Oberhausen. Damit ihr schwerbehindertes Kind am Familienleben teilhaben kann, plant eine Oberhausenerin einen Anbau. Die Stadt lehnt die Kostenübernahme ab.
Zwei Wochen nach der Geburt ihres zweiten Kindes hatte Bianca Sabo es erfahren: „Unser Sohn leidet an einer sehr seltenen Stoffwechselerkrankung.“ Die Ärzte sagten: „Er wird die ersten acht Wochen nicht überleben.“ Doch die Mutter gab nicht auf. Heute ist Robin 16 Jahre alt. Bianca Sabo ringt noch immer täglich um jeden noch so kleinen Fortschritt. Der behindertengerechte Anbau ihres Hauses soll ihr dabei helfen. Doch der ist für die Alleinerziehende finanziell nicht zu bewältigen. Der zähe Kampf um öffentliche Fördermittel aber hat sie müde gemacht. Der Verein „Oberhausen hilft“ will nun Spenden für die Familie sammeln.
Robin leidet an einer nichtketotischen Hyperglycinämie und damit an einer sehr seltenen Erkrankung. Deutschlandweit gibt es nur rund 30 Betroffene, weltweit 400. Der Junge kann nicht sprechen, er hat Epilepsie und ist fast blind. Sein Bewegungsdrang aber ist groß. „Das führt immer wieder zu unkontrollierten Bewegungen“, erzählt die Mutter. Früher zog sich Robin meist in sein Schneckenhaus zurück, bekam vom Familienleben nur wenig mit.
Stück für Stück aus dem Schneckenhaus gelockt
Doch Bianca Sabo lockte ihn Stück für Stück ins Leben. Sie geht bis heute regelmäßig mit ihm zur Physiotherapie, Ergotherapie, Reittherapie. Ein- bis zweimal im Monat erhält die Oberhausenerin Unterstützung vom ambulanten Kinderhospizdienst aus Gladbeck. „Damit ich mal in Ruhe einkaufen gehen kann.“ Die Mühe hat sich gelohnt, Robin hat längst Laute gefunden, um Freude, Trauer, Wut auszudrücken. Er besucht die neunte Klasse der Christoph-Schlingensief-Schule – und er liebt Ausflüge mit seiner Familie, vor allem in den Zoo.
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Dass ihr behindertes Kind mehr am Familienleben teilhaben kann, ist der 41-Jährigen wichtig. Deshalb hatte sie für ihn im Wohnzimmer einen Laufstall aufbauen lassen, doch der wird den Bedürfnissen eines Heranwachsenden natürlich längst nicht mehr gerecht. Wenn ihr Sohn aber Ruhe benötigt, muss sie ihn noch immer in sein Zimmer in der ersten Etage tragen. „Das schaffe ich kaum noch.“ Also beschloss Bianca Sabo umzubauen. Ein Anbau ans Wohnzimmer erschien der Alleinerziehenden als zweckmäßigste Lösung. „Ein Kinderzimmer und ein behindertengerechtes Bad könnten dort direkt neben unserem Wohnzimmer entstehen.“ Bianca Sabo stellte also einen Förderantrag bei ihrer Pflegekasse und nahm Kontakt zur Eingliederungshilfe der Stadt Oberhausen auf.
Pflegekasse bewilligte 4000 Euro
„Meine Kasse bewilligte rund 4000 Euro für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen“, freut sie sich. Die Stadt habe ebenfalls zügig eine Architektin geschickt. Die übernahm Bianca Sabos Idee, das Kinderzimmer und ein Bad ins Erdgeschoss zu verlegen. „Das Wohnzimmer aber sollte ich dann aus Platzgründen ins erste Obergeschoss unseres kleinen Hauses verlegen.“ Die Kostenübernahme für einen Anbau habe die Eingliederungshilfe abgelehnt.
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Bianca Sabo sagt: „Mit einem bloßen Zimmertausch hätten wir doch gar nichts gewonnen.“ Natürlich habe sie Verständnis dafür, dass die Stadt sich nicht auf eine Wohnraumerweiterung einlassen kann. Aber sie verfüge auch über etwas Eigenkapital, „dass ich mir vom Mund abgespart habe“. Sie sagt: „Wenn die Stadt mir die Mittel, die sie für den Umbau bewilligt hätte, für den Anbau zur Verfügung stellen würde, könnte ich die Baumaßnahme mit Hilfe meines Ersparten und den 4000 Euro von der Pflegekasse bezahlen.“ Doch auch dieser Vorschlag sei bei der Stadt auf wenig Gegenliebe gestoßen. „Die Mittel sind zweckgebunden – entweder ich akzeptiere den Vorschlag der Architektin oder ich erhalte nichts.“
Der Umbau kostet rund 60.000 Euro
Stadtsprecher Martin Berger bestätigt auf Nachfrage: „Die beantragte Kostenübernahme im Rahmen der Hilfe zur Pflege umfasste 59.400 Euro.“ Eine grobe Durchsicht der Kostenvoranschläge habe aber zu dem Ergebnis geführt, dass die Echtkosten noch höher ausfallen würden, da notwendige Maßnahmen wie Beheizung, Wärmedämmung, Bodenplatte nicht enthalten gewesen seien.
„Die Beteiligung der Pflegekasse ist aufgrund gesetzlicher Vorgaben auf die bereits bewilligten 4000 Euro beschränkt“, führt Berger aus. Nach einem Vororttermin habe man zunächst die Möglichkeit eines behindertengerechten Treppenlifts prüfen wollen. „Zuständig für die Kostenübernahme eines solchen Hilfsmittels ist die Krankenkasse.“ Im Falle einer Machbarkeit wären Umbauten dann gar nicht mehr notwendig.
„Für den Fall der Nichtmachbarkeit, insbesondere was das Liftersystem zur Etagenüberwindung anbelangt, wäre eine Verlagerung von Sanitärraum und Kinderzimmer in das Erdgeschoss notwendig.“ Dort müsste tatsächlich zusätzlicher Raum in einem Ausmaß von 16-18 Quadratmetern geschaffen werden. „Keinesfalls aber im Ausmaß des von Frau Sabo geplanten gesamten Anbaus.“ Diesbezüglich könnten keine Steuergelder zur Verfügung gestellt werden.
Verein sammelt Spenden für Robin
Bianca Sabo sieht den vorgeschlagenen Lift kritisch. „Den könnte mein Sohn nur in Begleitung benutzen, ich will aber doch gerade seine Selbstständigkeit so weit wie möglich fördern.“ Durch einen Anbau könnte Robin künftig im Erdgeschoss alle Zimmer ohne Hürde wechseln. Der Junge ist bei der Fortbewegung zwar in der Regel auf seinen Therapierollstuhl angewiesen. Doch einige Schritte kann er inzwischen bereits alleine laufen. „Mein größter Wunsch ist, dass er sich frei zwischen seinem Zimmer, dem Wohnbereich und der Küche bewegen kann“, sagt Bianca Sabo.