Oberhausen. Das Oberhausener Karnevalsmuseum hat die historische Route des Narrenzuges aus dem Jahr 1904 wiederentdeckt. Daraus entsteht nun ein Spazierweg.

Beim Karneval soll es ja nicht immer bierernst zur Sache gehen. Im Jahr 1904 verstand die Polizei in Oberhausen aber keinen Spaß. Beim ersten großen vom Hauptausschuss Groß-Oberhausener Karneval erfassten Karnevalsumzug gab es von den Ordnungshütern sogar strenge Regeln beim Schmücken.

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Telegraphenstangen waren vom Frohsinn nämlich ausdrücklich ausgenommen. Mit Plakaten bekleben? Verboten! Auch Straßenbahnmasten mussten narrenfrei bleiben. Und die Bepflanzung neben dem Start- und Endpunkt am Neumarkt, dem heutigen Ebertplatz, durfte keinesfalls in Mittleidenschaft gezogen werden.

Genehmigung für Karnevalszug ist 117 Jahre alt

Ob die Narren vor 117 Jahren vor lauter Frohsinn bei den zarten Pflänzchen tatsächlich Nachsicht walten ließen, hat die Recherche des Dachverbands der 19 Oberhausener Karnevalsvereine im Stadtarchiv zwar nicht ergeben. Doch die närrischen Forscher entdeckten seltene Zuggenehmigungen, mit denen sich die historische Wegstrecke nun penibel herleiten lässt.

„Was viele nicht glauben. Der Karnevalsumzug durch Oberhausen war wesentlich länger als heute“, erzählt Hauptausschuss-Präsident Ludger Decker. Über gut sieben Kilometer zogen die Narren damals durch die Stadt. Von der Innenstadt fuhren die bunten Wagen bis zum Knappenmarkt, befuhren Mülheimer Straße, Brücktor- und Falkensteinstraße. Das sind rund drei Kilometer mehr Helau im Vergleich zum heutigen Jeckentreck, der bekanntlich an der Friedrich-Karl-Straße startet.

75.000 Zuschauer haben die Chronisten 1904, zugleich Gründungsjahr von Rot-Weiß Oberhausen, am Wegesrand beim eifrigen Jubeln gezählt. 21 Festwagen, 23 Fußgruppen und sieben Kapellen zogen mit. Zum Vergleich: Heute sind es um die 90 närrische Einheiten.

Es kann losgehen! Ein Foto vom historischen Jeckenumzug im Jahr 1904.
Es kann losgehen! Ein Foto vom historischen Jeckenumzug im Jahr 1904. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Der Karnevalszug gilt als Initiative des ältesten hiesigen Narrenvereins, der Alten Oberhausener Karnevalsgesellschaft Weiss-Rot von 1889 (AOK). Und er rollte früher, anders als heute, am Rosenmontag und nicht am Tulpensonntag, erzählen die Narrenforscher. Da sich die Zahl der jecken Vereinigungen noch in Grenzen hielt, marschierten sogar Gesangsvereine mit.

Früher marschierten die Gesangsvereine mit

Statt Kamelle verteilten die Narren Apfelsinen am Wegesrand. Ja, die gesunden Früchte sollen sogar aus einer Kanone abgefeuert worden sein. Pferdestärken konnte man wörtlich nehmen: Die geschmückten Paradeschiffe zogen Gäule durch die Straßen. Es sind Erinnerungen aus dem Konfetti-Universum - und die Narren haben derzeit auch viel Zeit, um in der Geschichte zu kramen.

Diese Route nahm der alte Narrenzug

Der Karnevalszug von 1904 startete am Neumarkt, dem heutigen Ebertplatz. Von dort ging es laut Hauptausschuss Groß-Oberhausener Karneval über die Grillostraße, Schwartzstraße, Bahnhofstraße, Friedrich-Karl-Straße, Bahnstraße, Königstraße, Styrumer Straße, Moltkestraße, Gutenbergstraße zum Altmarkt.

Anschließend zog der Karnevalszug über Stöckmannstraße, Marktstraße, Nohlstraße, Schwartzstraße, Mülheimer Straße, Brücktorstraße, Kirchweg, Knappenstraße, Falkensteinstraße, Wilhelmstraße und danach zurück zum Neumarkt (Ebertplatz). Einige der alten Straßennamen existieren heute nicht mehr.

Ob es vor 1904 in Oberhausen einen noch älteren Karnevalszug gegeben hat, eventuell in einem kleineren Rahmen, möchte der Hauptausschuss Groß-Oberhausener Karneval nicht ausschließen. Die Archive werden jedenfalls weiter durchforstet.

Die Corona-Krise wird in gut zwei Wochen dafür sorgen, dass der große Karnevalszug in Alt-Oberhausen ausfällt. Dies geschieht sogar zum zweiten Mal in Folge. Im vergangenen Jahr ließ eine Sturmwarnung die Wagen am Tulpensonntag in den Hallen parken. Doch die Narrenforscher wollen nicht Trübsal blasen, sondern zumindest etwas vom närrischen Geist durch die Geister-Session wehen lassen.

Das Karnevalsmuseum an der Sedanstraße wird momentan um einen Raum und sieben Vitrinen erweitert. Und der historische Zug von 1904 mit all seinen Dokumenten soll eine besondere Museumsecke erhalten.„Wir hatten bereits interessantes Fotomaterial von den frühen Karnevalszügen in unserem Archiv gesammelt, daraus ist der Antrieb gewachsen, weiter zu forschen“, erklärt Decker. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nicht nur Museumsstücke werden, sondern die Jecken an die frische Luft ziehen. „Die historische Route haben wir in einem Papier-Flyer zusammengefasst“, erklärt Decker. „Mit der Straßenkarte kann man die Strecke nun bei einem Spaziergang selbst erkunden.“

Hauptausschuss möchte Wandertouren ausbauen

Momentan erforschen die Spaziergänger die Tour nach Corona-Regeln natürlich auf eigene Faust, doch Decker plant schon weiter. „Sobald die Beschränkungen aufgehoben werden, lässt sich dies in kleineren Gruppen organisieren.“ Auch Gaststätten zum Einkehren könnten dann Teil der jecken Wanderstrecke werden. Der bereits fertig gestaltete Flyer mit der 1904er Route wird derzeit an die Karnevalsvereine verteilt. Auch über das Karnevalsmuseum können ihn Interessierte beziehen. Weitere Informationen gibt es unter: www.karneval-in-oberhausen.de