Oberhausen. Viele Menschen sterben auf ihrer Flucht übers Mittelmeer nach Europa – SPD, Linke und Grüne wollen daher Oberhausen zum „Sicheren Hafen“ machen.

Die tiefgreifenden Folgen der Corona-Pandemie haben das traurige menschliche Schicksal der Flüchtlinge aus Afrika, Asien und dem Nahen Osten aus den Nachrichten fast komplett verdrängt: Noch immer aber flüchten Menschen vor Armut, Perspektivlosigkeit, Bürgerkrieg und persönlicher Verfolgung ins vermeintliche Paradies Europa, das sich zunehmend abgeschottet hat.

Die Menschen in Not erfahren schlimmstes Elend in Flüchtlingslagern, zittern auf schmalen Schlauchbooten auf dem Mittelmeer um ihr Leben. Auf ihrer Flucht sind nach Schätzungen Internationaler Migrations-Organisationen mehr als 1800 Personen auf dem Seeweg im Jahre 2019 ertrunken, über 1300 waren es im vergangenen Jahr.

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SPD, Linke und Grüne in Oberhausen beabsichtigen, in der nächsten Ratssitzung Ende März ein Zeichen zu setzen - und Oberhausen zum „Sicheren Hafen“ erklären. Sie schließen sich damit der seit 2018 existierenden bundesweiten Initiative „Seebrücke - schafft sichere Häfen!“ an, zu der bereits 227 Kommunen in Deutschland gehören. „Sichere Häfen heißen geflüchtete Menschen willkommen - und sind bereit, mehr Menschen aufzunehmen. Gemeinsam bilden die Sicheren Häfen eine starke Gegenstimme zur Abschottungspolitik der Bundesregierung und der EU“, wirbt die Initiative für ihre Idee.

Oberhausen hat über 5000 Flüchtlinge seit 2015 aufgenommen

Seit 2015 hat Oberhausen allerdings bereits nach dem üblichen Verteilungsschlüssel über 5000 Flüchtlinge aufgenommen, die noch integriert werden müssen. „Seit Jahren werden die Kommunen mit dieser Aufgabe finanziell überfordert“, kritisiert Stadtkämmerer Apostolos Tsalastras regelmäßig in seinen Haushaltsreden, dass weder Land noch Bund den Aufwand für Unterbringung und Integration von Flüchtlingen vollständig ausgleichen.

Die Stadt Oberhausen hat den starken Zuzug an Flüchtlingen seit 2015 relativ gut bewältigt, weil viele Bürger sich ehrenamtlich engagiert und Wohlfahrtsverbände ihre Erfahrungen sowie Strukturen eingebracht haben. Hier führen Alaa Joumaa (Beraterin, Mitte) und Evelyn Meinhard (Leiterin, rechts) ein Beratungsgespräch Ende 2019 in der Flüchtlingsberatungsstelle des Evangelischen Kirchenkreises in Oberhausen.
Die Stadt Oberhausen hat den starken Zuzug an Flüchtlingen seit 2015 relativ gut bewältigt, weil viele Bürger sich ehrenamtlich engagiert und Wohlfahrtsverbände ihre Erfahrungen sowie Strukturen eingebracht haben. Hier führen Alaa Joumaa (Beraterin, Mitte) und Evelyn Meinhard (Leiterin, rechts) ein Beratungsgespräch Ende 2019 in der Flüchtlingsberatungsstelle des Evangelischen Kirchenkreises in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Nach Rechnung des SPD-Landtagsabgeordneten Stefan Zimkeit im Jahre 2019 müsste Oberhausen jährlich zwei Millionen Euro mehr Geld vom Land für die Flüchtlingsunterbringung erhalten. Nach Angaben der Gemeindeprüfungsanstalt NRW kostet ein Flüchtling nur für Unterbringung und Versorgung im Jahr die Stadt fast 13.000 Euro.

