Oberhausen. Die Angehörige eines 85-Jährigen wirft dem Ameos Klinikum St. Clemens vor, dass sich der Oberhausener in der Klinik mit Corona infiziert hat.
Klinikbetreiber in Oberhausen bekommen es seit Monaten zu spüren: Viele Patienten drücken sich aus Angst vor einer Ansteckung sogar vor notwendigen Krankenhausterminen bei lebensgefährlichen Erkrankungen. Jetzt scheint der Fall eines 85-jährigen Oberhauseners, der mit Corona entlassen worden war, diese Sorge auch noch zu bestätigen. Nur ein Einzelfall? Oder vielleicht doch ein flächendeckendes Problem? Wir haken nach.
Nach Angaben von Greta Hoffmann war ihr Angehöriger, Jochen Waue, wegen eines Oberschenkelhalsbruchs im Oberhausener Ameos Klinikum St. Clemens (früher KKO) behandelt worden. Operation und Behandlung selbst seien erfolgreich verlaufen. "Ein bei der Krankenhausaufnahme sofort durchgeführter Corona-Test fiel negativ aus", erzählt Greta Hoffmann. Als der 85-Jährige dann aber zu seiner 81-jährigen Lebenspartnerin nach Hause entlassen worden sei, habe die Dame bald der Schlag getroffen. "Denn im Entlassbrief stand, dass der Patient nun positiv auf Covid-19 getestet worden ist und sich daheim sofort in Quarantäne zu begeben hat."
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Jochen Waue hat zwar den äußerst hohen Pflegegrad vier, er ist als sehr schwer pflegebedürftig. Doch eine Schutzausrüstung für die pflegende Lebensgefährtin sei ihm nicht mitgegeben worden. "Auch eine Unterweisung in Schutzmaßnahmen fand nicht statt, ein versprochener Pflegedienst kam nicht." Statt dessen sei ihr Angehöriger sowohl mit fremder Kleidung als auch mit fremder Zahnbürste aus dem Krankenhaus entlassen worden, ärgert sich Greta Hoffmann.
Das sagt der Ameos-Sprecher zu dem Fall
Von Ameos-Sprecher Gerald Bähnisch heißt es dazu auf Nachfrage: "Leider können wir Ihnen im Fall Waue aktuell keine offizielle Stellungnahme zukommen lassen, da uns zurzeit keine rechtskonforme Entbindung von der Schweigepflicht seitens des Patienten bzw. seiner rechtlichen Vertretung vorliegt."
Und seine Antwort auf die Anfrage, ob und wie es zur Ansteckung in den Ameos-Kliniken gekommen sein könnte, lautet: "Es handelt sich um eine pandemische Lage, vermutlich die größte in den letzten einhundert Jahren. Da kann ich ganz ehrlich mit der Frage ,Wie können sich Menschen in medizinischen Einrichtungen mit dem Virus anstecken' nur empfehlen, die jeweils abendliche Tagesschau anzusehen."
Strenge Teststrategie und umfassendes Hygienekonzept
Kliniken als Corona-Hotspots? Diese Frage verneint Silke Sauerwein für das Evangelische Krankenhaus Oberhausen (EKO) deutlich. Sie betont: "Ob ein Patient sich im Krankenhaus angesteckt hat oder bereits mit der Infektion ins Haus gekommen ist, lässt sich in den allermeisten Fällen aufgrund der sehr langen Inkubationszeit nicht eindeutig sagen."
Bereits vor der geplanten Aufnahme eines Patienten werde in allen Häusern vor Ort ein Corona-Test durchgeführt. Für Notfall-Patienten dagegen gilt im EKO: "Sie erhalten bei der Aufnahme einen Test und werden solange einzeln untergebracht, bis das Ergebnis vorliegt." Darüber hinaus würden alle Patienten am fünften Tag ihres Aufenthaltes noch einmal abgestrichen. Ob zum Ende der Behandlung in der Klinik ein weiterer Abstrich erfolgt, hänge von der Nachbetreuung ab. "Wird ein Patient zum Beispiel in ein Pflegeheim verlegt, muss vor der Entlassung ein negativer Abstrich vorliegen."
