Oberhausen. Sind Frauen und Männer in Oberhausen gleichgestellt? Was muss sich ändern? Ein Gespräch mit der Gleichstellungsbeauftragten Britta Costecki.

Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Ein Tag, um Errungenschaften zur Gleichstellung von Frau und Mann zu feiern – und auf weitere Missstände hinzuweisen. Doch wo steht Oberhausen bei der Gleichstellung? Wo sind Frauen benachteiligt? Was muss sich ändern? Ein Gespräch mit der Gleichstellungsbeauftragten Britta Costecki.

Frau Costecki, wie ist es um die Gleichstellung von Frau und Mann in Oberhausen bestellt? Welche Note geben Sie der Stadt?

Eine einheitliche Note kann ich nicht geben. Wenn ich an unser Netzwerk denke, daran, wie problemlos es ist, Mitstreiter für Projekte zu gewinnen, bin ich bei einem dicken Gut. Oberhausen hat einen eigenen Gleichstellungsausschuss: dickes Plus! Wir haben aber auch eine vergleichsweise schlechte Quote der erwerbstätigen Frauen. Wir haben viel zu wenige Plätze im Frauenhaus. In der Politik gibt es keine Parität, im neuen Rat gibt es noch einmal weniger Frauen als vorher. Es gibt keine Bürgermeisterin, keine Bezirksbürgermeisterin.

Frauen sind ja nicht nur in der Oberhausener Politik unterrepräsentiert, sondern auch in den Führungsebenen von Unternehmen. Manch einer sagt: Die Frauen wollen das auch gar nicht.

Einige sagen auch, vielleicht sind ja auch gar nicht da. Auch das finde ich sehr köstlich (lacht). Man muss nur auf die Bildungsabschlüsse junger Frauen schauen: Sie sind da! Und sie wollen auch Verantwortung im Beruf übernehmen. Aber sie werden benachteiligt. Es wird nicht anerkannt, wenn Frauen in der Familie Verantwortung übernehmen, wenn sie über einen gewissen Zeitraum Kinder großziehen oder Angehörige pflegen. Stattdessen werden sie benachteiligt. Da muss es viel mehr Möglichkeiten geben, auch Führungskräfte müssen in Teilzeit arbeiten können zum Beispiel. Da hat auch unsere eigene Verwaltung noch Nachholbedarf.

Britta Costecki, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen, in ihrem Büro an der Schwartzstraße.
Britta Costecki, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen, in ihrem Büro an der Schwartzstraße. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Das heißt, wenn Führungsposten in Teilzeit ausgeschrieben würden, gäbe es sofort auch mehr Bewerberinnen?

Auch dann kann es passieren, dass sich kaum Frauen bewerben. Weil auch Frauen durch eine bestimmte Kultur geprägt sind, sie fragen sich: Kann ich das wirklich bewältigen? Frauen müssen für sich selbst erkennen, dass sie es natürlich genau so gut können wie ein Mann. Da müssen wir, da muss die ganze Gesellschaft am Rollenverständnis arbeiten. Das ist sehr schwer aufzubrechen. Da braucht es immer wieder Vorbilder, es braucht Coaching, es braucht Motivation.

Hat die Coronakrise dieses Rollenverständnis, das es eigentlich aufzubrechen gilt, noch verfestigt?

Corona hat das derzeitige Rollenverständnis bestätigt: Wir haben keine partnerschaftliche Rollenaufteilung. Es sind in großer Mehrheit die Mütter, die sich um die Kinderbetreuung kümmern. Auch Arbeitgeber haben das Verständnis verinnerlicht. Die Vorgesetzten meinen, sich um Kinder zu kümmern, sei Frauensache. Frauen wird dies dann sogar erleichtert, während Männer diese Möglichkeiten nicht erhalten. Das stärkt bei Frauen die innere Haltung, dafür zuständig zu sein. Das ist kein Vorwurf, aber es ist genau das Rollenverständnis das wir seit Jahrzehnten in Deutschland leben. Sich selbst davon zu lösen, ist sehr schwer. Ich selbst mache es ja auch, bei uns zu Hause kümmere ich mich um das Homeschooling, ich werde zur Sekretärin meiner Söhne (lacht).

Klingt, als sei es unmöglich, das Rollenverständnis aufzubrechen.

Doch. Man darf nur nicht meinen, sich seinem Schicksal fügen zu müssen. Man muss nach Möglichkeiten für sich suchen, nach individuellen Lösungen für individuelle Lebenssituationen. Wir denken aber immer noch zu sehr in Schubladen. Die Möglichkeiten sind da, aber selbstverständlich müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen. Wenn man als Frau kein Netzwerk hat, keine Familie in der Nähe, keine passenden Angebote für die Kinderbetreuung, dann hat man tatsächlich wenig Chancen.

Könnte eine Frauenquote helfen?

Ja, absolut! Denn eine freiwillige Verpflichtung wird ja tatsächlich nicht gelebt.

Das starke Geschlecht versus das andere Geschlecht: Warum denken wir automatisch an Mann versus Frau?

Wegen der Erziehung, die wir seit Jahrzehnten genießen. Durchsetzungsstärke, autoritäres Auftreten: eindeutig männlich dominierte Verhaltensweisen. Ich erinnere mich daran, als ich das erste Mal öffentlich auftreten und vor Menschen sprechen musste. Ich hatte eine gewisse Scheu. Ich sprach mit meiner Mutter darüber, die sagte: „Ja, ich hab‘ da einiges falsch gemacht.“ Ihr Motto war oft: Sei zurückhaltend, dräng‘ dich nicht in den Vordergrund. Mittlerweile bin ich über dieses Erziehungstrauma hinweg (lacht). Aber es ist doch irre, wie sehr das in einem verwurzelt ist. Ich hoffe, es ist mir bei meinen beiden Jungs gelungen, ihnen ein anderes Bewusstsein mitzugeben.

Zum Abschluss haben Sie drei Wünsche frei, um Oberhausen bei der Gleichstellung von Mann und Frau voran zu bringen.

Erstens: Wir dämmen die häusliche Gewalt ein. Es ist eine Katastrophe, was da unter deutschen Dächern stattfindet. Zweitens: Wir führen das nordische Modell ein und verbieten Prostitution. In den nordischen Ländern ist die Sexarbeit verboten. Und werden Prostituierte und Freier erwischt, wird nicht die Frau, sondern der Freier bestraft. Prostitution ist für mich völlig menschenverachtend. Drittens: Wir finden eine Lösung gegen Altersarmut, von der mehrheitlich Frauen betroffen sind. Sehr schlimm ist es für Alleinerziehende. Das sind Menschen, die sich um die Kinder kümmern, die Kinder alleine großziehen. Man lässt sie in der Armutsfalle. Und es gibt keinen Aufschrei in der Gesellschaft. Das ist erschreckend. Wieso haben wir keine Angebote für die Samstagsbetreuung der Kinder? Von den Randzeiten mal ganz zu schweigen. Was machen denn die Krankenschwestern im Wochenend-Dienst oder die Verkäuferinnen im Centro? Da muss Oberhausen ran!