften die Gewerkschafter dort unter sich bleiben. „Wir weichen dennoch aus, auch mit dem Wissen, dass es dafür Kritik geben wird“, so Hillebrand. Die Alternative wäre gewesen, den 1. Mai wie schon im vergangenen Jahr abzusagen und ins Digitale zu verlegen. Doch da seien sich alle DGB-Gewerkschaften einig gewesen: „Wir müssen raus und Präsenz zeigen, auch wenn es jetzt nur in Blechkarossen geht“, unterstrich IG-Metall-Geschäftsführer Markus Ernst.

NPD-Gegendemo noch ungewiss

Derweil ist noch unklar, was aus der NPD-Gegendemo von „Essen stellt sich quer“ wird. Die Entscheidung über eine geeignete Örtlichkeit ist so lange auf Eis gelegt, bis die Stadt weiß, ob ihre Verbotsverfügung gegen die NPD vor Gericht Bestand hat oder nicht. Es gibt aber so etwas wie einen ersten Plan B: Möglicherweise könnten beide Kundgebungen an die Eissporthalle im Essener Westen verlegt werden, während das Internationalistische Bündnis auf dem Frohnhauser Markt und eine Organisation aus Duisburg auf dem Holsterhauser Markt zusammenkommen.

Zudem ruft die AfD Essen zu einer stationären Kundgebung mit rund 80 Teilnehmern und ihrem Europaabgeordneten Guido Reil als Redner zwischen 12 und 14 Uhr auf dem Altenessener Markt auf, und die DKP macht sich nach der DGB-Veranstaltung vom Messeparkplatz auf in Richtung Zeche Carl.

Auch interessant

Da letztinstanzliche Entscheidungen von Richtern gegen ein Versammlungsveto nach aller Erfahrung kurz vor Beginn einer angemeldeten Kundgebung fallen können, bleibt die Polizei unabhängig von ordnungsrechtlichen Verboten bis zur letzten Minute in Alarmbereitschaft. Die Behörde bereite sich weiterhin auf einen Großeinsatz am Wochenende vor, betonte Polizeisprecher Thomas Weise.

Engelen-Kefer spricht auf Essener Mai-Demo

Der 1. Mai der Gewerkschaften steht in diesem Jahr unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft“. Unter anderem wollen sie auf die Folgen, die Corona in der Arbeitswelt hinterlässt, aufmerksam machen. Besonders die Pflegeberufe sowie den öffentlichen Dienst, der „das Leben am Laufen hält“, hat Verdi dabei im Blick. Einer der Schwerpunkte für die IG Metall ist die Beschäftigungssicherung in der Corona-Krise.

Als Redner werden u.a. auftreten: die ehemalige DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer, Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung Gaststätten und Genuss (NGG), Ralf Kutzner vom IG-Metall-Vorstand sowie Essens OB Thomas Kufen. Der Einlass beginnt um 9.45 Uhr, Start ist um 11 Uhr.