Natürlich würden im Krankenhaus alle Maßnahmen ergriffen, um eine Ansteckung zu verhindern. Auch Schutzmaßnahmen, wie das Tragen von Masken und das Einhalten des Abstands, gehörten dazu. "Nichtsdestotrotz können selbst diese Maßnahmen aufgrund des Infektionsgeschehens keine 100-prozentige Sicherheit bieten."
Auch Patienten tragen einen Mund-Nasen-Schutz
Das gleiche Vorgehen bestätigt Christina Fuhrmann für die Helios St. Elisabeth Klinik in Oberhausen. Aber auch sie weiß: "Grundsätzlich liefert jeder Test immer nur eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt des Abstriches und gewährleistet so eine sehr hohe, dennoch aber keine 100-prozentige Sicherheit."
Daher gelte auch bei Helios neben der konsequenten Teststrategie ein umfassendes Sicherheitskonzept. Alle Mitarbeiter tragen bereits seit Beginn der Pandemie einen Mund-Nasen-Schutz. Auch Patienten müssten einen Mundschutz tragen, sobald sie das Zimmer verlassen. Diese Regel gilt auch im Zimmer selbst, sobald der Mindestabstand von 1,5 Metern unterschritten wird - "etwa bei der Pflege oder ärztlichen Tätigkeiten". Covid-19-Patienten würden separat untergebracht. Besuche im Klinikum seien weiterhin nicht möglich.
Eine Krankenschwester spricht deutliche Worte
Schützenhilfe erhalten die Krankenhaussprecher von einer Oberhausener Krankenschwester, die selbst an Covid-19 erkrankt war (und die anonym bleiben möchte). Die 29-Jährige erzählt aus ihrem Alltag: "Wir Pflegekräfte passen wirklich verflixt auf." Jeder Mitarbeiter, egal ob Arzt oder Pflegekraft gehe sehr verantwortungsvoll mit den ihm anvertrauten Patienten um. "Wir haben doch schließlich auch alle selbst Familien, Eltern und Großeltern, die wir ebenfalls schützen wollen."
Die Hygienekonzepte in den Krankenhäusern seien streng und gut. Die Krankenschwester sagt: "Ich fühle mich auch deshalb während meiner Arbeit sicherer, als im Supermarkt, wo es immer wieder mal zu Gedränge kommt." Fakt sei aber eben auch, dass Corona überall vorkomme. "Damit lässt sich auch eine Ansteckung im Krankenhaus nicht komplett ausschließen."
Sie selbst könne nicht mehr nachvollziehen, wo sie sich angesteckt hatte. "Einer unserer Patienten kam wohl mit Covid-19 ins Krankenhaus, aber das hatte eben erst ein zweiter Test nach Tagen ergeben." Sie hat die Krankheit inzwischen zwar überstanden. "Aber die Auswirkungen spüre ich deutlich." Kurzatmigkeit und starke Müdigkeit begleiten sie bereits seit Wochen. Sie weiß: "Wer mit vielen Menschen arbeitet, geht ein hohes Risiko ein - ich wünsche mir, dass uns da mit etwas mehr Vertrauen und Respekt begegnet wird!"
Zum Hintergrund
An die Ameos Krankenhausgesellschaft, zu der auch das St. Clemens Hospital gehört, hat die Redaktion ein Schreiben des Patienten Jochen Waue geschickt, in dem dieser seine Lebensgefährtin zur Interessensvertretung bevollmächtigt. Zudem hatte Ameos ein weiteres Schreiben, in dem die Lebensgefährtin ihre Großnichte Greta Hoffmann mit der Vertretung ihrer eigenen und der Interessen ihres Partners bevollmächtigte. Greta Hoffmann wünschte sich von der Redaktion, in diesem Fall bei Ameos zu recherchieren und eine Stellungnahme einzuholen. Doch Ameos reichte dies rechtlich nicht aus.