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Schon 2018 waren Grüne und Linke im Oberhausener Rat dafür, mehr Flüchtlinge in Oberhausen aufzunehmen, die bei ihrer Flucht in Seenot geraten sind. Jetzt hat sich die SPD nach intensiver und heftiger interner Diskussion dazu durchgerungen, im Bundestagswahljahr dieser politischen Linie zu folgen. Damit würde im März die Mehrheit im Rat stehen: SPD, Grüne und Linke haben zusammen 30 von 58 Sitzen.

Vorstoß auf Teilnahme an der Seebrücke lehnte die SPD Anfang 2019 noch ab

Anfang 2019 hatte die SPD zusammen mit der CDU einen ähnlichen Antrag der Grünen und Linken noch abgeschwächt – in einen bloßen Appell an die Bundesregierung, die „humanitäre Katastrophe im Mittelmeer“ zu beenden. Jetzt schreibt die SPD-Ratsfraktion unter ihrer neuen Vorsitzenden Sonja Bongers: „Leider gibt es bis heute keine positive Entwicklung in dieser Frage. Wir sind nun der festen Überzeugung, dass die Menschen in den europäischen Städten gemeinsam ein Zeichen setzen müssen. Sie müssen deutlich machen, dass es nicht akzeptiert wird, dass politisch Handelnde in Europa bewusst in Kauf nehmen, dass Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken. Hilfe ist möglich und notwendig.“

4850 Flüchtlinge leben in Oberhausen

Nach Angaben des letzten städtischen „Handlungskonzeptes zum Umgang mit geflohenen Menschen in Oberhausen“ (Stand Januar 2020) leben 4850 Flüchtlinge in Oberhausen, die Gelder zum Lebensunterhalt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder nach Hartz IV (Zweites Buch Sozialgesetzbuch SGB II) beziehen.

Zu den Aufgaben der Kommune gehören die materielle Versorgung und Unterbringung der Geflohenen. Für die Zuweisung von Geflohenen an die Länder und Kommunen existiert ein bundes- und landesweit geregeltes einheitliches Verteilungsverfahren. Wie viele Geflohene jedes Bundesland aufnehmen muss, wird jedes Jahr nach dem „Königsteiner Schlüssel“ entsprechend den Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl für jedes Bundesland berechnet. Für NRW beträgt dieser rund 21 Prozent der bundesweit aufzunehmenden Geflohenen.

Die kommunale Aufnahmequote wird durch die zuständige Bezirksregierung regelmäßig geprüft und angepasst. Der Verteilungsschlüssel orientiert sich am Einwohner- und Flächenanteil der Kommunen. Oberhausen werden nach Angaben der Stadt von den 21-Prozent-NRW-Flüchtlingen 1,1 Prozent zugewiesen. Vier Gemeinschaftsunterkünfte existieren an der Bahnstraße (263 Plätze), an der Erlenstraße (200 Plätze) an der Kapellenstraße (100 Plätze) und an der Duisburger Straße (100 Plätze). Das Heim an der Ruhrorter Straße ist mit 100 Plätzen nur noch Reservestandort (Stand: 1. Januar 2020).

Seit 2015 habe sich die Lage an den europäischen Außengrenzen „dramatisch verschlechtert“, urteilt die Oberhausener SPD-Fraktion. Der Beitritt zum Bündnis „Städte sicherer Häfen“ zeige, dass die Stadt Oberhausen bereit sei, „im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine Bleibeperspektive zu ermöglichen“. Die Stadt habe in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass sie dies könne – auch wegen des hohen Einsatzes der ehrenamtlich tätigen engagierten Bürger.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingszuwanderung hatte Oberhausen 21 Sammelunterkünfte betrieben, die auf nur noch vier Flüchtlingsheime abgebaut wurden. Die Flüchtlingswelle ebbte ab, die meisten Flüchtlinge zogen in Privatwohnungen um – auch deshalb blieben über längere Zeit die Hälfte der verfügbaren Plätze unbelegt. Deshalb argumentierten Grüne und Linke schon vor zwei Jahren ähnlich wie heute: „Wir haben Platz“ - auch hier in Oberhausen! Eine menschenwürdige und solidarische Möglichkeit, die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer zu beenden, ist, diese Menschen in unseren leerstehenden Unterkünften aufzunehmen und ihnen ein faires Asylverfahren zu ermöglichen.“