Oberhausen. Wissenschaftler des Instituts Fraunhofer Umsicht in Oberhausen entwickeln ein neues Brandschutzglas. Es hält Temperaturen von 1000 Grad stand.
Es sind wenige Zentimeter, die Leben retten können: Brandschutzscheiben sind im Notfall oft die einzige Barriere, die Menschen vor extremer Hitze schützt. Doch solche Schutzscheiben haben auch einen Nachteil: Sie enthalten mit Acrylamid einen Stoff, der im Verdacht steht, Krebs auszulösen. Für dieses Problem gibt es dank der Oberhausener Forscher des Instituts Umsicht nun eine Lösung.
Gemeinsam mit einem Partner aus der Wirtschaft, dem Tür- und Torhersteller Hörmann, haben die Experten eine Brandschutzverglasung entwickelt, die nach Angaben des Instituts „weltweit einmalig“ ist. Das Glas kommt ohne Acrylamid aus. Und dennoch kann es Erstaunliches leisten: Bei Bränden widersteht die Verglasung einer Hitze von rund 1000 Grad Celsius – und das über einen Zeitraum von bis zu zwei Stunden. Wertvolle Zeit, wenn es beispielsweise darum geht, Menschen aus einem brennenden Hochhaus zu retten. Das Glas wird in Flucht- und Rettungswegen eingesetzt.
Kurioser Zufall führt zum Erfolg
Wie so oft in der Wissenschaft haben die Forscher ihren Erfolg unter anderem einem kuriosen Zufall zu verdanken. Doch dafür muss man etwas in die Funktionsweise der Trennscheiben eintauchen: Diese bestehen aus zwei Glasscheiben, in deren Zwischenraum sich ein wasser- und elektrolythaltiges Gel befindet. Kommt es zu einem Feuer oder zu großer Hitze, hält die den Flammen zugewandte Scheibe den hohen Temperaturen nicht lange stand und zerspringt. Das Wasser im Gel verdampft und kühlt die zweite Scheibe.
Außerdem entsteht durch das Gel eine hitzedämmende Salzschicht, die eine zusätzliche Schutzschicht bildet. Nun kommt der Zufall ins Spiel: Die Forscher haben etliche Gelsorten ausprobiert, doch ein Fehlversuch reihte sich an den nächsten. Nach 60 Rückschlägen entschieden sich die Wissenschaftler, der Vollständigkeit wegen, eine Komponente auszuprobieren, von der sie sich sicher waren, dass sie gar nicht funktionieren kann. Doch siehe da: Die Stoffmischung reagierte ganz anders als gedacht, die Lösung war gefunden.
Preise für Forscherteam
Darüber freuen sich die Entwickler sehr: Holger Wack und Damian Hintemann vom Oberhausener Umsicht-Institut und Thomas Baus von der Hörmann KG Glastechnik aus dem saarländischen Nohfelden. Für ihre neuartiges Brandschutzglas erhält das Trio nun den Joseph-von-Fraunhofer-Preis, eine von der Fraunhofer-Gesellschaft jährliche Auszeichnung für „herausragende wissenschaftliche Leistungen ihrer Mitarbeiter, die anwendungsnahe Probleme lösen“, wie es auf der Internetseite des Preises heißt.
Umweltschonende Produktion
Doch das neuartige Gel ist nicht nur frei von Acrylamid, die Produktion ist zudem auch umweltschonender als bei konventionellem Brandschutzglas : Gewöhnlich fallen bei der Produktion von Brandschutzgläsern bis zu 160 Kilogramm Abfall pro Herstellungstag an. Mit dem neuen Verfahren sind es lediglich 20 Kilo.
Zehn bis zwölf Jahre benötigen solche wissenschaftlichen Entwicklungen laut der Fraunhofer-Experten in der Regel. „Wir haben die Idee in nur vier Jahren vom Labor in die Praxis überführt – für eine komplette verfahrenstechnische Entwicklung eine sehr kurze Zeit“, sagt Damian Hintemann vom Fraunhofer Institut Umsicht.
Und die Brandschutzgläser made in Oberhausen sind bereits an prominenter Stelle im Einsatz: Im Grand Tower in Frankfurt am Main. Das Gebäude wurde in diesem Jahr fertiggestellt und ist mit rund 180 Metern Höhe Deutschlands höchstes Wohn-Hochhaus. Mehr als 400 Wohnungen verteilen sich auf rund 50 Stockwerke. Die Oberhausener Entwicklung kann im Ernstfall helfen, das Leben der Bewohner zu schützen.